Schlemmen an der Schiene

Wann ich das letzte Mal das Restaurant eines Hotels empfohlen habe, weiß ich nicht mehr. Jetzt tue ich es. Der Grund: Das Mezzomar im Me-and-all-Hotel an der Hansaallee, kurz vor dem Belsenplatz, hat etliche Besonderheiten. Das Areal, auf dem es steht, ist nämlich ein Stück Düsseldorfer Rheinbahn-Geschichte. Dort war irgendwann in den 1970er Jahre die Hauptverwaltung der Rheinbahn gebaut worden. Ein Klotz aus Waschbeton, an Hässlichkeit nicht zu überbieten. Dann kam die Zeit, als auch beim systembedingt defizitären Betreiber Düsseldorfer Busse und Bahnen klar wurde, dass man mit diesem Grundstück in 1a-Lage etwas Besseres anfangen könnte, als Verwaltung zu betreiben. Also wurde es verkauft und abgerissen. Für die Umgebung ein Entschluss von großem Vorteil.
Die Lindner-Hotelgruppe baute danach dort eine Herberge in einem Stil, der gern mit junger Linie beschrieben wird. In der Regel heißt das: ein Design weit weg vom piefigen Hotelimage, schrille Farben und Möbel, Kunst sowieso, dazu gern ein paar Gimmicks, mit denen keiner rechnet. Einer davon: Im Foyer, nicht weit Empfang, steht ein Friseurstuhl alter Machart. Keine Deko, sondern echt: Waschen, schneiden, föhnen? Bitte sehr. Nach Terminvereinbarung.
Gleich nebenan liegt das oben genannte Restaurant Mezzomar. Der Name ist ein bisschen irreführend, weil Mezzo Italienisch ist und „Hälfte“ bedeutet, und „Mar“ ein Wort aus dem Spanischen. Die Übersetzung, Sie ahnen es: Meer. Halbes Meer also. Falls Sie nun hoffen, diese sprachliche Merkwürdigkeit würde aufgeklärt, muss ich Sie enttäuschen. Ich habe keine Ahnung, wie dieser Name entstanden ist. Womöglich weil die Karte sowohl Tapas (spanisch) wie Antipasti (italienisch) anbietet.
Wo wir gerade bei Besonderheiten sind: Sollten Sie im Mezzomar sein und als Folge des dritten Kaltgetränks drängt es Sie nach urologischer Erleichterung, dann gehen Sie nicht auf die Restaurant-Toilette, sondern biegen vorher rechts ab. Dort sind die WC der Hotel-Lobby, auf deren Türen nicht etwa Piktogramme für ihn und sie oder die Worte Herren oder Damen zu finden sind. Nein, das wäre ja viel zu – sagen wir: spießig. Dort heißt es: sisters only und brothers only. Wer die für sein Geschlecht richtige Wahl getroffen hat, entdeckt auf jeden Fall ein Krokodil. Das bei den Schwestern ist golden (ja, ich war verbotswidrig kurz drin und habe das überprüft), das bei den Brüdern schwarz. Der Rest ist tiefschwarz, und der Hausmann in mir hegt arge Bedenken bei der Frage, wie ich da die Spritzer wegkriege, die nicht nur das extrem kalkhaltige Düsseldorfer Wasser bisweilen hinterlässt.
Nun ja – das nur am Rande. Aber es sieht wirklich klasse aus.
Zurück zur Rheinbahn. Von der ist nahezu nichts geblieben, bis auf ein Gleis, das einmal rund ums Gebäude führt und wohl bei Bedarf als Kehre benutzt wird. Es ist tatsächlich aktiv, allerdings nur manchmal, wie uns die die nette Kellnerin verrät. Für Gäste auf der Terrasse auf jeden Fall ungewöhnlich: Keine zwei Meter entfernt rollt eine Straßenbahn vorbei. Das ist in Düsseldorf einmalig – Schlemmen an der Schiene. Stören tun die Bahnen nicht, finde ich. Zumal sie live zu erleben Seltenheitswert hat.
Und die Qualität auf dem Teller? Die ist nicht zu beanstanden. Besuche ich ein italienisches Restaurant erstmals, bestelle ich immer Spaghetti aglio e olio – ein sehr simples Gericht, bei dem man dennoch viel falsch machen kann. Hat die Küche es korrekt angerichtet, sollte der Rest kein Problem sein. War auch so, ein klarer Punkt für Mezzomar.
Also: Hingehen – und das WC nicht vergessen.
Eine Straßenbahnhaltestelle liegt übrigens nur wenige hundert Meter entfernt.
Weiterführende Links
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