
Party-Geschichte(n) aus dem Café Schröder, Malesh, Regine’s und Match Moore
Ob die Mata-Hari-Passage der meistvermisste Erinnerungsort der Stadt ist? In jedem Fall hat das Gespräch mit Mata-Hari-Passage-Insider Christian Schröer hier auf VierNull viele bewegt und in Erinnerungen schwelgen lassen. Jetzt folgt eine Fortsetzung, bei der „die Mata Hari“ nur eine Nebenrolle spielt. Der Plan: ein Spaziergang zwischen Kö, Herzogstraße und Altstadt – auf den Spuren „historischer“ Ausgeh-Hotspots. Schwerpunkt: die frühen und mittleren Achtziger Jahre.
Wir treffen uns vor dem Kö-Center. Wenn es um das Nachtleben geht, fällt den meisten an dieser Stelle wohl Düsseldorfs berühmteste Diskothek ein, das Checker’s. Christian Schröer, der als junger Mann 1980 von Essen nach Düsseldorf zog, kennt auch noch den von 1978 bis 1982 in den späteren Checker’s-Räumen untergebrachten Vorgänger-Club, das Malesh, und damit beginnt unsere heutige Reise in die Vergangenheit. Wir stoppen an der Treppe, die im Innenhof der Einkaufspassage zur oberen Galerie führt – der ersten Station unseres Interview-Spaziergangs. Zu den besten Zeiten des Kö-Nachtlebens staute sich hier das auf Einlass wartende Publikum bis zu den unteren Stufen, und manchmal reichte die Disco-Schlange gar bin zu den Schaufenstern der Erdgeschoss-Geschäfte.

Was unterschied das Malesh vom Checker’s?
Christian Schröer: „Während das Checker’s in Design und Einrichtung später ja eher als klassische Disco daherkam, war das Malesh orientalisch eingerichtet. Das wirkte vom Stil her damals sehr ausgefallen und besonders. Nach dem Einlass ging es zunächst die Treppe hoch, und um in den eigentlichen Club zu gelangen, musste man erst mal einen Türvorhang mit Tigermuster zur Seite schieben. Rund um die Tanzfläche gab es kleine Sitzgruppen, dunkelrot gepolstert, und mit orientalischen Tischchen davor, wo man von Kellnern bedient wurde. Und eine Ecke weiter, wo sich im Checker’s der kleine Club mit einer zweiten Tanzfläche befand, konnte man im Restaurant einen Happen essen. Die Musik legte im Malesh, ebenso wie später im Checker’s, unter anderen Guiseppe Nuzzo alias DJ Pippi auf, den die Szene ja schon aus dem Cabaret kannte, dem Club in der Mata-Hari-Passage. Er spielte eine Mischung aus Funk, Soul und Disco. Manchmal lief auch Kraftwerk, was passte, denn die Mitglieder der Band waren auch schon mal selbst unter den Gästen.“
Und das Publikum abseits von Kraftwerk?
Christan Schröer: „War im Malesh und im Checker´s ähnlich. Beide Läden hatten ja eine harte Tür, da kam man nur rein, wenn man entsprechend cool gestylt war oder als Stammgast, wobei es für Männer im Zweifelsfall ein Türöffner sein konnte, wenn sie in Begleitung einer hübschen Frau auftauchten. Ansonsten ging das vom seriösen Anzugträger bis hin zu den Partyleuten, die man auch im Sommer in den Clubs auf Ibiza sah – die meisten zwischen 20 und 35, wobei die Frauen manchmal auch noch jünger waren. Ich habe ja selbst 1982 für ein Jahr auf Ibiza gearbeitet, und das war immer ein witziges Wiedersehen, teilweise schon am Flughafen Düsseldorf. Manchmal sind Gäste direkt nach der Partynacht im Kö-Center mit dem Taxi losgefahren, haben schnell zu Hause ihre gepackten Koffer abgeholt, um kurz darauf den LTU-Flieger nach Ibiza zu besteigen. Und im angesagtesten Club der Insel, dem Pacha, arbeitete ab Anfang der Achtziger in der Urlaubsaison bereits DJ Pippi, den die Düsseldorfer schon aus dem Malesh und dem Cabaret kannten.“
Es gab also in den frühen 1980ern bei den Gästen Überschneidungen zwischen der eher alternativen Mata-Hari-Passage samt dem angeschlossenen Club Cabaret und dem Nachtleben im vergleichsweise schicken Kö-Center?
„Absolut. Das Publikum in der Mata Hari war ja auch kein klassisches Altstadtpublikum, und im Malesh und im Checker’s verkehrte zwar auch klassisches Kö-Publikum, aber eben bei weitem nicht nur. Wobei die schrillen Paradiesvögel dort eben weniger auffielen, weil viel mehr Gäste reinpassten. Eine gute Mischung mit legendären Partys. Morgens früh kam man nach durchtanzter Nacht verschwitzt und glücklich raus. Dabei war neben den Wochenenden für einige Jahre auch der Mittwoch ein beliebter Ausgehtag, da war hier oft genauso so viel los wie freitags oder samstags.“
Es gab damals auch noch einen weiteren, heute weitgehend vergessenen Club im Kö-Center, der im Laufe der Achtziger mehrmals den Namen wechselte.
„Ja, das war ein sehr kleiner Laden, ebenfalls im oberen Bereich (zeigt Richtung Treppe). Bei der Eröffnung hieß der Club Sugar, das dürfte um 1980 gewesen sein, und mein Lebensgefährte Tom Thomas, dem das Bistro in der Mata-Hari-Passage gehörte, hat die Geschäftsführung übernommen. Im Laufe der Achtziger änderte sich zwei Mal der Name, zwischendurch hieß der Club Galaxy und zum Schluss Graffiti. Ich erinnere mich noch gut, wie ich 1986 meinen 25. Geburtstag im Galaxy gefeiert habe. Da kamen meine Freunde plötzlich mit brennender Torte auf mich zu. Überraschungsparty! DJ Zambo hat die Musik aufgelegt. Ich glaube, ich habe das Tape von dem Abend sogar noch zu Hause.“
Ortswechsel. Wir nutzen nicht die Rolltreppe, sondern die „normale“ Treppe, um in den oberen Bereich des Kö-Centers zu gelangen. Zunächst halten wir uns rechts, spazieren am Geländer der Empore ums Eck herum zum früheren Eingang von Checker’s und Malesh. Dort wo es einst nur eine einzige Tür mit „Guckloch“ für den Türsteher gab, die zum ein weiteres Stockwerk höher gelegenen Club führte, gibt es heute zwei. Doch dahinter passiert nichts mehr. Früher: Szene, Glamour, Partys. Heute: Leerstand.
Zurück zum Treppenaufgang: Schräg links davor findet sich in den ehemaligen Räumen des Sugar alias Galaxy alias Graffiti der Friseursalon Sassoon. Noch weiter links öffnet sich eine größere Freifläche, und dahinter fällt der Blick auf ein ebenfalls seit Jahren ungenutztes Lokal: Außendesign zwischen „spitz“ und „dreieckig“, eine so schmale wie kurze Freitreppe vor dem Eingang, überall spiegelndes Glas, sogar auf dem Schrägdach sowie auf den kleinen Türmchen neben der Tür. Zu den Hochzeiten des Kö-Center-Nachtlebens konnten die Gäste drinnen um drei Uhr nachts Gerichte wie „Pfannkuchen mit frischen Pfifferlingen an Salat“ oder „Spaghetti aglio olio e peperoncino“ bestellen – oder früh morgens frühstücken. Heute hocken vor dem verwaisten Eingang die Tauben.

Christian Schröer: „Das Café Schröder gibt es ja leider auch schon lange nicht mehr. Wo wir jetzt stehen, war die Außenterrasse. Die wurde überwacht, weil hier – typisch Nachtleben – manchmal auch mit Drogen gehandelt wurde. Am vierten oder fünften Stock (deutet auf das Haus gegenüber) hing eine Kamera. Die Stimmung war aber fast immer friedlich. Das Café Schröder war die zentrale Anlaufstelle im Kö-Center, eine Art Wohnzimmer der Ausgehszene. Man ist ständig zwischen den Clubs hin und her gependelt, und ins Schröder gingen die Leute, um sich vom Tanzen auszuruhen, in Ruhe zu quatschen oder um die Nacht zu beginnen oder ausklingen zu lassen. Und nach Schichtende tummelten sich hier an den Wochenenden morgens auch viele Service-Leute aus anderen Läden der Stadt. Das ging oft bis neun oder zehn Uhr.“
Für die nächste Station unserer Route begeben wir uns wieder in den unteren Bereich des Kö-Centers, spazieren durch den zur Blumenstraße führenden Passagenarm. Auf halbem Weg bleiben wir vor einem Ladenlokal stehen.
Christian Schröer: „Das Café Heinemann da drüben ist wahrscheinlich der letzte Mieter von damals, der immer noch hier ist. In dem heutigen Davidoff-Laden war Mitte der Achtziger die Mata-Hari-Boutique. Das war im Prinzip eine etwas edlere Version des Mata-Hari-Passage-Konzepts, geführt vom Passagen-Besitzer Heinz Cremer und seiner Lebensgefährtin Cornelia Zerfaß. Bei der Eröffnung habe ich im Service gearbeitet und Champagner eingeschenkt. Die Boutique gab es leider nicht allzu lange, es lief nicht so gut wie erwartet, und vermutlich war die Kö einfach nicht der richtige Standort.“

Weiter. Vom Shopping zurück zum Nachtleben. Durch das Kö-Center, die Rolltreppe rechts liegen lassend, auf die Königstraße.
Christan Schröer: „Die Durchgänge im Kö-Center waren ja damals die gleichen wie heute, und wenn man mit den Clubs im ersten Stock durch war, zog man oft hierhin weiter. Ich kann das Gebäude heute nicht mehr genau ausmachen, die ehemaligen Gastro-Flächen sind ja häufig in Ladenlokale umgewandelt worden. Jedenfalls hieß das Lokal Lenny’s und lag auf der anderen Seite der Königstraße. Das war ein Bistro, wo man bis fünf Uhr morgens noch á la carte essen konnte, und im Keller war eine Disco angeschlossen. Gemischtes Publikum, von Szene-Leuten bis zum Zuhälter. Im Extremfall saß an der Bar die Prostituierte neben dem Staatsanwalt, ähnlich wie in der Mata Hari.“
Wir spazieren nun zur Königsallee, halten uns dort südwärts, bahnen uns den Weg zwischen Einkaufstütenträgerinnen und Flaneuren. Schon auf den ersten Metern kommen Erinnerungen an eine Nachtleben-Legende auf.
Christian Schröer: „Hier, etwa auf Höhe des Schuhgeschäfts Prange, war bis Mitte der Achtziger Jahre die ursprüngliche Filiale des Sam’s, bevor der Macher Charlie Büchter dann ins WZ-Center auf die andere Kö-Seite gezogen ist und das Lokal mit großem Erfolg unter den Namen Sam’s West weiterführt hat. Das war ein exklusiver, sehr schicker Nachtklub mit hohem Promi-Faktor. Die Leute kamen nicht in erster Linie, weil sie auf die Musik oder einen bestimmten DJ abfuhren und exzessiv feiern wollten, sondern zum Sehen-und-gesehen-werden. Also vom Sound her ziemlich mainstreamig und eher nichts für die Ibiza-Fraktion. Wir können uns den Sam’s-West-Standort drüben gleich gerne noch mal in Ruhe anschauen.“
Zunächst im Fokus: ein weiter südlich gelegener Erinnerungsort des Achtziger-Jahre-Nachtlebens. Wir spazieren weiter die Kö „runter“ und eine Viertelstunde später landen wir an der Ecke Jahnstraße/Herzogstraße. In dem Haus, von dessen Vergangenheit nun die Rede sein wird, steigen heute Düsseldorf-Besucher im unscheinbaren Hotel Petersburg ab. In den 1970ern wurde hier im Peppermint Club gefeiert, und in den 1980ern war das Lokal im Erdgeschoss zunächst unter dem Namen Rockin‘ Eagles bekannt, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wechselte der Name zu Relaxx.
Christian Schröer: „In diesem Szene-Club arbeiteten damals die schönsten Frauen Düsseldorfs: Vera, Anna und Michaela. Das waren die ersten, die ich kannte, die den ganzen Abend in Highheels gekellnert oder hinter der Bar gestanden haben. Unter den Gästen gab es zwar so einige, die man regelmäßig im Malesh und Checker’s gesehen hat, aber die Leute waren insgesamt deutlich weniger schickimicki und im positiven Sinne durchgeknallter. Wobei sich die Frauen durchaus mal aufbrezelten und schicke Kleider trugen. Die Typen kreuzten da aber eher in Jeans- oder Lederjacke als im Jackett auf. Sehr entspannte Party-Atmosphäre, ich habe es geliebt. Für die Musik war der mittlerweile verstorbene DJ Helmi verantwortlich, der später dann auch durch seine an wechselnden Orten gastierenden Gay-Happenings bekannt wurde. Die Betreiber des Rockin‘ Eagles/Relaxx haben übrigens an der Neubrückstraße in der Altstadt noch ein wunderschönes Café mit Terrasse und tollem Innendesign eröffnet, wo man sich tagsüber oft getroffen hat, zum Kaffeetrinken, Essen oder Frühstücken, das Tamara’s, und da sah man dann zum Teil das gleiche Personal, das man von den Nächten im Rockin‘ Eagles/Relaxx her kannte.“
Von der Herzogstraße zurück zur Königsallee. Diesmal nehmen wir die Bankenseite des Boulevards – und landen schließlich an der Ecke Trinkhausstraße vor dem Girardet-Haus, das früher als WZ-Center firmierte. Durch den Arkadengang betreten wir den Innenhof der Passage – und stehen vor den ehemaligen Räumen der Disco, die in den 80ern (und 90ern) in den lokalen Klatschspalten von Bild und Express häufiger auftauchte als jede andere der Stadt. Heute prangt über dem leicht tiefergelegten Eingang eine Aufschrift, die den aktuellen Mieter anzeigt: Event Club Dus / Circle Code Club.

Christian Schröer: „Es gibt eine Sam’s-West-Vorgeschichte, die gar nicht so viele Leute kennen und die mit der Mata-Hari-Passage zu tun hat: Vorher residierte hier nämlich für kurze Zeit der Mata-Hari-Club, komplett in weiß gestylt, mit Schwarzlicht, wobei auch die Kellner in einer weißen römischen Toga bedienten. Tom Thomas war Geschäftsführer und stand flankiert von unserem Mops Maximilian an der Tür. Das Konzept kam anfangs gut an, lief dann aber nicht mehr, also gab Heinz Cremer nach der Boutique im Kö-Center auch diesen Mata-Hari-Ableger nach rund einem Jahr wieder auf, und dann zog 1986 das Sam’s West ein. Das war damals die härteste Einlasskontrolle überhaupt. Was bedeutete, wenn man überhaupt eine Chance haben wollte: schicke Garderobe, auf keinen Fall Turnschuhe. Die Klappe ging auf, der Türsteher Peter schaute raus: Und wenn er einen nicht kannte und man weder eine berühmte Schauspielerin noch ein bekannter Bundesliga-Fußballer war und auch nicht Boris Becker oder Roberto Blanco hieß, sagte er so was wie: Heute nur Stammgäste mit Reservierung.“
Wir laufen die hundert Trinkhausstraßenmeter zur Breite Straße, überqueren vor dem Eingang zur Parkgarage unter dem Wilhelm-Marx-Haus die Ampel und biegen dann bei der Boutique Jades nach links. Das ehemalige Haus Nr. 3, wo heute ein 2007 fertig gestellter Neubau steht, gehörte früher ebenfalls zur Disco-Route.
Christian Schröer: „In der zweiten Hälfte der Achtziger residierte hier in einem Keller die Diskothek Pierre’s. Der Laden war eine Zeit lang sehr angesagt und zog eine schickere Szene an. Das Besondere war eine Tanzfläche mit Glasboden. Ich erinnere mich, dass ich mal mit meiner guten Freundin Marion dort war, und als sie zu einem flamencomäßigen Song beim Tanzen mit ihren Stöckelschuhen über den Boden klackerte, blieb sie mit dem Absatz in der Glasfläche stecken. Wir haben uns dann ganz schnell an die Bar gesetzt und so getan, als sei nichts gewesen, und es hat auch erst mal keiner gemerkt.“
Ein Abstecher in die Altstadt. Neustraße Nr. 6, dort wo die Mutter-Ey-Straße auf die schmale Durchgangspassage zur Heinrich-Heine-Allee trifft. Von 1973 bis 1979 trafen sich im heute gastrofreien Gebäude die Ausgehleute in der Diskothek Sheila, benannt nach der Wildkatze, die Mata-Hari-Passage-Besitzer Heinz Cremer, der Pächter des Sheila, in seinem Büro über der Passage hielt. Ab 1980 hieß der Club Match Moore. In beiden Fällen sollen die Anfangsjahre die besten gewesen sein.
Christian Schröer: „Nach der Eröffnung gingen alle ins Match Moore, von der lokalen Szene-Prominenz bis hin den Kraftwerk-Leuten. Die Fläche war überschaubar, und es kam nicht jeder rein. Das Ambiente war durchaus glamourös. Im Parterre waren das DJ-Pult, die Tanzfläche und die Haupt-Bar, und über eine Treppe gelangte man in den Keller, wo sich ein weiterer, kleiner Club befand. Vom Sound her ging es schon so Richtung elektronische Musik. Wo wir gerade hier stehen: Ich erinnere mich auch noch an eine Art Tagescafé hier auf der Neustraße, da vorne, schräg gegenüber, wo heute ein Bistro ist, also auf der Seite, wo mal die Kulisse war (zeigt mit der Hand die Richtung): Café Dauerwelle hieß das. Das war ein lustiger Laden für nachmittags, mit Neonleuchten an der Decke und an der Wand. Als der zumachte, das war so um 1987 rum, zog ein Sonnenstudio ein. Generell war die Auswahl beim Ausgehen damals wirklich riesig.“

Von der Neustraße geht es zur Ecke Bolkerstraße/Hunsrückenstraße. Wir halten vor dem denkmalgeschützten Gebäude des legendären Hühner-Hugo (Bolkerstraße 48), wo seit einigen Jahren die Hähnchen bei Kentucky Fried Chicken frittiert werden.
Christian Schröer: „Vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch kurz die Heinrich-Heine-Stuben erwähnen, die war da oben im ersten Stock, wo so ein Dächlein ist. Das war ein separates Lokal über dem Hühner-Hugo – zwar kein Szeneladen, aber noch ein schönes Beispiel dafür, dass anders als heute in den Achtzigern jede Menge Restaurants zu finden waren, wo man mitten in der Nacht essen konnte, ganz klassisch mit Speisekarte und Kellner. Wir waren von der Mata Hari aus auch oft nach Feierabend da, um die Nacht zu beschließen.“

Wir spazieren Richtung Kö, stehen schließlich an der Theodor-Körner-Straße vor den Schaufenstern der Galeria Kaufhof und blicken auf den Eingang des Hotels Breidenbacher Hof.
Christian Schröer: „Da vorne, ungefähr dort, wo jetzt das Geschäft von Michael Kors ist, gab es in der ersten Hälfte der Achtziger eine schicke Disco, damals noch in dem alten Breidenbacher-Hof-Gebäude. Das Lokal hieß Regine’s und war nach der Betreiberin benannt, einer Pariserin, die sich ein weltweites Disco-Netzwerk aufgebaut hatte, und hier in Düsseldorf war die erste deutsche Filiale. Es ging runter in den Keller unter dem Hotel und dort öffnete sich eine edel designte Diskothek mit Bar. Das brachte schon einen Schwung weltstädtisches Flair an die Kö. Ich habe die Besitzerin damals sogar mal kurz kennengelernt, eine glamouröse rothaarige Dame, gerne im schicken Paillettenkleid, sehr nett. Oben an der Tür zur Straße machte ein Türsteher die Einlasskontrolle, und wer drin war und runter ging, traf dann am Ende der Treppe manchmal auf Madame persönlich, und die begrüßte die Gäste in charmantem Deutsch mit französischem Akzent. Ein königlicher Aufritt, das war klasse. Als das Hotel Mitte der Achtziger verkauft wurde, war auch das Ende für das Regine’s gekommen. In den Keller zog übrigens in den Neunzigern eine Cocktail-Bar ein, das Trader Vic’s.“
Bei der Nach-Recherche zum Interview-Spaziergang taucht aus den Tiefen des Archivs ein Spiegel-Artikel auf, der im April 1979, anlässlich der Eröffnung des Düsseldorfer Regine’s unter dem Titel „Eine Lepra-Kolonie der Überprivilegierten“ in bitterbösem und nicht mit Düsseldorf-Klischees sparendem Ton Hintergrund-Infos liefert: Bei der „Königin der Nacht“ handelte es sich um die in Paris lebende Belgierin Regine Zylberberg. Und bei der Premiere an der Kö gaben sich Bundespräsidenten-Gattin Mildred Scheel, der französische Botschafter sowie lokale Promis wie Gabriele Henkel und Charles Wilp die Ehre. Der Spiegel schrieb: „Aus Besorgnis vor einem Überwiegen gelifteter Schönheit und rheinischer Lebensart war aus München vorsorglich ein Schock unbesehener Bar-Miezen eingeflogen worden.“ Und über die typische Regine’s-Klientel: „Das zielbewußt angerichtete Nebeneinander von graumelierter Solvenz und jugendlicher Verführbarkeit, die zumindest denkbare Kuppelung aufweichender Erfolgsmänner mit schöner, draller Abenteuerlust.“ Anfang Mai dieses Jahres, 43 Jahre nach der Düsseldorfer Regine’s-Eröffnung, berichtete Spiegel Online erneut über Regine Zylberberg: „Manchen galt sie als Erfinderin der Diskotheken: Die französische Sängerin und Schauspielerin Régine betrieb ein weltweites Club-Imperium. Nun starb sie in Paris.“
Der Interview-Spaziergang endet mit zwei persönlichen Geschichten. Die erste spielt vor dem Schalenbrunnen am Corneliusplatz, nördlich der Kö, nicht mal hundert Meter Luftlinie vom ehemaligen Regine´s entfernt. Durch den Bau von U-Bahn und Kö-Bogen war das neobarocke Bauwerk rund zehn Jahre eingelagert, seit 2017 steht es wieder vor Ort, wenn auch an leicht anderer Stelle als in den 1980ern.
Christian Schröer: „Früh morgens kamen die Leute ja oft extrem aufgeputscht und verschwitzt aus dem Checker´s, und im Sommer habe ich ein paar Mal Typen erlebt, die sich spontan die Klamotten ausgezogen haben und zum Abkühlen in den Kö-Graben gesprungen sind, um da eine kleine Runde zu schwimmen. Mir war das zu schlammig. Dafür habe ich aber einmal, als wir früh morgens voller Euphorie aus dem Checker´s gekommen sind, mit ein paar Freunden hier im Brunnen getanzt, während eine Freundin auf unsere Schuhe aufpasste. Man kann sich das jetzt nicht mehr so ganz vorstellen, weil das Wasser momentan nicht läuft, aber normalerweise spritzt es hier an allen Ecken und Enden, von oben und von den Seiten, und wir standen mit hochgekrempelten Hosen im Wasserbecken, ließen uns halb nassspritzen und sangen Singing in the rain, so albern und aufgedreht, als würde gerade ein Musik-Video von uns gedreht. Ein Moment, den man nicht vergisst.“
Wir gehen über die Kö, zurück zum Anfangspunkt des Spaziergangs. Und dann fällt vor dem Kö-Center doch noch der Name, der eigentlich immer fällt, wenn von der legendären Diskothek Checker’s die Rede ist.
Christian Schröer: „In den Achtzigern war hier direkt vor dem Kö-Center ein Taxistand. Mein Partner Tom und ich – wir hatten Sylvester im Checker’s gefeiert und wollten nach Hause. Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte der Jahreswechsel 1987 gewesen sein. Es war kalt, es regnete, und es gab keine Taxis. Neben uns wartete eine wunderschöne Frau, blond, im grünen Kleid, ganz alleine, um die 18 Jahre, Wahnsinnsaustrahlung. Die wollte ebenfalls möglichst schnell nach Hause. Wir warteten und warteten. Keine Taxis. Wir kamen mit dem Mädel ins Gespräch, und als Tom schließlich entschied, seinen ein paar Straßen weiter geparkten Jaguar zu holen, um dann eben doch selbst zu fahren, obwohl er ein bis zwei Gläser zu viel getrunken hatte, boten wir ihr an, sie nach Hause zu fahren. Die Adresse, zu der sie wollte lag auf dem Weg. Wir quatschen gut gelaunt über Gott und die Welt – und setzten sie dann ab. Eine nette, sympathische Begegnung. So rund anderthalb bis zwei Jahre später, als in der Presse immer öfter über die im Checker’s von einem Modelscout entdeckte Claudia Schiffer berichtet wurde und wir die ersten Fotos von ihr in den Zeitschriften sahen, erinnerten Tom und ich uns an Sylvester und an das wunderschöne blonde Mädel, und wir waren uns zu – sagen wir mal – 90 Prozent sicher, dass sie es war, die wir im Auto mitgenommen hatten.“