Düsseldorfs Duracell-Grieche
Der Weg von der Vergangenheit in die Gegenwart ist 500 Meter lang. Theo Fitsos steht vor der Vergangenheit: Er trägt einen grauen Mantel, Jeans und weiße Nike-Sneakers. Die Vergangenheit, das ist die Wolke, jenes längst geschlossene Lokal, wo der gebürtige Düsseldorfer 1984 seine Gastro-Karriere begann. Um das für unseren Interview-Spaziergang zu dokumentieren, wird er fotografiert. Der Baum vor der Liefergasse 5, an den er sich dabei anlehnt, war bei seiner Wolke-Premiere noch nicht da. Das denkmalgeschützte Gebäude von 1708 – mit Holzfensterläden im ersten und zweiten Stock – hat sich kaum verändert. In den Achtzigern und Neunzigern gehörte das Lokal zur festen Altstadtroute bei Teenagern und Anfang-Zwanzig-Jährigen, in einer Reihe mit der benachbarten Kneipe sowie den Lokalen Pille, Pinte, Till Eulenspiegel, Zwiebel und Weißer Bär. Inzwischen werden die Räume im Erdgeschoss als Büro genutzt.
Die Geschichte des jungen DJs geht so: Bis zu seinem 24. Lebensjahr hat Theo Fitsos Musik nur zum Spaß und zu Hause aufgelegt. Dann fragt ihn sein Kumpel Tom Steinmetz, ob er dessen Nachfolger in der Wolke werden möchte. „Da war ich natürlich sofort Feuer und Flamme“. Und so tanzt Fitsos an einem Mittwochabend bei den Betreiberinnen Elli und Inge und dem „Kultkellner“ Johann zum Probelauflegen an. Der Neuling überzeugt und ist ab dem darauffolgenden Wochenende Teil des Teams. „Ich war so stolz, in einem Laden auflegen zu dürfen, dass ich das auch umsonst gemacht hätte. Nach dem Honorar habe ich gar nicht gefragt.“ Er erhält 150 Mark pro Abend – plus Trinkgeld. „Da hatte man nach drei Abenden schon die Miete für den Monat verdient.“
Die Wolke ist eine rustikale Musikkneipe mit Feier-Publikum aus Düsseldorf und Umgebung, gespickt mit ein paar Touristen. Wenn an den Wochenenden der Billardtisch an den Rand gerückt und mit Hilfe einer Abdeckplatte in einen Tisch verwandelt wird und sich das Lokal langsam füllt, nimmt Fitsos am hinteren linken Ende der Theke seinen Stehplatz hinter den Plattenspielern ein. Stammgäste erinnern sich gerne an typische Wolke-Hymnen aus dieser Zeit: „Roxanne“ von Police, „Love Cats“ von The Cure oder „Yé ké yé ké“ von Mory Kante.
Die Gäste strömen unaufhörlich zwischen Tresen und Tanzfläche durch den nikotingeschwängerten Raum. Wer dem Partystrudel entkommen möchte, wechselt in die ruhigere Hälfte des Lokals rechts des Eingangs, treffenderweise Nebenan genannt. Fitsos zieht die abgewetzten Plattenhüllen aus dem Regal, dirigiert die Stimmung. Parallel zapft und kassiert er. Multitasking: Eine Songlänge Zeit für Service und Smalltalk, dann schnell die nächste Platte raussuchen – und wieder von vorn. Gatzweilers Alt, Königs Pilsener, Genever. „Diesen Mix aus DJ und Barmann, den gibt es heute gar nicht mehr. Damals in der Altstadt war sowas normal.“
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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