Was für einen großen Aquazoo spricht

Im Rathaus wird diskutiert, das Institut im Nordpark um die dreifache Fläche zu erweitern. Die Argumente sind gut, es gibt aber auch zwei Risiken.
Veröffentlicht am 2. Dezember 2024
Aquazoo im Nordpark Düsseldorf
Das heutige Gebäude des Aquazoos steht seit 1987 im Düsseldorfer Nordpark.

Am Aquazoo hängt ein großes Plakat. Darauf sind ein grünes Reptil und der Satz „Bei uns lohnt sich das Schlangestehen“ zu sehen. Das ist gleichermaßen von der Wirklichkeit bestätigtes Eigenlob wie indirekte Beschreibung eines Problems: Das Institut im Nordpark stößt an seine Grenzen. Der Stadtrat hatte deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, ob und wie der Aquazoo wachsen kann. Die Ergebnisse liegen nun vor. Dabei ist das Ob weniger ein Thema, es geht direkt um das Wie und das Warum.

Ziel ist ein großer Aquazoo. Er soll um rund 25.000 Quadratmeter Fläche wachsen, verteilt über mehrere Geschosse. Zum Vergleich: Heute ist das Institut auf etwa 7600 Quadratmetern beheimatet. Es würden zwei neue Gebäude entstehen, eine Land- und eine Wasserhalle, passend zu den Lebensräumen der Tiere. Für diese Neubauten gibt es drei Varianten:

  1. Beide Gebäude befinden sich weitgehend über der Erde.
  2. Eines der beiden Gebäude entsteht unter der Erde.
  3. Beide Gebäude liegen unter der Erde.
Aquazoo Visualisierung
Diese Visualisierungen zeigen in Grundzügen, wo die Erweiterung des Aquazoos liegen und wie sie aussehen könnte. In Variante 1 befinden sie sich die Gebäude weitgehend über der Erde und sind durch Brücken verbunden. Visualisierung: ZQD GmbH

Aquazoo Visualisierung
In der zweiten Variante befindet sich ein Gebäude unter der Erde. Visualisierung: ZQD GmbH

Aquazoo Visualisierung
In der dritten Variante liegen beide Neubauten unter der Erde. Visualisierung: ZQD GmbH

Einen Zeitplan enthält die Machbarkeitsstudie nicht. Nach den Erfahrungen vergleichbarer Projekte kann man von Folgendem ausgehen: Zu den drei Varianten werden nun im Detail Vorzüge und Nachteile aufgelistet. Der Stadtrat kann dann vor der Sommerpause 2025 entscheiden, ob er einer Erweiterung will. Architektenwettbewerb und Planung würden anschließend drei bis vier Jahre erfordern, die Bauarbeiten könnten gegen Ende des Jahrzehnts beginnen und in der ersten Hälfte der 2030er Jahre abgeschlossen werden.

Damit würde verspätet Wirklichkeit, was in den Nuller Jahren schon mal in Düsseldorf diskutiert wurde. Der 2008 verstorbene Oberbürgermeister Joachim Erwin schrieb in seinem politischen Testament „Baut ein Aquarium mit internationalem Anspruch“. Hätte er länger gelebt, gäbe es dieses Aquarium, also den großen Aquazoo, wahrscheinlich schon. So aber wurden die Pläne angesichts der Finanzkrise und knapperer Haushaltsmittel damals auf eine technische Sanierung beschränkt. Das vorhandene Gebäude wurde auf den Stand der Zeit gebracht und ist seit der Wiedereröffnung auf den seit 1987 bestehenden Raum begrenzt.

Aquazoo-Direktor Jochen Reiter hat die Machbarkeitsstudie und die Argumente nun im Kulturausschuss vorgestellt. Ich habe ihn dort gehört und zudem in seinem Institut besucht, um in Ruhe über den Zustand und die Erweiterung zu diskutieren. Mein Eindruck: Jochen Reiter hat eine Reihe guter Argumente auf seiner Seite, wird aber auch auf mindestens zwei Herausforderungen treffen.

Die Argumente

Tierwohl
Wie Tiere in Zoos gehalten werden sollen, regelt in Deutschland das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung, also die Behörde von Cem Özdemir. Dort sind zu verschiedenen Tierarten Gutachten erstellt worden, was für deren Wohl mindestens erforderlich ist. Es geht unter anderem um die Größe von Gehegen, Futter und tiermedizinische Betreuung. Diese Gutachten entwickelt das Ministerium kontinuierlich weiter, damit wachsen die Anforderungen an die Zoos. Mehr dazu finden Sie hier.

Der Aquazoo erfüllt die Bedingungen noch. Mit Betonung auf noch. Man hat es mit der Sanierung der 2010er Jahre und kleineren Maßnahmen immer irgendwie möglich gemacht. Wenn aber die zu erwartenden nächsten großen Änderungen der Tierschutzgutachten aus Berlin kommen, wird das wahrscheinlich nicht mehr für alle 6000 Bewohner des Aquazoos passen. Dann bliebe dem Haus nichts anderes übrig, als Tiere abzugeben. Das wären voraussichtlich große Arten, also solche, die bei den Besucher:innen besonders beliebt sind. Diese Erfahrung hat man in der Vergangenheit schon gemacht, deshalb gibt es im Aquazoo heute keine Seebären mehr.

Attraktion
Im Düsseldorfer Umland findet man keine Werbung für den Aquazoo. Das hat einen einfachen Grund: Noch mehr Gäste würde das Haus kaum verkraften. Vor allem für junge und kürzere Besucher:innen würde es bedeuten, dass sie in Reihe vier oder fünf vor einem Aquarium stehen und mehr Rücken ihrer Vorderleute als Tiere sehen. Das Haus verkauft in der Regel weit mehr als 400.000 Tickets pro Jahr, 2023 waren es sogar mehr als eine halbe Million.

Der Aquazoo ist schon jetzt eine der größten Attraktionen Düsseldorfs. Diese Stärke könnte er mit einer Erweiterung noch viel mehr ausspielen. Da das Institut wissenschaftlich geführt ist, wäre dies keine Spaß-Attraktion, wie es sie beispielsweise in Oberhausen gibt. Die Gäste kämen wegen der Tiere und gingen mit mehr Wissen.

Bildung
Rund 900 Lern- und Lehrveranstaltungen finden pro Jahr im Aquazoo statt. Neben der bloßen Zahl ist es vor allem die Art der Bildung, die den besonderen Wert ausmacht. Sie verbindet Erleben und Emotion. Wer im großen Becken die Rochen, Clownfische, die Korallen und alle die anderen Wesen dieses Lebensraums sieht, versteht, was Klimaschutz praktisch bedeutet. Sollte sich die Erde tatsächlich um zwei Grad erwärmen, würden voraussichtlich 90 Prozent der Korallenriffe nicht überleben. Aquazoo-Besucherinnen und -Besucher gehen deshalb nach einem Besuch anders mit Plastikmüll um oder denken neu über die Verschmutzung von Flüssen und Meeren nach.

Aufenthalt
Der Shop des Aquazoos ist geschätzt fünf Quadratmeter groß und ins Kassenmöbel integriert. Eine Gastronomie gibt es im Haus ebenso wenig wie Flächen, auf denen man sich einfach mal kurz setzen und ausruhen kann. Die Erweiterung würde diese Dinge ermöglichen. Im heutigen Gebäude ergäbe sich mehr Platz, etwa für die Erholungsflächen und einen echten Shop. In den Neubauten könnte man neben Räumen für die Bildung auch ein Café oder Restaurant einrichten.

Politik
Die vier größten Fraktionen im Kulturausschuss haben dem Aquazoo Rückendeckung gegeben – auf leicht übertriebene Weise. Sie alle betonten den Wert des Hauses und ergänzten sehr passend die Punkte, die Jochen Reiter in seinem auf 20 Minuten begrenzten Vortrag nicht mehr untergebracht hatte. Bürgermeister Josef Hinkel hielt beispielsweise ein Plädoyer, dem man deutlich anmerkte, dass es sich nicht um einen spontanen Ausbruch handelte. Mit anderen Worten: Der Aquazoo-Direktor hat umfassend Überzeugungsarbeit geleistet – und mindestens im Kulturausschuss die erhoffte Wirkung erzielt.

Die Risiken

Kosten und Oper
Über Geld wurde bisher nicht gesprochen, jedenfalls nicht öffentlich. Ich würde das Ganze vorsichtig so schätzen: Die Sanierung des Kunstpalasts hat nach städtischen Angaben rund 50 Millionen Euro gekostet. Ein Zoo muss zudem noch andere Anforderungen erfüllen. Man kann deshalb davon ausgehen, dass es mindestens einen hohen zweistelligen Millionenbetrag braucht.

Einen solchen Betrag muss die Stadt für einen Zeitraum einplanen, in dem sie auch viel Geld für ihre Brücken, für die Schulen, die Rheinbahn und die neue Oper benötigt. Die vorhandenen finanziellen Möglichkeiten übersteigt das Ganze so oder so – auch weil sich die städtischen Finanzen voraussichtlich negativ entwickeln. Die Frage ist daher schlicht, wie gut man Kosten über eine längere Zeit strecken kann, wann eine Schmerzgrenze erreicht ist und was der Stadtrat dann priorisiert.

Gartendenkmal Nordpark
Blickt man auf den Haupteingang des Aquazoos, würden die neuen Gebäude links davon entstehen. Das sind ganz überwiegend Flächen, die nicht zum historischen Teil des Nordparks gehören. Dennoch ist die Erweiterung mit Eingriffen in die Grünanlage verbunden, weil zum Beispiel Bäume gefällt werden müssten. Zum Gartendenkmal Nordpark zählen zudem die freien Sichtachsen. Diese könnten durch die Neubauten betroffen sein – auch deshalb gibt es die Varianten, in denen ein oder beide Gebäude unter der Erde liegen. Diese wiederum sind teurer.

Fazit
Jochen Reiter hat im Kulturausschuss gesagt, sein Haus stehe an einem Scheideweg. Das ist drastisch formuliert, beschreibt den Zustand aber dennoch. Damit bleiben ihm zwei Möglichkeiten: Schrumpfen oder Wachsen, Tiere abgeben oder zwei neue Gebäude bauen. Angesichts der Popularität und Anziehungskraft des Aquazoos spricht vieles dafür, in die Erweiterung zu investieren.

An dieser Stelle möchte ich das Ganze noch einmal mit dem Kunstpalast vergleichen. Auch dort hatte die Stadt über Jahre und Jahrzehnte mit Provisorien und zugedrückten Augen gearbeitet. Die große Sanierung hat diesem immer unwürdigeren Zustand ein Ende bereitet. Beim Aquazoo ist es ähnlich. Er kann sich nicht weiter durchwurschteln, schon wegen des Tierwohls nicht.

Mein Eindruck aus dem Rathaus ist, dass sich dort niemand trauen wird, das in Frage zu stellen, eben weil das Haus bei so vielen Menschen beliebt ist. Zeit, das Ganze noch ein paar Jahre hinauszuschieben, bleibt auch nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass der Aquazoo erweitert wird, die Stadt also alle genannten kostspieligen Vorhaben angeht.


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