Auf Streife – aber immer zu Fuß

Die Düsseldorfer Polizei hat große Wachen und kleine Vertretungen in den Stadtteilen. In Gerresheim arbeiten dort Melanie Wienholz und ihre Kollegen im Erdgeschoss eines normalen Wohnhauses. Wie ihr Alltag aussieht, habe ich mir bei meinen Besuchen angeschaut.
Veröffentlicht am 13. Juni 2024
Polizeidienststelle Gerresheim
Polizeihauptkommissarin Melanie Wienholz startet ihre Streife in Gerresheim zu Fuß. Die Dienststelle hat keinen Streifenwagen. Weil sie ihn nicht braucht.

Melanie Wienholz will in Knittkuhl für sichere Schulwege sorgen. Für die Polizeihauptkommissarin bedeutet das eine gute Dreiviertelstunde wandern. Sie geht über den Gerresheimer Friedhof hinauf Richtung Hubbelrath und läuft dann an der Landstraße weiter. Unterwegs überholt sie ein Bus. Der Fahrer hält an und öffnet die Tür. „Ist Ihr Auto in der Reparatur? Soll ich Sie mitnehmen?“, fragt er. Melanie Wienholz bedankt sich für das nette Angebot und geht weiter. Das ist schließlich Alltag in der Dienststelle, die keinen Streifenwagen hat, weil sie ihn nicht braucht.

Die Polizei in Düsseldorf hat drei Ebenen. Es gibt das Polizeipräsidium im Zentrum und drei Polizeiinspektionen im Stadtgebiet: Nord, Mitte und Süd. Die wiederum haben jeweils mehrere Bezirksdienststellen für die Stadtteile. Eine davon befindet sich an der Sonnbornstraße, einer Seitenstraße in Gerresheim, in der normale Mehrfamilienhäuser stehen. Das Gebäude hat eine dunkelrote Fassade und acht Klingeln. Auf den Schildern stehen die Nachnamen der Hausbewohner, auf dem untersten steht „Polizei“.

Wenn Melanie Wienholz und ihre Kolleg:innen dort morgens ihren Arbeitstag beginnen, schauen sie zunächst ins Meldesystem der Polizei. Hat es in ihrem Bereich in den vergangenen Stunden einen Einbruch gegeben, häusliche Gewalt oder Ähnliches?

Das Team aus der Bezirksdienststelle kümmert sich um die Nachsorge, es ähnelt einem Hausarzt im Vergleich zum Rettungssanitäter. Wenn Gerresheimer:innen die 110 wählen, landen sie über die Leitstelle in der großen Wache in Mörsenbroich. Von dort starten die Beamten im Streifenwagen, nehmen Zeugenaussagen auf und kümmern sich um die akuten Fragen. Am Tag danach schaut das Team aus der Sonnbornstraße, was nun getan werden kann. Die Beamt:innen fragen, ob den Betroffenen noch etwas eingefallen ist oder die Nachbarn etwas bemerkt haben, sie vermitteln Kontakt zur Opfer-Hilfe oder unterstützen, wenn jemand einen Schadensbericht für die Versicherung ausfüllen muss.

Kommt es zu Gewalt in Beziehungen oder Familien, dann wird der Aggressor für zehn Tage der Wohnung verwiesen. Die Polizist:innen schauen bei ihrem Besuch, ob sich der Täter daran hält, beraten das Opfer, welche Möglichkeiten es hat, beim Amtsgericht weitere Beschlüsse zu erwirken, und kümmern sich darum, dass der Täter seine Sachen aus der Wohnung bekommt, ohne diese nochmal zu betreten.

All das machen die Mitglieder der Bezirksdienststelle zu Fuß, manchmal mit Bus oder Bahn. In den meisten Fällen passt das. Wenn sie allerdings Autofahrer:innen sehen, die nicht angeschnallt sind oder das Handy am Ohr haben, kann es schon mal schwieriger werden, die Verfolgung aufzunehmen.

Meldet der Computer nichts Aktuelles, macht sich Melanie Wienholz auch auf den Weg – für eine normale Streife. Sie trägt ihre schwarze Weste mit Funkgerät, Handschellen und Taschenlampe und ihre Dienstwaffe an der Hüfte. Wenn sie die Bender- und die Heyestraße entlangläuft, über den Markt geht oder in die kleinen Straßen schaut, ist sie eine der meist gegrüßten Menschen in Gerresheim.

Die Geräusche bei der Streife reichen von Vogelgezwitscher bis zu quietschenden Autoreifen und dem Satz „Darf ich Sie mal was fragen?“. In einigen Straßen ist Melanie Wienholz allein auf weitem Bürgersteig. Diese Routen seien aber ebenso wichtig wie der Gang über die großen Achsen, sagt sie. Sie schaut, was sich im Stadtteil verändert, wo man möglicherweise ungestört einbrechen oder auf welchen Schleichwegen Täter anschließend flüchten könnten.

Nach einiger Zeit fällt mir auf, wie sich die Augen von Melanie Wienholz bewegen. Sie guckt auf Kennzeichen, ob ein ungewöhnlicher Ort dabei ist und ob die TÜV-Plakette noch zum Kalender passt, sieht den Menschen ins Gesicht, die uns entgegenkommen, und zieht die Augenbrauen dichter, als ein Erwachsener mit dem Fahrrad auf dem Gehweg rollt. Der Mann lenkt sehr zügig auf die Straße.

Und immer wieder hört sie „Darf ich Sie mal was fragen?“. Ein Mann vom Schützenverein möchte noch etwas fürs Fest in der nächsten Woche absprechen, eine junge Frau erzählt, dass sie angepöbelt wird, weil sie als junger Mensch einen Rollator hat und die Leute glauben, sie habe den gestohlen. Eine Dame möchte Melanie Wienholz nur sagen, dass es schön ist, sie zu sehen. „Da fühlt man sich gleich sicherer.“

Es sind die kleineren Dinge, die die Menschen während der Streife ansprechen. Nichts, für das sie extra in die Dienststelle kämen, sondern etwas, dass sie kurz erzählen oder ansprechen möchten, weil sich gerade die Gelegenheit ergibt. Die größeren Dinge sind mittwochs zwischen 8 und 10 oder donnerstags zwischen 16 und 18 Uhr Thema. Dann hat die Dienststelle ihre Sprechstunden – und das bedeutet in aller Regel, dass diejenigen, die an der Sonnbornstraße 16 klingeln, etwas oder jemanden anzeigen. Da ist dann von Unfallflucht bis Betrug und Körperverletzung alles dabei.

Am Ende der Runde trifft Melanie Wienholz ihren Kollegen Carsten Rösler. Er ist mit einem halben Dutzend Kitakinder unterwegs, die heute ihren Fußgängerführerschein machen. „Am Bordstein da ist halt, damit es da nicht knallt“, ist einer der beiden wichtigsten Sätze, den die Kinder lernen. Der zweite lautet „Nicht rennen und nicht pennen“, wenn es um das richtige Tempo beim Weg über die Straße geht. Das klappt mit ein bisschen pädagogischer Ergänzung gut, alle Kinder kriegen ihren Führerschein.

Zurück in der Dienststelle hört die Polizeihauptkommissarin eine ungewöhnliche Geschichte, die trotzdem typisch für ihr Team ist. Eine Frau aus Bielefeld hat in der Wache angerufen. Ihre Mutter liegt im Krankenhaus in Gerresheim und ist bestohlen worden. Die Anruferin wollte nun die Bescheinigung über die Anzeige ans Krankenhaus faxen, das funktioniert aber aus irgendeinem Grund nicht. Also wird die Bescheinigung in der Dienststelle einfach ausgedruckt und eine Beamtin bringt sie persönlich ins Krankenhaus.

Bei meinen Besuchen in Gerresheim haben meine Gesprächspartner:innen immer wieder gesagt, das sei jetzt bestimmt langweilig für mich. Das war es nicht. Mein Eindruck: In Zeiten, in denen mehr Menschen Vertrauen in den Staat verlieren – vor allem in Politik und eine zu bürokratische Verwaltung – ist es umso wichtiger, dass dieser Staat im positiven Sinne sicht- und greifbar ist. Die Beamt:innen in Gerresheim sind genau das. Sie hören zu, helfen, suchen und finden Lösungen.

Melanie Wienholz fasst das unbewusst in dem Satz zusammen, den sie auf „Darf ich Sie mal was fragen?“ antwortet. Er lautet: „Dafür bin ich ja da.“

Weitere Bilder von der Streife

Polizeidienststelle Gerresheim
Eine Bürgerin kommt auf die Polizistin zu und macht auf ein verlassenes Haus aufmerksam.

Polizeidienststelle Gerresheim
Melanie Wienholz geht Ungereimtheiten nach, macht sich Notizen und Fotos.

Polizeidienststelle Gerresheim
Eine Fahrradfahrerin in der Fußgängerzone steigt sofort ab, als sie die Polizistin bemerkt.

Polizeidienststelle Gerresheim
Melanie Wienholz bleibt meist freundlich.

Polizeidienststelle Gerresheim
Die Wache in Gerresheim ist schlicht und funktional.

Weitere VierNull-Geschichten über Gerresheim

Der letzte Zeuge: Zwei Stolpersteine und ihre Geschichte

Nachbarschaftliche Graswurzelbewegung

Gerresheim kämpft für einen neuen Tunnel

Schlechte Nachricht fürs Glasmacherviertel in Düsseldorf


Lust auf weitere Geschichten?