Fortuna-Brötchen: Zwei Zutaten, ein Mythos

Den Schokokuss in einer Semmel gibt es in Düsseldorf immer noch für 95 Cent. Wie die Idee für diese Kombination entstanden ist, wird auf verschiedene Weisen erklärt. Ich stelle sie vor und teile besondere Varianten des Grundrezepts.
Veröffentlicht am 4. September 2024
Fortuna-Brötchen am Fortuna-Büdchen in Düsseldorf
Sommer, Sonne, Schokokuss – schöner geht's kaum.

Man hat als Vater ja auch einen Bildungsauftrag. Ich habe meinen zuletzt lokalpatriotisch ausgelebt. Und das kam so: Ich saß mit meiner 13-jährigen Tochter vor dem NRW-Forum, wir aßen etwas und hörten gute Musik. Aus räumlich naheliegenden, inhaltlich mir aber nicht mehr bekannten Gründen kamen wir aufs Fortuna-Büdchen zu sprechen, das hinter dem NRW-Forum am Rhein steht. Warum das so heißt, wollte meine Tochter wissen.

Ich erzählte etwas von der Route zum Stadion, von Wegbier und elektrolyte-haltigen Gerichten für spätere Teile eines Tages. „Und natürlich, weil es dort Fortuna-Brötchen gibt“, sagte ich. „Das sind die mit dem Schokokuss drin, oder?“, wollte meine Tochter wissen. Ich nickte. „Hab‘ ich noch nie probiert“, sagte sie. „Du hast was …?“, fragte ich mehr mich selbst entsetzt als sie. Unsere Hauptspeise verschwand nun sehr schnell im Bauch, das Dessert gab’s dann um die Ecke.

Am Fortuna-Büdchen waren dann auch für mich zwei Dinge neu: Der Preis für ein Fortuna-Brötchen liegt immer noch bei 95 Cent (passend zum Gründungsjahr des Vereins, 1895). Und obwohl wir an einem wunderbaren Samstag-im-Sommer-Abend uns in der Schlange einreihten und bestellten, waren beide Zutaten noch vorrätig.

Das Kind war kulinarisch versorgt und zufrieden, intellektuell aber noch nicht. Warum um alles in der Welt heißt das Fortuna-Brötchen Fortuna-Brötchen? Nichts daran ist rot-weiß, der Schokokuss wurde in Dänemark erfunden und der bekannteste deutscher Hersteller hat seinen Sitz in Berlin.

Spontan kam nur Stottern, dann fiel mir zum Glück ein Treffen vor vielen Jahren ein. Genau dort am Fortuna-Büdchen habe ich damals Daniel Kasimirowicz interviewt, den Betreiber der Internetseite fortunabroetchen.de. Darauf bietet er unter anderem ein sensationell designtes T-Shirt an. Er erzählte mir, dass es vor allem zwei Entstehungsgeschichten gibt:

1. Der deutsche Meistertitel kam 1933 so unerwartet für die Fortuna, dass niemand etwas für die Feierlichkeiten vorbereitet hatte. Fürs Schnittchen-Schmieren fehlte nach dem Sieg die Muße, also nahm man die vorhandenen Brötchen und improvisierte mit Schokoküssen. Diese Geschichte klingt zu gewollt, um wahr zu sein. In Fachkreisen wird sie daher selten vertreten.

2. Ein experimentierfreudiger Junge namens Jürgen soll in den 1960ern das Rethel-Gymnasium an der Graf-Recke-Straße besucht haben. Von dort ging er zunächst zu einem Bäcker an der Flurstraße in Flingern und kaufte ein Brötchen, dann zu einem Büdchen am Lichtplatz, um einen Schokokuss zu holen. Anschließend kombinierte er beides – zunächst aus Jux, dann zunehmend begeistert von der Kreation. Seine Kumpels sahen beziehungsweise schmeckten das ähnlich und gaben der meisterlichen Erfindung den Namen ihres Lieblingsvereins. Schon aufgrund der Detailfülle wirkt die zweite Legende deutlich glaubhafter.

Da meine Tochter Halb-Schwäbin ist, hat sie eine genetisch bedingte Freude an mundartlichen Wortschöpfungen. Passend dazu hat Daniel Kasimirowicz Namen anderer Landsmannschaften fürs Fortuna-Brötchen gesammelt hat: Quetschmann (Münsterland), Bumskopfsemmel (Bayern), Schokokuss-Dibbelcher (Hessen) und Datschweckle (Schwaben).

Bildungsauftrag erfüllt? Noch nicht. „Erst, wenn wir die anderen Rezepte ausprobiert haben“, sagt meine Tochter. Daniel Kasimirowicz empfiehlt zum Beispiel ein Dinkel-Vollkorn-Brötchen statt der normalen Semmel. Außerdem kann man zwischen die Hälften auch beperlte Osterschokoküsse quetschen oder Smarties dazu packen oder einen weißen Kuss mit Erdbeermarmelade kombinieren. Dann ist es endlich Rot-Weiß, mein Lokalpatriotismus aber auch definitiv an einer kulinarischen Grenze angekommen.

Weiterführender Link
Acht Rezepte für Fortuna-Brötchen-Varianten findet man hier.

Fortuna-Brötchen
Ein Preis passend zum Gründungsjahr des Vereins: Fortuna-Brötchen kosten immer noch 95 Cent.

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