
Gebrauchsanweisung für die Nördliche Düssel
Wir haben das schon mal gemacht – wenn auch sehr langsam. Nämlich: zu Fuß, nicht mit dem Fahrrad. 45 Kilometer, von der Mündung in den Rhein bis zur Quelle im Bergischen Land. Über sechs Jahre, in kurzen Etappen, stets so nahe wie möglich am Ufer. Die Rede ist vom Namenspaten der Stadt. Damals mussten wir uns entscheiden – und nahmen den südlichen Düssel-Arm. Er fließt durch Kaiserteich, Schwanenspiegel und Spee´schen Graben und mündet auf Höhe des Bistros „Zicke“ in den Rhein.
„Hast du schon eine Text-Idee für den Einstieg“?“, fragt mein bester Freund P., als wir am Samstagmittag am Unteren Rheinwerft stehen. Vor uns deutet ein aus blauen Backsteinen geformtes Wellenband den Mündungs-Verlauf der Düssel an, diesmal der nördlichen. Wenige Meter stromabwärts kaufen Touristen Tickets für Rheinschifffahrten. Die Düssel-„Welle“ verläuft am nördlichen Ende der Kasematten-Gastronomie mitten durch die Außenterrasse der Cocktail-Bar 112. Scheinbar unbemerkt.
P. beugt sich weit über das ungeliebte Geländer, das den Zugang zum Rhein sichern soll, schüttelt den Kopf und beantwortet die Frage selbst: „Wie wär‘s mit ,Geländerstadt Düsseldorf‘?“
Zugegeben: Auch ohne Geländer hätte er die Düssel-Mündung nicht sehen können. Dass sich direkt vor beziehungsweise unter uns der bekannteste unbekannte Fluss des Landes mit dem größten Strom des Landes vereint, ist nur vom Oberkasseler Ufer oder von vorbeifahrenden Schiffen aus zu erkennen. Und nur bei Niedrigwasser. Aktuell, wo der Rhein gut gefüllt ist, erfolgt die Liaison von Düssel und Rhein unter der Wasseroberfläche.
Wir nehmen die Verfolgung auf, tragen unsere Fahrräder über die Freitreppe zur Rheinuferpromenade. Vorbei am Schlossturm und dem Lokal „Zum Goldenen Kessel“ fahren wir über den Burgplatz zum einzigen Abschnitt, an dem die Nördliche Düssel in der Altstadt unter freiem Himmel verläuft: rund hundert Meter, entlang der kopfsteingepflasterten und für den Durchgangsverkehr gesperrten Josef-Wimmer-Gasse.
Am Düssel-Geländer neben dem bronzenen Stadterhebungsmonument treffen wir auf die Reste einer improvisierten Freiluft-Bar: Auf der uferbegrenzenden Backsteinmauer steht eine leere Flasche Wodka Gorbatschow, flankiert von einem mit oranger Flüssigkeit gefülltem Plastikbecher und zwei leeren Bierflaschen. Das abgestandene Erbe der vergangenen Nacht.
Und sonst: Die auf der Düssel-Oberfläche schwimmenden Blätter bewegen sich nicht. Das Wasser ist dunkel, am niedrigen Grund kann man Wasserpflanzen und Algen erahnen. Zwei Enten. Ein Teichhuhn. Keine Strömung. Dass es sich nicht um einen Graben, sondern um ein Flüsschen handelt, beweist der Mini-Wasserfall, über den die Nördliche Düssel in ein Rohr unter dem Burgplatz Richtung Rhein entschwindet.


„Renaturiert wurden hier bislang nur Mageninhalte und Körperflüssigkeiten“, sagt mein bester Freund P. mit Blick auf das in seinem Betonbett gefangene Flüsschen, und deutet auf einen am „Beckenrand“ schwimmenden Klumpen. Bei diesem scheint nicht sicher, ob es sich um ein weggeworfenes Stück Pizza oder um Erbrochenes handelt.
„Pfui, das muss man doch nicht erwähnen“, sage ich und hebe ironisch-mahnend den Finger. „Diese Tour muss ab sofort viel ernster werden, quasi mit Bildungsauftrag.“
Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.
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