Herausforderungen der Rheinbahn: Alltäglich, aber groß

Das Verkehrsunternehmen hat im Sommer einen neuen Kurs eingeleitet und anschließend personelle Konsequenzen gezogen. Das veränderte Team geht nun in die Praxis, die alles andere als einfach ist.
Veröffentlicht am 18. Oktober 2024
U-Bahnhof in Düsseldorf
Ein Bild aus dem Alltag des Nahverkehrs: Dem Wort Ausgang fehlt in diesem Düsseldorfer U-Bahnhof ein s.

50 Hektar Fläche wären nicht schlecht. Oder 28 Monate frühere Lieferungen. Oder eine Bundesregierung, die doch noch Geld findet, um Elektrobusse zu fördern. So einfach, wie die Herausforderungen der Rheinbahn aufzulisten sind, so schwierig sind sie in der Praxis zu lösen. Das gilt um so mehr, weil einige davon auch noch zusammenhängen.

Die Voraussetzungen, es dennoch zu schaffen, hat die Spitze des Verkehrsunternehmens in den vergangenen Monaten geschaffen. Nach einer umfassenden Analyse des Hauses waren dessen Probleme benannt: Silo-Denken in den Abteilungen, geringer Digitalisierungsgrad, wenig ausgeprägtes wirtschaftliches Denken, dafür aber ausgeprägtes Interesse an Seilschaften und Erhöhung der eigenen Erträge (mehr dazu finden Sie hier).

Bekannt, aber ignoriert-toleriert waren diese Schwierigkeiten zum Teil schon seit Jahrzehnten. Der entscheidende Unterschied im Sommer 2024: Vorstandssprecherin Annette Grabbe und Oberbürgermeister Stephan Keller waren bereit, auch den schmerzhaften Teil eines Umbruchs, vor allem Abfindungszahlungen und mögliche Prozesse beim Arbeitsgericht, zu tragen.

Dieses Signal hatte personelle Folgen. Vier Führungskräfte, die unter dem Vorstand angesiedelt waren, verließen das Unternehmen in den vergangenen Wochen. Neue Verantwortliche kamen, darunter eine Vertraute des Oberbürgermeisters, die als Rechtsexpertin zur Rheinbahn wechselt. Den Gesamtüberblick über Trennungen und die neuen Abteilungsleiter finden Sie hier.

Die neue Unternehmenskultur und ein anderes Team sind die Grundlage. Nun geht es darum, damit auch im praktischen Alltag spürbar etwas zu verändern. Felder gibt es genug, Möglichkeiten für einfache Erfolge leider kaum, wie die folgende Liste der Herausforderungen zeigt:

Kunden-Orientierung

Klingt im Jahr 2024 banal bis selbstverständlich, ist es bei der Rheinbahn aber nicht. Das Unternehmen hat sich bisher am liebsten mit sich selbst beschäftigt und nicht mit den Fahrgästen oder Menschen, die es noch werden könnten. Das muss sich in der Kommunikation und im Angebot ändern. Die Rheinbahn muss an Automaten und Haltestellen die Fragen beantworten, die insbesondere bei Gelegenheits-Nutzer:innen auftreten.

Zudem muss die Rheinbahn herausfinden, was mögliche Kund:innen vermissen, welche Routen sie durch die Stadt brauchen oder was sie in den Bussen und Bahnen stört. Zum Teil liegen die Daten dazu schon vor, genutzt wurden sie allerdings wenig. Eine der wenigen sichtbaren Folgen waren die Metro-Buslinien.

Die Vorstandsvorsitzende hat für die Kommunikation ein erstes Zeichen gesetzt. Sie traf sich mit den Mitgliedern des Behindertenrats und beschrieb bei Linkedin, was sie dabei gelernt hat. So hören zum Beispiel Menschen mit Sehbehinderung, die fragen, welche Bus- oder Bahn-Linie dies sei, immer wieder den Satz „Steht doch da“. So könne man grundsätzlich nicht miteinander umgehen und erst recht nicht, wenn man ein möglichst barrierefreies und inklusives Angebot im Nahverkehr machen wolle, schrieb Annette Grabe.

Ein Instrument für besseres Verständnis könnte ein Fahrgastbeirat sein. Solche Gremien gibt es in anderen Städten und Regionen. Ich habe mit einigen von ihnen telefoniert und überwiegend Positives gehört. Zwar sind die Gruppen in der Regel nicht gerade bunt gemischt, sondern vorwiegend beige und grau. Aber sie haben Fortschritte bei Tickets oder Routen erreicht.

Die schwarz-grüne Mehrheit im Düsseldorfer Stadtrat hat einen Fahrgastbeirat als Ziel im Kooperationsvertrag stehen. Bisher kann man nicht erkennen, dass er in dieser Legislaturperiode noch eingeführt wird.

Fahrzeuge
Ein Rheinbahn-Insider hat die Lieferungen von Bussen und Bahnen in jüngerer Vergangenheit mit einem Satz beschrieben: „Wir haben mit Verlaub viel Schrott bekommen.“ Fahrzeuge kommen erst mit mehr als zwei Jahren Verzögerung, von zehn Bussen aus Portugal erreichen acht Düsseldorf mit Schäden – das sind zwei Beispiele, die ich während meiner Recherchen gehört habe.

Die Folgen: Die Rheinbahn muss erhöhten Aufwand betreiben, um bestellte Fahrzeuge überhaupt fit zu machen. Und sie verliert weitere Zeit und Kraft in den Nachverhandlungen mit den Herstellern.

Mit solchen Problemen kämpft das Düsseldorfer Verkehrsunternehmen wie der Rest der Branche. Würde es die Fahrzeuge pünktlich und einsatzbereit erhalten, könnte es zunächst alte Bahnen aussortieren und den Fahrgästen zumindest schon mal mehr Komfort bieten. Mittelfristig wären dann längere Züge und/oder ein dichterer Takt möglich. Das setzt allerdings finanzielle Hilfen voraus.

Fördermittel
Vom Bund ist aktuell kein Geld zu erwarten. Das ist eine der Folgen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vor einem knappen Jahr. Damals erklärte es, die Bundesregierung habe verfassungswidrig gehandelt, als sie 60 Milliarden Euro, die sie während der Corona-Notlage nicht ausgegeben hatte, in den Klima- und Transformationsfonds schob. Das Geld fehlt jetzt unter anderem im ÖPNV. Die Bereitschaft des Bundesverkehrsministers, stattdessen Diesel- oder Kerosinsubventionen zu streichen, ist nicht ersichtlich.

Zuschüsse vom Land NRW sind angesichts der schwierigen Haushaltslage dort mindestens unsicher. Und die Stadt möchte und kann die Verkehrswende nicht allein bezahlen. Kämmerin Dorothée Schneider hatte in ihrer Haushaltsrede im September auffallend betont, dass die Stadt über ihre Holding der Landeshauptstadt die Defizite der Rheinbahn zu spüren bekomme.

Was die Herausforderungen „Fahrzeuge“ und „Fördermittel“ praktisch bedeuten, zeigt eine der jüngsten Bestellungen der Rheinbahn. Weil es keine Fördermittel gibt und möglichst schnell funktionsfähige Busse kommen sollen, bestellte das Unternehmen keine Elektro- oder Wasserstoff-, sondern Diesel-Fahrzeuge.

Selbst wenn es wieder Fördermittel gibt und die Hersteller endlich ordentlich produzieren, muss die Rheinbahn noch zwei Punkte lösen. Sie könnte zusätzliche Bahnen und Busse im Moment kaum abstellen und bräuchte auch noch deutlich mehr Mitarbeitende, die sie fahren.

Betriebshöfe
Der Rheinbahn fehlen je nach Rechnung zwei oder drei Gelände für ihre Fahrzeuge: eines für die Hochflurfahrzeuge (das sind die Bahnen mit Treppenstufen) und eines für Niederflurfahrzeuge. Das dritte Gelände würde für Busse samt Infrastruktur zum Laden oder Wasserstoff-Tanken gebraucht. Je nach Größe der Bahn-Betriebshöfe könnten die Busse dort unterkommen, dann käme man mit zwei Flächen aus.

Es gibt Hinweise, dass an der Messe und auf dem früheren Vallourec-Gelände in Rath Betriebshöfe entstehen können. Politische Beschlüsse und entsprechende Umbauarbeiten stehen aber bisher aus.

Fachkräfte
Hinzu kommt die Suche nach Fahrerinnen und Fahrern. Die Rheinbahn macht im Recruiting und in der Ausbildung offensichtlich einiges richtig. Anders als andere Verkehrsunternehmen hat sie bisher keine Fahrpläne zusammenstreichen müssen, weil ihr die Fachkräfte fehlen. Dennoch gibt es zwei ungemütliche Szenarien:

1. Während der Fußball-EM hat die Rheinbahn gezeigt, dass sie ihr Angebot vergrößern kann. Das war allerdings nur nach zusätzlichen und nicht gerade günstigen Verhandlungen mit dem Betriebsrat möglich. Es ist nicht beliebig oft wiederholbar. Und abgebaut werden müssen Überstunden trotzdem.

2. Für die Rheinbahn sind auf einigen Strecken Subunternehmen im Einsatz. Wenn sie nicht genügend Fachpersonal finden, geben sie Aufträge an die Rheinbahn zurück. Diese muss dann mit eigenen Kräften die zusätzlichen Fahrten stemmen. Das bringt das ganze Konstrukt der Belastungsgrenze noch näher.

Krankenstand
Gleichermaßen der beschriebene Stress als auch die bisher übliche freizügige Auslegung des Privatbedarfs an „Gelben Scheinen“ haben die Statistik der Rheinbahn bitter beeinflusst. Ein hoher Krankenstand ist auch branchen-typisch, das tröstet angesichts der Pläne hier aber niemanden. Deshalb ruhen die Hoffnungen nun auf neuer Personalführung und neuer Freude daran, einen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten.

Das würde den Bogen zur neuen Unternehmenskultur schlagen und zumindest einen ersten Kreis schließen.


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