Abschiebe-Vizemeister Düsseldorf
Den 26. November 2024 beschreibt Fatima Nebieridze als schweren Schock. „Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht. Meine Tränen schienen versiegt zu sein.“ Es ist der Tag, an dem die Georgierin Deutschland verlassen muss. Mit einem Flugzeug, das in Düsseldorf startet und in das sie freiwillig niemals eingestiegen wäre. Trotz schwerer gesundheitlicher Probleme und der dort fehlenden medizinischen Absicherung muss sie zurück in ihr Heimatland. Dort lebt sie bis heute. „Es ist furchtbar, wenn einem alle Hoffnung genommen wird und man im Rollstuhl nach Hause zurückkehrt“, schreibt sie.
Nebieridze ist eine von 2815. So viele Menschen wurden laut dem Jahresbericht der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe im vergangenen Jahr vom Düsseldorfer Flughafen aus abgeschoben – mehr waren es bundesweit nur aus Frankfurt. Laut dem Landesministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht unterlagen 2341 dieser Maßnahmen der Zuständigkeit Nordrhein-Westfalens. Die meisten von ihnen erfolgten nach Nordmazedonien, Albanien und Serbien. Im laufenden Jahr kam die Türkei als zweithäufigstes Zielland hinzu. Neben den alltäglichen Einzelabschiebungen hoben in Düsseldorf vergangenes Jahr 36-mal eigene Rückführungs-Charterflieger ab. Diese landeten beispielsweise auch in Nigeria, dem Irak oder wie an jenem Spätnovembertag in Georgien, in das außer Neberidze 47 weitere Menschen gleichzeitig rückgeführt wurden. Das Land gilt seit November 2023 als „sicherer Herkunftsstaat“ und lag 2024 bundesweit auf Platz eins der Abschiebungsziele.
Judith Fisch steht in der Abflughalle des Düsseldorfer Terminals. Es ist ein ruhiger Wochentag außerhalb der Ferien. Nur wenige Reisende sind zu sehen, der Flughafen wirkt beinahe wie ein Ort der Entspannung. Fisch zeigt auf die große Tafel, die alle Starts der kommenden Stunden anzeigt. Es sind vor allem inner-europäische Verbindungen, die von Düsseldorf aus für sogenannte Dublin-Überstellungen in das ursprünglich für den jeweiligen Asylsuchenden zuständige Land genutzt werden. „Es ist immer möglich, dass im eigenen Urlaubsflieger gerade eine Einzelabschiebung stattfindet“, sagt sie.
Fisch arbeitet als Abschiebebeobachterin. Es ist ein sehr seltener Job, den in Deutschland nur eine Hand voll Menschen ausübt. Entstanden ist er als Folge eines 1998 implementierten Runden Tisches. In den Jahren zuvor hatte es europaweit Todesfälle bei Abschiebungen gegeben. In dem von der Kirche initiierten Gremium wurde fortan über Misshandlungsfälle gesprochen und die Idee entwickelt, dass eine unabhängige Person den Prozess am Flughafen begleitet.
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