Claus Fabsi Fabian
Mit einem Bild von Fabsi, dem Lappenclown, wirbt Düsseldorf regelmäßig für seinen Karneval, so auch 2023. Foto: Andreas Endermann

Zum letzten Mal als Lappenclown

Der Düsseldorfer Rosenmontagszug 2023 ist mit einem Abschied verbunden: Claus „Fabsi“ Fabian dreht nach mehr als 50 Jahren seine letzte Runde – in dem Kostüm, das seine Mutter ihm einst aus einem Schlafanzug und Stoffresten nähte.
Veröffentlicht am 20. Februar 2023

Die Geschichte beginnt mit Schmerzen und sie endet mit Schmerzen, aber dazwischen liegen viele sehr schöne Momente.

Der erste Schmerz

Der Lappenclown-Lebenslauf beginnt 1968. Damals näht die Mutter von Claus „Fabsi“ Fabian ihm zum ersten Mal ein Kostüm. Der Junge will sich Knallplättchen kaufen und läuft nochmal zum Büdchen. Auf der Treppe des Hauses an der Münsterstraße rutscht er aus und schlägt „wie ein Klappmesser“ auf. Danach schmerzt der Bauch, die Eltern fahren mit dem Sohn vorsichtshalber ins Vinzenz-Krankenhaus, vielleicht ist ja eine Rippe gebrochen.

Fabsi wird geröntgt, die Rippen sind okay, aber er soll lieber zur Beobachtung dableiben. Noch bevor es am nächsten Morgen Frühstück gibt, schnellt der junge Patient aus seinem Bett hoch, so stark sind seine Schmerzen. Er wird sofort in den OP gebracht, bekommt Spritzen ins Bein, hört noch, wie um ihn herum geschrien wird, weil sich der Tisch verhakt hat, dann ist er weg. Als er wieder aufwacht, erfährt er, dass seine Milz gerissen war – und dass er sehr viel Glück gehabt hat.

Den ersten Rosenmontagszug als Lappenclown erlebt er deshalb erst 1969.

Der heutige Schmerz

In den frühen 80er-Jahren ist Fabsi Schlagzeuger bei ZK, der Vorgängerband der Toten Hosen. Etwas später gründet er in Norddeutschland die Punkrockband Die Mimmis und eine Plattenfirma (Weser Label). Für beide ist er bis heute fleißig unterwegs. 2018 spürt er, dass seine Knie die Sommerfestivals nicht mehr gut mitmachen. Deshalb entscheidet er sich für Titan-Gelenke und geht in Hannover ins Krankenhaus. Der zuständige Arzt ist Kölner. Als er mitbekommt, dass sein Patient aus Düsseldorf stammt, überlegt er kurz, „ob ich Ihnen das Gelenk vielleicht heimlich falschrum einsetze“.

Das zweite Knie-Gelenk folgt 2021. Konzerte sind weiter möglich, Laufen geht prima, „nur Stehen ist die Hölle“. Da Mitlaufen im Düsseldorfer Karneval mit viel Stop-and-go verbunden ist, wird das absehbar immer schwieriger. Bevor die Knie ihn zwingen, trifft Fabsi lieber von sich aus die schwere Entscheidung.

Den letzten Rosenmontagszug als Lappenclown erlebt er deshalb 2023.

Die besonderen Momente

Im Jahr nach dem Milzriss, also 1969, steht Familie Fabian am Rand des Rosenmontagszugs. Zwei Lappenclowns ziehen vorbei. Die Frau und der Mann sitzen auf einem Doppel-Fahrrad, das nach links fährt, wenn man nach rechts steuert, und umgekehrt. Fabsi springt in den Zug und fragt die beiden, ob er mitkommen kann. Klar kann er. Und so läuft er vor dem Fahrrad und macht den Weg frei. „Bist Du nächstes Jahr wieder hier?“, fragen die beiden am Ziel. Aus dem Duo wird ein Trio – bis die Frau aus persönlichen Gründen nicht mehr kommt.

Als Fabsi 18 wird, steht ziemlich fest, dass er nicht mehr wächst, deshalb näht die Mutter ein neues, größeres Kostüm. Sie fragt in vielen Stoffläden nach Resten, nimmt einen Schlafanzug und näht darauf eine wilde Mischung aus den Moden der späten 60er und frühen 70er.

Nach der Zeit mit dem Duo auf dem verrückten Fahrrad findet der junge Clown direkt wieder Anschluss. Die vom Fanclub der Reisholzer Quatschköpp sähen genauso aus wie er, da würde er prima zupassen, hört er. Also fragt Fabsi dort nach und findet seine neue Heimat im Rosenmontagszug. Gemeinsam erlebt man unter anderem ein Jahr, in dem zu Karneval extrem viel  Schnee fiel. Mehr, als man wegräumen konnte. Die großen Wagen wären deshalb nicht mehr um die Kurven gekommen. Die meisten Teilnehmer:innen sind deshalb in jenem Jahr zu Fuß unterwegs, ein Fest für die Gruppen, die die Strecke jedes Jahr laufen.

Fabsi lebt seit gut 40 Jahren in Norddeutschland. Zum Karneval in Düsseldorf ist er bis zur ersten Knie-OP aber immer gefahren. Sogar in dem Jahr, in dem seine Tochter geboren wird, da allerdings auf die harte Tour: Die Deutsche Bahn bietet am Rosenmontag einen „Karnevalszug“ von Nord nach Süd an. Der hält in Hamburg und Bremen und dann erst wieder in Düsseldorf und Köln. Fabsi muss gegen 6 Uhr am Bahnhof sein, der Zug ist schon voll und viele seiner Insassen auch. An den erhofften Schlaf ist nicht zu denken, gepflegt gerädert kommt er in Düsseldorf an – und muss noch am selben Abend mit demselben Verkehrsmittel zurück.

Seine Frau hat das damals und auch sonst nie in Frage gestellt. „Sie wusste, dass im Karneval meine Batterien wieder aufgeladen werden. Der Zug gibt dir unheimlich viel zurück.“ Fabsi kauft auf eigene Kosten Wurfmaterial. In Bremen kennt er einen Händler, der im Norden Kirmesstände mit kleinen Gewinnen versorgt. Was nach der Kirmessaison übrig ist, nimmt der Düsseldorfer zum Sonderpreis – und verteilt die Püppchen oder Tröten beim Rosenmontagszug. „Verkleidete bekommen immer etwas von mir. Wer aber mit umgedrehtem Schirm da steht, der kann mich mal.“

Irgendwann löst sich der Fanclub der Quatschköpp auf. Fabsi sucht sich seitdem jedes Jahr jeweils passende Leute, die er begleitet. Gerne Gruppen, bei denen er seinen Wurfmaterial-Nachschub auf einen Wagen legen kann, sehr gerne Kapellen, zu deren Musik man tanzen kann.

In einem dieser Jahre wird der Lappenclown plötzlich berühmt. Während er im Zug über den Platz vor dem Düsseldorfer Rathaus läuft und „Helau“ ruft, wird ein Foto von ihm gemacht. Das erscheint in diversen Zeitungen, das Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) präsentiert es immer wieder auf großen Plakaten (so auch dieses Jahr) und auf seiner Internetseite.

Jetzt, beim letzten Zug, wird etwas anders sein. Der Lappen-Clown ist zum ersten Mal nicht „illegal“ dabei. In all den Jahren ist er immer einfach irgendwo mitgelaufen. Dieses Jahr hat das CC von seiner besonderen Verbindung gehört und besorgt ihm einen Platz im Zug. Deshalb muss sich Fabsi am Rosenmontag erstmals offiziell bei der Zugleitung melden. Dann erfährt er, wo und wie er dabei ist.

Sollte man ihn auf einen Wagen einladen, müsste er das leider ablehnen. „Was soll ich denn da oben?“

Die Zukunft

Nie mehr Lappenclown heißt nicht zugleich nie mehr Karneval. Der bald 66-Jährige kann sich gut vorstellen, Züge an anderen Stellen der Welt anzuschauen: Teneriffa, Trinidad, ziemlich sicher nochmal Fasnacht in Basel.

Aber jetzt erstmal das Finale – mit einem Kostüm, das auch nur noch dieses eine Mal mitmachen wird. Der Schlafanzugstoff ist hauchdünn, unter den Armen hat er schon Löcher. Die beiden zusätzlichen Ärmel, die mal daran hingen, kann man nicht mehr vernünftig befestigen. Mit Thermounterwäsche, Stützstrümpfen und Gesundheitsschuhen darunter geht Fabsi auf seine letzten sechs Kilometer Rosenmontagszug. „Dann werde ich sicher Tränen in den Augen haben“, sagt er am Ende unseres Interviews. „Habe ich ja jetzt schon.“

Weiterführender Link

Ein Video, das Fabsi vor seinem Plakatmotiv gedreht hat, ist hier zu finden.

Claus Fabsi Fabian
Claus „Fabsi“ Fabian und seine Tochter Gina, feierten Karneval im Jahr 2000 beide in Lappenclown-Kostümen. Foto: privat

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