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Meine letzte Nacht im Schickimicki

Am Monatsende schließt der Club in der Düsseldorfer Altstadt. Ein letzter Besuch zum Abschied und eine sehr persönliche Würdigung.

Von Marc Latsch (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 21. November 2023
Schickimicki Club Düsseldorf
Blick ins Schickimicki – der Club an der Neustraße war immer eine gute Abendversicherung.

Es ist Samstagabend. Es nieselt. Es ist kalt. Und ich stehe allein in einer Seitenstraße der Düsseldorfer Altstadt. Links von mir kontrollieren zwei Männer den Eintritt in ein unscheinbares Haus. Über ihnen schimmert ein S im matten Rotlicht. Hinter dem Schild will ich in dieser Nacht ein letztes Mal feiern. Bevor das Schickimicki zum Monatsende schließt.

23:24 Uhr Backstreet Boys – „I Want It That Way“

Dieser Text ist eine Anmaßung. Der Club, über den ich schreibe, hat im Sommer sein Elfjähriges gefeiert. Als er eröffnet wurde, habe ich in Aachen gewohnt. Danach in Andernach, Mainz, Berlin, Istanbul und Bonn. Ich war auch einmal für ein Wochenende in Düsseldorf. Ich trank Killepitsch und Altbier. Meine Nacht endete im Ballermann 6. Dass es das Schickimicki überhaupt gibt, wusste ich bis Ende 2017 nicht.

23:34 Uhr Depeche Mode – „Just Can’t Get Enough“

Es dauert nur fünf Minuten und ein halbes Pils, bis ich meine Idee erstmals hinterfrage. Der DJ spielt Mainstream-Pop. Auf der Mitte der Tanzfläche singen sich sechs Männer gegenseitig an. Sie haben mit ziemlicher Sicherheit bereits den Nachmittag in der Altstadt verbracht. Ich stelle mich an den Rand der Tanzfläche und frage mich, ob ich jemals vor Mitternacht hier war.

00:01 Uhr Liquido – „Narcotic“

Als ich vor sechs Jahren nach Düsseldorf zog, wusste ich schon, dass ich privilegiert aufgewachsen war. Meine ersten Nachtleben-Erfahrungen habe ich in Koblenz gesammelt. Für mich war es normal, dass die Kneipen vor allem Rock spielten und dabei etwas mitgenommen aussahen. Im Club, in dem ich damals Stammgast war, wurde die immer gleiche Alternative-Rock-Liste aufgelegt. Irgendwann konnte ich die Nächte danach planen. Ich wusste, wann sich die Tanzfläche und wann der Raucherraum mit der Bar lohnte. Das gefiel mir. Als ich das erste Mal ins Schickimicki kam, hat es mich gleich an die Zeit in Koblenz erinnert.

00:07 Uhr Abba – „Dancing Queen“

Die Musikauswahl heute ist vollkommen wirr. Denke ich zumindest zuerst. Dann habe ich das Gefühl, dass sie einer höheren Idee folgt. Auf der Tanzfläche sehe ich um kurz nach Mitternacht eine stark geschminkte Frau im eleganten Abendkleid, ein junges Pärchen in schwarzen Kapuzenpullis und einen Mann über 50 in Unterhemd, kurzer Karohose und mit weißen Strümpfen in den Sandalen. Eine unmöglich breite Zielgruppe. Dass der DJ es innerhalb einer Viertelstunde schafft, Taylor Swift, a-ha, Lenny Kravitz, Cro, Beatsteaks und Die Prinzen aufzulegen, erscheint mir plötzlich logisch. Das Konzept ist, niemanden im Raum so lange zu enttäuschen, dass er oder sie nach Hause geht.

00:31 Uhr Bill Medley, Jennifer Warnes – „Time Of My Life“ (Elektro-Remix)

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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