Mallorca will keine nackten Bierbäuche mehr sehen

Für die jetzt gestartete Saison rechnen die Balearen nach zweijähriger Corona-Pause mit Rekordzahlen, seit dem Ferienbeginn sind ab Düsseldorf zigtausende auf die Inseln gereist. Allein am ersten Aprilwochenende sind dort insgesamt rund 250 000 Menschen angekommen.
Dort sollten sie sich über nochmals verschärfte Regeln informieren – oder sie ecken an. Denn die rot-grüne Regionalregierung will beim Umweltschutz nicht nur auf Müllvermeidung und -entsorgung, Trinkwasserschutz und E-Mobilität setzen, sondern sie hat auch Regeln für das Verhalten in der Öffentlichkeit und angemessene Kleidung formuliert. Ein Kampf gegen optische Umweltverschmutzung sozusagen.
Im Visier und der Haupttäter: männlich, weißer (oder roter) Hautfarbe, oft älter als 50. Mit der sehr großzügigen Präsentation seines Oberkörpers fällt er an der Playa de Palma oder an der Promenade in Alcudia oder Cala Millor auf. Angesichts seiner ausladenden Silhouette unterhalb des Brustbeins wird klar, dass der Begriff Six Pack nicht nur eine – hier nicht zutreffende – Beschreibung von Bauchmuskulatur, sondern auch als Assoziation an reichlich genossenes Bier in handlichen Gebinden geeignet ist. Aus bisher nicht erforschten Gründen liebt es dieser Feriengast, oben ohne durch den Ort oder in Restaurants zu spazieren. Das stößt anderen Touristen auf und den Wirten. Sie werden nun von der Regierung ermuntert und unterstützt, solchen Gästen den Zutritt zu verwehren. Weder bei Mann noch Frau will man eine Kleidung akzeptieren, in der diese Personen daheim nicht mal den Müll raustragen würden.
Aber auch ein bekleideter Oberkörper kann unters neue Regelwerk fallen. So genannte Mankinis, also die berüchtigten Einteiler à la Borat sind verpönt, T-Shirts mit obszönen oder extremistischen Aufdrucken können ebenfalls geahndet werden. Mallorcas Unternehmerverband Caeb, in dem auch viele Wirte organisiert sind, hat die Parole ausgegeben: „Wir wollen das nicht mehr.“ Das Ganze ist derzeit allerdings noch eher vage formuliert, von „unbürgerlichem Verhalten“ ist die Rede.
Diese Verschärfung des Regelwerks ist die Fortsetzung einer Initiative, die die Inselregierung schon vor Jahren angestoßen und im Laufe der Zeit immer weiter betrieben hat. Man sorgt sich ums Image, will hin zu „grünem Tourismus“, scheut erneute Schlagzeilen wegen Party-Exzessen und Sauftourismus. Während der Corona-Krise hat die Regierung vor allem Anbietern von Partytempeln an der Playa de Palma („Mega-Park“) und in der Hochburg britischer Touristen Magaluf durch knallharte Auflagen gezeigt, wie stark der Wille ist, durchzugreifen. Man hat die Vergnügungsbranche in die Pflicht genommen und droht mit weiteren gesetzlichen Verschärfungen, falls sich von Seiten der Gastronomen keine Einsicht zeigt, Auswüchse vergangener Zeiten nicht wieder entstehen zu lassen.
Offiziell sagt das keiner, aber intern gilt als sicher, dass man die Pandemie mit ihren streng durchgesetzten Beschränkungen bis hin zu harten Lockdowns als Chance gesehen hat, dem seit langem angestrebten Qualitätstourismus ein Stück näher zu kommen. Dazu gehört auch das, was man als Bettenbremse bezeichnet. Für vier Jahre wird die Zahl der Zimmer für Touristen eingefroren, neue Hotels werden nicht mehr genehmigt, neue Vermietungslizenzen für Pensionen nur unter sehr strengen Auflagen vergeben. 433.000 Touristenbetten sind derzeit offiziell im Angebot und diese Zahl soll nicht weiter wachsen. Würde sie sinken, hätte die Regierung auch nichts dagegen. Dass sie deshalb den Vorwurf hört, man bevorzuge künftig Luxustourismus, nimmt die Inselregierung lässig hin.
Seit geraumer Zeit ist man nämlich dabei, neben dem Fremdenverkehr weitere Einnahmequellen aufzubauen. Die Universität von Palma de Mallorca kooperiert mit IT-Unternehmen und lockt mit guten Jobs. Die Energieerzeug auf alternative Weise, also durch die Kraft der Sonne, wird vorangetrieben. Und in ein paar Jahren werden neue Autos mit Verbrennermotoren nicht mehr zugelassen. Nicht zuletzt durch die wachsende Zahl von Freiberuflern, die während der Corona-Krise dank guter Internetverbindung die Inseln als Adresse ihres Home-Office entdeckt haben, sehen die Balearen neue wirtschaftliche Chancen neben dem Tourismus.
Der jedoch wird noch lange zentrale Einnahmequelle für den Staat und die Menschen sein. Im Laufe des Jahres 2022 rechnet man mit rund zehn Millionen Besuchern.