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E-Scooter sind Teil der Lösung, nicht des Problems

Die batteriebetriebenen Roller werden in der Politik und Teilen der Stadtgesellschaft vorwiegend negativ gesehen. Dabei sind sie eines der wenigen alternativen Verkehrsmittel, auf das die Düsseldorfer:innen freiwillig umsteigen. Deshalb plädiere ich für einen anderen Blick auf sie.

Veröffentlicht am 14. August 2023
Sharing Station E-Roller
Es geht auch ordentlich: Unserer Foto zeigt eine Sharing-Station mit zahlreichen E-Scootern an der Benrather Straße.

Ich bin noch nie mit einem E-Scooter gefahren. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich es je tun werde, ist etwa so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass ich in diesem Leben noch Waldhorn spielen lerne. Meine Sorge ist zu einfach zu groß, dass ich der erste Mensch bin, der darauf nicht cool aussieht und der bei besten meteorologischen Bedingungen auf völlig freier Strecke und ohne Fremdeinwirkung seine Fahrt mit einer Gesichtsbremse beendet. Ich schreibe das, weil ich hier für E-Scooter argumentiere, dies aber frei von eigenen Vorlieben.

Auslöser für dieses Plädoyer war ein Mittwochnachmittag auf dem Lastring. Ich war mit dem Fahrrad von Flingern nach Oberbilk unterwegs. Am Höherweg tauchte ein Mann mit E-Scooter vor mir auf, dessen orange-farbene Kleidung ein klares Zeichen war, dass er bei der Awista arbeitet. Er hatte offenbar Feierabend und fuhr nach Hause. Wenig später wuchs die Reihe um eine rollerfahrende Frau mit Rucksack. Sie wirkte, als käme sie aus dem Büro und habe nun Dienstschluss. Am Ende waren vier Menschen auf vier E-Scootern vor mir – ein Feierabendverkehr der batteriebetriebenen Version.

Ich musste in diesem Moment an die alleinerziehende Krankenschwester denken, die in politischen Debatten gerne herangezogen wird, wenn man ein vermeintlich anschauliches Bild sucht. Die Gegner der Parkgebühren-Erhöhung zum Beispiel argumentierten mit einer fiktiven alleinerziehenden Krankenschwester, die sinnbildlich für Menschen mit kleinerem oder mittlerem Einkommen steht. Diese werde durch die höheren Gebühren enorm belastet und habe keine Alternative zum Auto, hieß es in jener Debatte.

Nun gehört dem Verkehrsausschuss weder eine Krankenschwester noch jemand aus der vermeintlich betroffenen Bevölkerungsgruppe an. Mein Gedanke nach dem beschriebenen Nachmittag am Lastring war deshalb, dass die Politiker:innen mit Lebenssituationen argumentierten, die sie gar nicht kennen. Es könnte gut sein, dass viele Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen gar nicht von höheren Parkgebühren betroffen sind, sondern zum Beispiel auf E-Scootern ihre Wege absolvieren. Und es könnte gut sein, dass hier ein Beitrag zur Verkehrswende erfolgt, den man nicht wahrnimmt, weil diese gesellschaftlichen Gruppen nicht im Rathaus repräsentiert sind.

Die politische Diskussion über die E-Scooter wird im Wesentlichen geprägt von Menschen, die keine benutzen. Oberbürgermeister Stephan Keller zum Beispiel ließ sich zitieren, er würde die Roller verbieten, wenn er könnte. Es gibt einige Themen rund um die Roller, die noch gelöst werden müssen und um die es hier auch gleich noch geht. Aber zuvor muss man feststellen, dass in der Diskussion die Probleme ein großes Gewicht haben und die positiven Seiten meist außenvor bleiben. So könnte man zum Beispiel zu dem Schluss kommen, dass die E-Scooter ein alternatives Verkehrsmittel sind, auf das viele Menschen freiwillig umgestiegen sind. Beim ÖPNV wird dagegen vielfach vergeblich versucht, die Düsseldorfer:innen von einem Umstieg zu überzeugen.

E-Scooter-Gegner gehören nach meiner Wahrnehmung eher zu den Mitbürger:innen ab 50 aufwärts und damit eben zu der Bevölkerungsgruppe, die stark Politik und öffentliche Diskussion bestimmt. Um diese These zu überprüfen, habe ich den Vorstand des Jugendrats (Pablo Voss, Amin Bachiri und Ella Gottschling) gefragt, wie er zu den Rollern steht – auch weil ich an eine andere Debatte denken musste, in die junge Politiker:innen eine wichtige Sichtweise einbrachten: Als die Stadtstrände in Düsseldorf eröffneten, waren vor allem Menschen Ü50 in der Diskussion zu hören, die in den Containern am Rheinufer den Untergang des Abendlandes sahen und eine schnelle Kündigung der Vereinbarung mit den Betreibern forderten. Die Mitglieder des Jugendrates erklärten, dass die Stadtstrände Bereiche seien, in denen sie sich mit sicherem Gefühl treffen und feiern können, weil sie gut beleuchtet sind und es Ansprechpersonen gibt. Die Stadtstrände sind heute immer noch da, und die Zahl derer, die dort gerne im Liegestuhl sitzen, Musik hören oder etwas trinken ist kontinuierlich gewachsen. Düsseldorf hätte etwas verloren, hätte man ausschließlich auf die Gegner gehört.

Wie also sehen die Jugendratsmitglieder E-Scooter? Entspannt und nicht unnötig euphorisch. Roller seien eine komfortable und praktische Form der Mobilität – eine von mehreren Optionen. Sie seien zum Beispiel hilfreich und verlässlich, wenn die Bahn nicht komme oder man schnell irgendwohin müsse. Auch die jungen Politiker:innen kritisieren das wahllose Abstellen und die zum Teil gefährliche Fahrweise, meinen aber auch, dass sich die Lage in dieser Hinsicht schon verbessert habe und die Regeln der Stadt wirken.

Auch bei positiver Einstellung zu E-Scootern sieht man zwei Probleme, die gelöst werden müssen:

  1. Unfälle: Das Statistische Bundesamt hat im Mai einige bittere Daten veröffentlicht. Die Zahl der E-Scooter-Unfälle, bei denen jemand verletzt oder getötet wurde, ist im vergangenen Jahr um 49 Prozent gestiegen. Der Gesamtwert ist höher als bei jedem anderen Verkehrsmittel. 40 Prozent der in den Unfall verwickelten waren jünger als 25 Jahre.
    In der Statistik sieht man auch die Ursachen: E-Scooter-Nutzer:innen, die in Unfälle verwickelt sind, fuhren oft auf den falschen Wegen, waren alkoholisiert oder mit zu hohem Tempo unterwegs. Gegen all das helfen Kontrollen und Geldbußen. Zudem kann man über eine Helmpflicht diskutieren, weil das Verletzungsrisiko dadurch sinkt.
    Ein generelles Verbot erscheint mir trotz der hohen Unfallzahlen unverhältnismäßig. Es geht nicht um Uran oder Heroin, sondern um Roller. Diese zu vermieten und im Rahmen von dann auch kontrollierten Sicherheitsregeln zu nutzen, sollte erlaubt bleiben.
  2. Abstellen: E-Scooter stehen und liegen auf Gehwegen. Das ist für viele ein optisches Ärgernis, für Menschen mit Rollator, Kinderwagen oder im Rollstuhl kann es auch zum Hindernis werden, das einen zu Umwegen zwingt. Die Lage hat sich in dieser Hinsicht verbessert, weil die Stadt Flächen gekennzeichnet hat, in der die E-Scooter abgestellt werden dürfen. Am 14. August eröffnet sie die 100. dieser Sharingstationen. Das Scooter-Parken habe man in der Innenstadt so „erfolgreich reguliert und stadtverträglich gestaltet“, erklärte die Stadt anlässlich dessen.
    Weitere Effekte lassen sich über den Preis erzielen, wenn man zum Beispiel das Abstellen auf den gekennzeichneten Flächen günstiger macht als außerhalb der Parkzonen.

Mein Bild von E-Scootern war bis vor kurzem ein Nacht-Bild. Ich verband es mit der Altstadt, zwei bis drei Leuten auf dem Brett, Fahrer:innen, die einfach quer über alle Wege schossen oder die Gefährte im Rhein versenkten. Seit der Erfahrung am Lastring ist das Bild ein helleres, weil ich plötzlich ständig sehe, wie jemand damit vor- oder nachmittags durch die Innenstadt rollt, offensichtlich nicht betrunken oder leichtsinnig, sondern einfach nur daran interessiert, möglichst schnell ans Ziel zu kommen.


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