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Auf der Merowingerstraße entscheidet sich die Verkehrswende

In Düsseldorf gibt es einige Stellen, an denen die Veränderungen in der Mobilität sichtbar werden, zum Beispiel an der Luegallee. Die Schlüsselstelle liegt meiner Meinung nach aber mitten in Bilk.

Veröffentlicht am 17. August 2023
Merowingerstraße in Düsseldorf-Bilk
Die Merowingerstraße ist heute vom Autoverkehr geprägt, könnte sich aber in den nächsten Jahren stark verändern. Foto: Andreas Endermann

Als ich aus der Unterführung am Bilker Bahnhof komme, zweifle ich kurz an meiner These. Auf der Merowingerstraße sehe ich zwei Spuren, auf denen mir Autos entgegenkommen und zwei, auf denen sie aus der Stadt fahren. Die Parkbuchten unter den Bäumen sind belegt, und einer der seltsamsten Radwege der Stadt endet neben einem Stoppschild. Das hält einen gerade noch rechtzeitig davon ab, unvermittelt von der Seite in den Autoverkehr zu rollen. Hier soll die entscheidende Stelle für die Verkehrswende sein?

Zwei Gründe sprechen trotz allem für diese Annahme. Der erste Punkt ist die Lage: Auf dieser Achse zwischen der A46 und der Innenstadt würden so viele Verkehrsteilnehmer:innen wie an kaum einer anderen Stelle in Düsseldorf die Veränderungen sehen und sich bewusst machen. Im Schnitt sind dort pro Tag mehr als 20.000 Fahrzeuge unterwegs. Entsprechend hoch wäre der pädagogische Wert – sowohl für die Nutzer:innen als auch für die Stadt. Der zweite Punkt: Angesichts der jetzigen Situation auf der Merowingerstraße kann man dort eine Menge verändern, so dass die Wende leicht erkennbar ist. Es gibt noch kein zusammenhängendes Konzept, noch muss man sich das Bild aus verschiedenen Puzzleteilen zusammensetzen – und zwar diesen:

Straße
Die Merowingerstraße war eine der Umweltspuren, die unter Oberbürgermeister Thomas Geisel eingeführt und unter dessen Nachfolger Stephan Keller wieder abgeschafft wurden. Anlass dafür waren die sehr schlechten Lärm- und Luftwerte. Die Grenze für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter und wurde seit dem Start der Messungen 2011 zunächst jedes Jahr überschritten. 2018 wurde dort zum Beispiel 54 Mikrogramm festgestellt. Pandemiebedingt waren 2020 und 2021 weniger Autos unterwegs, der Grenzwert wurde erstmals knapp eingehalten. Trotzdem war das Ergebnis das höchste aller Messstellen in NRW.

Die Umweltspur galt offiziell als „zu starr“, inoffiziell war sie ein dankbares politisches Symbol. So oder so: Der Verkehrsausschuss beschloss im Februar 2021, sie abzuschaffen und über Ampelsteuerungen sowie mit Tempo 30 die zulässigen Luftwerte zu erreichen. Dabei halfen auch der technische Fortschritt bei den Autos sowie der gestiegene Anteil an Menschen, die im Homeoffice arbeiten und gar nicht mehr über die Merowingerstraße fahren.

Das mehr oder minder beachtete Tempolimit und die per Ampel reduzierte Menge an Autos bilden den status quo auf der Achse in Bilk. Einen Radweg gibt es hinter dem Stoppschild nicht. Spannend wird die Zukunft der Straße nun ausgerechnet Dank der deutschen Bürokratie: durch die „Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen“. Diese sieht vor, dass eine vierspurige Straße, auf der mehr als 1600 Fahrzeuge pro Stunde unterwegs sind, mindestens 28,2 Meter breit sein muss. Dazu fehlen der Merowingerstraße 1,8 Meter. Plant man die Straße neu, muss das berücksichtigt werden und kann dazu führen, dass es nicht mehr vier Spuren für Autos gibt, sondern nur noch zwei. Darauf gäbe es dann Tempo 30 für die Autos und daneben eine Radspur.

Parken

Oberbürgermeister Stephan Keller und die Spitzen der Grüko haben im März ihr Konzept für das so genannte Parkraummanagement vorgestellt, das ein interessantes Nebenkapitel hat. In der bisherigen Diskussion ging es vor allem um die deutlich erhöhten Parkgebühren. Dabei blieb unbeachtet, dass die politischen Partner:innen auch eine erste Sonderzone abgesteckt haben – mit der Merowingerstraße genau in der Mitte.

Grundsätzliches Ziel des Parkraummanagements ist es, öffentlichen Raum neu zu verteilen. Das setzt voraus, das Autos weniger an der Straße geparkt werden und viel stärker im privaten Raum, also in (noch zu bauenden) Quartiersgaragen oder auf Flächen von Unternehmen.

Da Bilk besonders viele Einwohner und damit Autos hat, braucht das grundsätzliche Ziel dort besonders dringend alternative Angebote. Deshalb ist dort die erwähnte Zone definiert worden, die zum Beispielquartier werden, also idealerweise alle Möglichkeiten der Verkehrswende (inklusive neuverteiltem Raum) zeigen soll. Dazu zählen Mobilitätsstationen mit Carsharing, Miet-Rollern, -Scootern und -Rädern, Ladezonen, die Lieferant:innen vorher reservieren können, Fahrradgaragen und Supermärkte, die ihre Parkplätze nachts und am Wochenende für einen kleinen Betrag und per App vermieten.

Radweg
Im Konzept zum Parkraummanagement steht ein unnötig anstrengend getexteter, aber wichtiger Satz: „Beim Quartier in Bilk [ist] die Förderung des Radverkehrs durch die Anlage von Radfahrstreifen entlang der Merowingerstraße als hochrangiges Ziel formuliert“ worden. Also soll es auf jeden Fall einen Radweg geben. Dafür gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten:

  1. Wie beschrieben kann man in beiden Fahrtrichtungen jeweils eine Spur für motorisierte Fahrzeuge streichen und dort einen Radweg bauen. Dann müsste man allerdings die Parkplätze verändern. Aktuell stehen die Autos quer, das heißt man fährt beim Ausparken rückwärts über den Radweg, was mir auch angesichts der Bäume und Masten gefährlich erscheint. Folglich müssten die Parkplätze längs angelegt werden. Das würde ihre Zahl verringern und daher zugleich im Sinne des Parkraummanagements wirken.
  2. Man streicht die Parkplätze an der Seite komplett und platziert dort den Radweg. Der Raum könnte dann auf der stadtauswärts gesehen rechten Seiten sogar reichen, um Radstreifen in beide Richtungen nebeneinander anzulegen, so wie es an der Moorenstraße neben der Uniklinik der Fall ist. Natürliche Begrenzung für diesen Plan bilden die Bäume am Rand der heutigen Fahrspuren.

Dass die Stadtspitze und die Grüko dort einen Radweg für dringend und bald erforderlich halten, sieht man bisher allerdings nicht in den Plänen des Verkehrsamts. In der Liste der Projekte für 2023 und 2024 fehlt die Merowingerstraße. Bleibt dies so, dann wäre die Straße im negativen Sinne ein Sinnbild der Verkehrswende.

Nahverkehr
Ein Argument gegen meine These ist, dass der ÖPNV auf der Merowingerstraße keine herausragende Rolle spielt. Aktuell sind dort drei Buslinien (835, 836 und M3) unterwegs, aber keine Bahnen. Das kann sich nur langfristig ändern, aber das könnte es wirklich. Stadt und Rheinbahn haben soeben ein Konzept veröffentlicht, in dem sie verschiedene Möglichkeiten bewerten, wie das Streckennetz wachsen könnte. Zu den gut benoteten Optionen zählen verschiedene Verbindungen zur Universität, zur Münchener Straße und zum Südpark, die auch die Merowingerstraße entlasten können.

Fazit
Nahe dem größten Stoppschild an einem Düsseldorfer Radweg steht ein weiteres Verkehrszeichen. Es verbietet, den U-Turn auf der Merowingerstraße. Noch ist die Gefahr tatsächlich groß, dass jemand beim Anblick der Straße direkt wieder kehrtmachen möchte. Das könnte sich aber ändern – wenn die Puzzleteile aus Richtlinien, erhofften Beispielquartieren und möglichen neuen Radwege-Plänen zu einem Gesamtkonzept werden. Die Allee der Verkehrswende käme dann doch schneller, als mancher trotz Tempo 30 auf der Merowingerstraße fährt.

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