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Keplereck vs. Jae
Mehr Kontrast auf weniger Metern geht nicht: das Gourmetrestaurant Jae (links) und das Kepler-Eck. Foto: Andreas Endermann

Nobelrestaurant und Eckkneipe: Eine Kreuzung, zwei Welten

Zwischen dem Jae und dem Kepler-Eck liegen zehn Meter. Das eine hat einen Sternekoch, das andere Bier zu niedrigen Preisen. Wir haben dort denselben Abend verbracht, allerdings auf unterschiedlichen Straßenseiten.

Veröffentlicht am 17. Februar 2023

Aperitif

Sebastian, Jae

Für mich gibt es zwei Arten von Restaurants: In dem einen gibt man seine Jacke, eher noch seinen Mantel, am Eingang ab. In dem anderen ist es üblich, die Jacke über die Stuhllehne zu hängen. Das ist das Restaurant, in das ich normalerweise gehe. Im „Jae“ bittet eine Frau um meine Jacke, kaum, dass ich es betreten habe. Die Frau wird sich später als Sommelière herausstellen, die den Namen Emiko Fukuzawa trägt. Es ist ein Mittwoch im Februar, 19.30 Uhr. Gerade habe ich Christian ins Kepler-Eck verabschiedet, die Kneipe, die genau gegenüber an der Keplerstraße liegt. Unser Plan: Wir werden beide den Abend nur wenige Meter voneinander entfernt verbringen, aber in mutmaßlich völlig unterschiedlichen Welten. Unter dem Pullover trage ich ein Hemd, um nicht sofort aufzufallen. Frau Fukuzawa weist mir einen Platz an der Theke zu. Der Gast sitzt hoch und sieht dem Chefkoch Jörg Wissmann und seinem Assistenten bei der Arbeit zu. In der Mitte steht ein Tisch, auf dem die Gerichte zusammengebaut werden, in der Ecke der Herd. Wissmann, ein 40-Jähriger, der weiße Sneaker zu seinen Jeans trägt, hat für das Düsseldorfer Restaurant „Agata’s“ vor einigen Jahren einen Stern erkocht und vor wenigen Wochen sein eigenes Restaurant eröffnet.

109 Euro wird das vegetarische Menü kosten, das ich bei der Reservierung bestellt habe. Es ist nicht so, dass ich kein Fleisch esse, aber dann hätte ich 40 Euro mehr bezahlt. In meinem Kopf ist jedes Hauptgericht, das mehr als 20 Euro kostet, der reinste Luxus. Schon weil ich, jedenfalls in der Theorie, Kommunist bin. Also mindestens links. Ich bin auch nicht mit feiner Küche aufgewachsen und finde es eher befremdlich, dreistellige Beträge für ein Menü zu bezahlen. Essen gehen hieß in meiner Familie Pizzeria, Pommesbude und während des Nordseeurlaubs einmal in ein Fischrestaurant. Es waren Restaurants mit seitenlangen Speisekarten. Im Jae gibt es keine Karte, nicht mal für die Getränke.

Ich versuche, mich etwas näher an die Theke heranzuziehen. Schon deshalb verstehe ich hohe Stühle nicht. Im Hintergrund läuft sphärische Popmusik von der Art, dass man sie auch gleich ausstellen kann. Die Sommelière, über die ich später recherchiere, dass sie auf Instagram Emi_Weinhouse heißt, was ich lustig finde, bringt mir einen Aperitif. Alkohol trinke ich nicht, also gießt sie mir einen teuren Fruchtsaftsprudel ein. Neben mir an der Theke sitzt ein älteres Paar. Wir sind zu sechst im Raum. Weitere Reservierungen liegen heute nicht vor, und eine Reservierung ist Pflicht. Ich bin mir sicher, dass ich mit meiner Ahnungslosigkeit gleich auffliegen werde.

Christian, Kepler-Eck

Was im Kepler-Eck einmal an der Wand hängt, bleibt dort. Das sehr alte Telefon, die abenteuerliche Verkabelung, die kleinen Fächer eines Sparklubs, zwei Spielautomaten, drei Fernseher, die das Pokalspiel Nürnberg gegen Düsseldorf zeigen, die Wochenkarte, auf der für jeden Tag vier Getränke zu einem besonders günstigen Preis angeboten werden. Alkoholfrei ist keines davon. An diesem Mittwoch ist Jägermeister-Korn-Ouzo-Apfelkorn-für-1,50-Tag.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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