Neuer Ghibli-Laden: Totoro in der Altstadt, Trolle im Netz

In einem neuen Anime-Geschäft in der Altstadt türmen sich Plüschfiguren und Sammlerstücke. Doch während Fans durch die Regale stöbern, fluten KI-Bilder im Stil von Hayao Miyazaki das Internet. Auch rechte Akteure kapern die Ästhetik. Ein Besuch zwischen Nostalgie und Netzdebatte.
Von Gesa Born (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 23. April 2025
Atomax Berger Straße Altstadt Düsseldorf, Studio Ghibli Store
Das Düsseldorfer Geschäft des Ghibli-Studios liegt in der Nähe des Rathauses in der Altstadt. Redaktioneller Hinweis: Wir pixeln die Gesichter von Passanten, um deren Persönlichkeitsrechte zu respektieren.

Totoro steht da, wie aus dem Film gestolpert: ein grinsender Pappaufsteller mit Kulleraugen und Spuren von Klebeband. Der zottelige Waldgeist aus dem gleichnamigen Anime-Klassiker weist auf ein kleines Geschäft in der Altstadt. Man könnte es leicht übersehen.

Wer innehält, entdeckt ein liebevoll gestaltetes Schaufenster. Plüschfiguren quellen aus einer Holztruhe, kleine Wesen mit spitzen Ohren und runden Bäuchen. Daneben ein Frühstückstisch mit Spitzendecke, ein aufgeschlagenes Buch. Ein Stillleben wie aus einem Film von Hayao Miyazaki, dem Regisseur von „Chihiros Reise ins Zauberland“ oder „Prinzessin Mononoke“.

„Atomax“ heißt der neue Laden an der Berger Straße. Er widmet sich dem Werk des japanischen Animationsstudios Ghibli. Nach dem Erfolg eines Pop-up-Stores im Herbst wurde aus dem temporären Projekt ein fester Standort – neben Frankfurt der zweite bundesweit. Für viele Fans ist er mehr als ein Geschäft. Er ist ein Ort zum Abtauchen und Kramen.

In diesen Tagen ist das Studio Ghibli jedoch nicht nur bei Anime-Fans im Gespräch. Im Internet kursiert ein neuer Begriff: „Ghiblifizierung“. Er beschreibt die Erzeugung von Bildern im Ghibli-Stil mithilfe künstlicher Intelligenz. Diese Bilder fluten die sozialen Medien als Profilbilder oder Memes. Für die meisten ist es Spielerei. Doch der Trend wird politisch vereinnahmt. AfD-Politiker und andere rechte Akteure, wie etwa der Identitäre Martin Sellner, veröffentlichen die KI-generierten Bilder. Auf dem X-Account des Weißen Hauses erschien die Ghibli-Version einer weinenden Migrantin in Handschellen. Fast erinnert man sich an den Sylt-Eklat, bei dem „L’amour toujours“ zur rechtsextremen Hymne wurde: menschenfeindliche Ideologie im Kleid populärer Ästhetik.

Während im Netz der Ghibli-Stil massenhaft kopiert wird, stöbern in Düsseldorf Besucher:innen durch die Regale. Auf 70 Quadratmetern finden sie Accessoires, Sammlerstücke und Miniaturen mit Originaletiketten. Ein junges Paar steht eng beisammen, sucht, flüstert, vergleicht. Eine Frau mit hellrosa Haaren und Regenbogen-Aufnäher auf ihrem Rucksack beugt sich über Körbe mit Plüschfiguren. Dann zückt sie ihr Smartphone, filmt Emaille-Becher, Kunstdrucke und Sammlerboxen.

In die Mitte des Raums ragt ein künstlicher Baum. Efeu umschlingt die Rinde, Plastikblätter hängen von den Ästen. Figuren hocken in den unteren Regaletagen, als lebten sie im Unterholz. Wer „Mein Nachbar Totoro“ gesehen hat, erkennt den Zauberwald sofort. So wie Kevin May, 30, Pflegefachmann in einem Altenheim. Er schwärmt für den „wunderschönen, per Hand, in kleinster Detailarbeit erschaffenen Stil“ und wünscht sich eine Kennzeichnungspflicht für KI: „Diese Bilder machen echte Handwerkskunst zunichte.“

Ähnlich sieht das der 23-jährige Mediengestalter Levi Gahl. Seine Sorge: Firmen würden in Zukunft weniger oft Menschen beauftragen als die künstliche Intelligenz. „Und die Werke, die aus echten Emotionen entstanden sind, gehen verloren.“

Algorithmen lernen von Bestehendem. Das wirft Fragen des Urheberrechts auf. Was dabei oft verblasst: Diversität, Brüche und politische Nuancen. Die Ghibli-Filme kritisieren Umweltzerstörung, Maßlosigkeit und Entfremdung. Sie erzählen von Alltagsmagie und Solidarität statt Profit. Doch jetzt wird ausgerechnet die Ästhetik dieser Werke von der politischen Gegenseite vereinnahmt. Sie benutzt die niedliche Optik, um ein Gefühl von Unschuld zu erzeugen – verbunden mit völkischen, rassistischen Narrativen.

Bei Ghibli sind oft tapfere Mädchen die Heldinnen. Manga-Bloggerin Sarah Römer mag genau das. Auch sie macht das Thema betroffen. „Das tut weh. Künstler:innen stecken so viel Arbeit in ein Charakterdesign, in ihren eigenen Stil. Und dann kommt eine KI und reproduziert alles in Sekunden.“ Mit 30 Jahren schaue sie nach einem stressigen Tag immer noch gerne „Mein Nachbar Totoro“. „Diese unbeschwerte Kindheit, die der Film zeigt, ist einfach schön. Ein ruhiger, entspannter Vibe.“

Es ist eine Stimmung, die man auch im Düsseldorfer Ghibli-Store spürt. Ein Zufluchtsort, an dem man Dinge, die einem wirklich etwas bedeuten, in die Hand nehmen, drehen und wenden kann. Der Trubel der Altstadt bleibt draußen.

Und wie läuft es in der Fußgängerzone? Eine Frau beugt sich fürs Selfie zum Pappaufsteller hinunter. Totoro lächelt. Er bleibt standhaft.

Adresse und Öffnungszeiten des Ghibli-Stores
Atomax, Berger Straße 25 (Altstadt), geöffnet: montags bis donnerstags 12 bis 18, freitags 12 bis 19, samstags 11 bis 19 Uhr

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