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Wie und woran Düsseldorf bei Rheinmetall mitverdient

Der Rüstungskonzern zahlt in der Landeshauptstadt Gewerbesteuern. Bei wachsenden Umsätzen wie jetzt unter anderem durch den Ukrainekrieg steigt dieser Betrag. Ich stelle die Aufträge und Abschlüsse vor, die Rheinmetall allein seit Januar veröffentlicht hat: rund 50 Stück.
Veröffentlicht am 6. Juli 2023
Rheinmetall
Der Eingang zum Rheinmetall-Sitz in Derendorf: Bis in die 1990er Jahre wurde dort noch produziert, heute arbeiten nur noch einige hundert Menschen in der Konzernverwaltung. Foto: Andreas Endermann

Vorab: Dieser Bericht ist ausdrücklich keine Wertung dessen, was Rheinmetall tut. Dass der Konzern seit Jahrzehnten zu einem erheblichen Teil mit dem Bau und dem Verkauf von Waffen, aber nicht nur, seinen Umsatz macht, ist bekannt. Im Unternehmen selbst heißt die Sparte ein bisschen euphemistisch „Defence“, also Verteidigung. Wie schwer sich manche in der Stadt damit tun, zeigte eine Diskussion aus dem vergangenen Jahr, als in Düsseldorf kritisiert wurde, dass Rheinmetall als Sponsor für den hiesigen Sport auftrat (meine Geschichte dazu finden Sie hier).

Ein anderer Aspekt: Aus einer ernstzunehmenden Quelle wurde mir zugetragen, dass es in der CDU Stimmen gibt, die das Risiko der Opernfinanzierung relativieren, weil sie auf wachsende Steuereinnahmen von Rheinmetall hinweisen. Gemeint ist: Der Krieg in der Ukraine dauert noch lange, Rheinmetall wird weiter verdienen und Steuern zahlen, also müssen wir uns weniger Sorgen um die Finanzen der kommenden Jahre machen. Eine – sagen wir: grenzwertige Denkweise. Man könnte sie boshaft auch so umschreiben: Düsseldorf kann sich eine große Oper leisten, weil in der Ukraine Krieg ist und indirekt eine Menge Geld in die Stadtkasse spült. Offen wird das keiner sagen. Zudem birgt es Risiken: Die Firma ist in Wahrheit ein weltweites Geflecht von vielen kleineren Unternehmen. Es ist also keineswegs so, dass jeder zusätzliche Euro oder Dollar, den Rheinmetall irgendwo verdient, in die hiesige Stadtkasse rollt. Finanzpolitiker schätzen, dass Düsseldorf eine Summe im niedrigen dreistelligen Millionenbereich kassiert.

Es geht hier darum, nur an den Fakten orientiert darzustellen, inwieweit Rheinmetall – und damit in Teilen auch Düsseldorf – vom Krieg in der Ukraine profitiert. In den vergangenen Monaten kamen riesige Aufträge zum Beispiel aus Ungarn, Australien, Österreich, Norwegen und anderen (Nato-)Staaten. Das bedeutet wachsender Umsatz und mehr Gewerbesteuer für die Stadt, in der das Unternehmen seinen Hauptsitz hat: Düsseldorf. Womit klar ist: Die Stadt, also wir alle, kommen – gewollt oder nicht – in den Genuss von Geld, das da verdient wird. In der Diskussion vom vorigen Jahr formulierte es ein Ratsmitglied mal so: „Von den Steuern, die Rheinmetall zahlt, bauen wir unter anderem Kitas und Schulen.“ 

Das Unternehmen, das in Derendorf mit rund 400 Mitarbeitern sitzt, hat beim Amtsgericht Düsseldorf den Eintrag mit der Nummer HRB 39401. Dort steht übrigens die folgende Definition dessen, was die Firma macht: „Die Forschung und Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und Service von industriellen Erzeugnissen aller Art, insbesondere des Maschinenbaus, der Verarbeitung von Metall und anderen Werkstoffen, der Industrieelektronik, Informationstechnik und verwandter Industrien, sowie die Entwicklung, die Planung, der Bau und Betrieb industrieller Anlagen aller Art. Gegenstand des Unternehmens ist ferner der Vertrieb insbesondere solcher Produkte, die von den in Satz 1 genannten Geschäftszweigen hergestellt werden.“ Von Waffen ist da keine Rede.

Produktionsstätten gibt es in Düsseldorf seit den 1990er Jahren nicht mehr. Mit rund 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 132 Standorten und Produktionsstätten weltweit erwirtschaftete Rheinmetall im Jahr 2022 einen Umsatz von rund 6,4 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat derzeit einen Börsenwert von rund zehn Milliarden Euro, mittelfristig rechnen Experten damit, dass er auf 17 Milliarden steigt. Die Aktie ist seit dem Ausbruch des Krieges um rund 130 Prozent gestiegen und steht derzeit bei 248 Euro. Im Februar 2022, kurz vor dem Überfall auf die Ukraine, wurde sie mit 90 Euro gehandelt, einen Monat später stand sie bei 220 Euro. Wer im Februar eingestiegen ist, hat binnen kürzester Zeit viel Geld verdient. Seitdem erlebt der Kurs Schwankungen, geht aber stetig weiter nach oben. 

Knapp 60 Prozent der Rheinmetall-Aktien sind im Streubesitz, der Rest verteilt sich auf mehrere Investoren, unter anderem ist der Finanz-Investor BlackRock dabei. Diese Firma ist im Bewusstsein vieler Deutscher erst angekommen, als bekannt wurde, dass von 2016 bis 2020 CDU-Chef Friedrich Merz Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist für BlackRock in Deutschland war. BlackRock ist der größte Vermögensverwalter der Welt und verwaltete Ende 2022 ein Vermögen in Höhe von rund 8,6 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Gemäß des Financial Stability Boards (FSB) belaufen sich die Vermögenswerte aller Finanzinstitutionen in Deutschland auf etwa 22 Billionen US-Dollar. Eine gute Erläuterung dazu finden sie hier.

Black Rock hält 5,08 Prozent der Rheinmetall-Aktien. Das scheint nicht viel, ist aber angesichts des genannten Börsenwerts eine Menge Geld. Am 13. März, also kurz nach der Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers einschließlich der Ankündigung, 100 Milliarden für Rüstung ausgeben zu wollen (das so genannte Sondervermögen), kaufte BlackRock nochmals Rheinmetall-Aktien im Wert von etwa 60 Millionen Euro. Daraufhin ging der Aktienwert nochmals nach oben.

Rheinmetall hat seit Dezember 2022 in 50 Mitteilungen über seine Geschäftsentwicklung informiert. Es gibt darunter Aufträge aus der zivilen Wirtschaft, aber die weitaus meisten beziehen sich auf Rüstungsgüter. Um besser zu verstehen, wie das Unternehmen seine Umsätze macht, stelle ich diese Mitteilungen hier in einer Liste in umgekehrter Chronologie vor:

4. Juli 2023: Rheinmetall verkündet, nahe Weeze am Niederrhein bald Bauteile des US-Kampfjets F 35 bauen zu wollen, in einer Kooperation unter anderem mit Lockheed. Damit ist in Düsseldorf klar, dass sich die Hoffnung nicht erfüllt, Rheinmetall könnte das freie Vallourec-Gelände in Rath kaufen und die Produktion dort einrichten. So hat die „Rheinische Post“ darüber berichtet. 

29. Juni: Eine Bestellung über 367 Militär-Lkw geht ein – für 285 Millionen Euro. 

27. Juni: Die niederländische Regierung bestellt 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard II. Das Auftragsvolumen liegt laut Unternehmen im niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich. (Anmerkung: Diese Formulierung zur Beschreibung der Kaufsumme taucht häufiger auf – nicht immer will man offenbar die präzise Summe nennen.

23. Juni: Die Ukraine ordert 20 Schützenpanzer vom Typ Marder. Preis: im zweistelligen Millionen-Bereich. 

22. Juni: Ein Auftrag aus dem zivilen Umfeld: Rheinmetall soll für einen Kunden eine große Zahl von Elementen für Brennstoffzellen liefern, Wert im dreistelligen Millionen-Bereich

21. Juni: Die Ukraine bestellt mobile Sanitätsstationen für knapp zehn Millionen Euro. 

13. Juni (ziviler Auftrag): Rheinmetall investiert einen Millionenbetrag in einen Solarpark in Südafrika am Standort der Tochterfirma, die dort vor allem Munition produziert. 

12. Juni: Ein Kunde ordert Kühlmittelpumpen für einen zweistelligen Millionenbetrag. 

7. Juni: Norwegen möchte 300 Militär-Trucks. Wert: ca. 150 Millionen Euro.

6. Juni: Das Unternehmen soll rund eine Million Lkw-Teile im Gesamtwert eines dreistelligen Millionenbetrages liefern. Der Auftrag ist in Teilen zivil, womöglich gibt es einen militärischen Hintergrund. 

26. Mai: Die Bundeswehr bestellt 57 Militär-Lkw im Gesamtwert von 50 Millionen. Diese Fahrzeuge sind vor allem geeignet, Leo II und die Panzer-Haubitze 2000 zu transportieren. 

24. Mai: Die Bundeswehr beauftragt Rheinmetall, mobile Sanitätsstationen zu „regenerieren“ – also wieder nutzbar zu machen. Auftragswert: knapp unter zehn Millionen Euro. 

16. Mai: Rheinmetall startet mit der Stadt Köln ein Pilotprojekt unter dem Stichwort „Ladebordsteine“. Dahinter steckt die Idee, Bordsteine zur Ladestation für E-Autos zu machen. Der Versuch startet in diesen Tagen.  

15. Mai: Die Bundeswehr bestellt 50 Schützenpanzer vom Typ Marder. Der Auftrag hat ein Gesamtvolumen von 1,1 Milliarden Euro und verteilt sich zu gleichen Teilen auf Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann (Bayern). 

13. Mai: Rheinmetall verkündet, mit dem ukrainischen Rüstungsunternehmen Ukroboronprom zu kooperieren und militärische Fahrzeuge zu bauen. Welchen finanziellen Umfang diese Zusammenarbeit mit dem Staatskonzern haben soll, wird nicht gesagt. 

12. Mai: Für einen europäischen Kunden soll Artillerie-Munition hergestellt werden. Wert: zweistelliger Millionenbereich. 

10. Mai: Mit dem österreichischen Bundesheer wird vereinbart, 1400 Fahrzeuge für militärische Logistik zu bauen. Gesamtwert: 525 Millionen Euro. 

5. Mai: Die australische Marine ordert Schiffsschutz-Systeme namens MASS. Das steht für Multi Ammunition Softkill System. Den Auftrag im Gesamtwert von 610 Millionen Euro wickelt Rheinmetall Defense Australia ab, gebaut wird die Technik vom australischen Lizenznehmer.

28. April: Ein „europäischer Kunde“ bestellt Panzer-Munition (nicht näher erläutert) für 200 Millionen Euro. 

26. April: Ein ziviler Kunde will eine größere Anzahl von Wasserstoff-Zirkulationsgebläsen 

25. April: Eine Kunde aus einem „EU-Land“ bestellt Munition für Schützenpanzer im Wert von 200 Millionen Euro. 

21. April: Rheinmetall berichtet über die Kooperation mit dem US-Rüstungsunternehmen Lockheed. Es geht um Raketen-Artillerie-Systeme. 

19. April: Die Bundeswehr beauftragt Rheinmetall, 143 Schützenpanzer vom Typ Puma – die gerade wegen erheblicher Mängel aufgefallen sind – nachzurüsten. Wert des Auftrags: 770 Millionen Euro. 

17. April: Ein chinesischer Hersteller von E-Autos will verschiedene Teile für seine Fahrzeuge. Der Auftrag liegt im zweistelligen Millionen-Bereich. 

14. April: Rheinmetall soll Kanonen für den Leo II liefern, für 54 Stück. Gesamtwert: 129 Millionen Euro. Es gibt eine Option, 18 weitere Panzer auszurüsten, was weitere 44 Millionen brächte. 

12. April: Ein ziviler Kunde braucht Zylinderköpfe für Motoren. Rheinmetall kann liefern – und erwartet dafür ein Honorar im zweistelligen Millionen-Bereich.

4. April: Verschiedene Teile für Techniken für Fahrzeuge der E-Mobilität sind gefragt. Zum Auftrag gibt es keine näheren Angaben. 

3. April: Mit Australien wird vereinbart, 100 Gefechtsfahrzeuge vom Typ Boxer für die deutsche Bundeswehr zu bauen. Die Produktion wird in der Provinz Queensland sein. 

20. März: Rheinmetall-Aktie steigt in den DAX auf. In den folgenden Wochen kommen mehrere Aufträge aus dem zivilen Sektor, die ich hier nicht näher erläutere. 

28. Februar: Rheinmetall wird mobile Aufklärungssysteme an die Ukraine liefern. Der Wert liegt im zweistelligen Millionen-Bereich. Außerdem wird mit der Rheinmetall-Tochter Zeppelin Mobilesystem GmbH die Lieferung von schlüsselfertigen Feldhospitälern an die Ukraine vereinbart. 

15. Februar: Die Ukraine bekommt 300.000 Patronen für den Luftabwehrpanzer Gepard. Der Wert befindet sich nach Konzernangaben im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Anlässlich dieses Auftrags fährt die Firma die Munitionsproduktion in Erwartung weiterer Aufträge im Zweigwerk im niedersächsischen Unterlüß hoch. Das Erprobungszentrum Unterlüß ist mit seinem 50 Quadratkilometer großen Erprobungsgelände das größte private Test- und Versuchsgebiet in Europa. Erprobungsgelände heißt: Testgelände für Panzer, Schützenpanzer, Kanonen etc. 

14. Februar: Rheinmetall gibt bekannt, dass man sich am Programm INDY beteiligt. Das steht für Energy Independent and Efficient Deployable Military Camps und bringt zehn Millionen Euro. 

8. Februar: Mit einem US-Partner werden die Entwicklung und der Bau von Drohnen vereinbart.

7. Februar: Ein ziviler Kunde bestellt verschiedene Autoteile.

2. Februar: Rheinmetall Südafrika, eine Munitions-Fabrik, bekommt einen Auftrag für Artillerie-Munition im Wert von 40 Millionen Euro. Außerdem bestellt ein Nato-Mitglied Geschosse für die 155-Kanone für 17 Millionen Euro. 

1. Februar: Es geht eine Bestellung für Flugabwehrsysteme im zweistelligen Millionen-Bereich ein.

30. Januar: Das Unternehmen gibt bekannt, dass man mit dem US-Konzern General Motors und dessen Tochter GM-Defense ein langfristiges Projekt über dem Bau von 40.000 Militär-Lkw vereinbart. Das über mehrere Jahre angelegte Projekt heißt Common Tactical Truck Program und umfasst Lastwagen, die den neuesten Anforderungen der Kriegsführung entsprechen – inklusive entsprechender IT- und KI-Ausstattung. Gesamtvolumen: 14 Milliarden US-Dollar. 

30. Januar: Finnland bestellt Lenkflugkörper vom Typ Spike, eine Panzerabwehrwaffe. Der Umfang des Auftrags liegt im zweistelligen Millionen-Bereich. Das System ist in einer ähnlichen Konfiguration auch bei der Bundeswehr im Einsatz. Gebaut wird es in einem Joint Venture mit einem israelischen Unternehmen.

27. Januar: Ein ziviles Unternehmen bestellt Teile für den Automobilbau.

26. Januar: Die Bundeswehr bestellt für 476 Leute Equipment unter dem Stichwort „Infanterist der Zukunft“. Die Ausrüstung ist vor allem darauf ausgelegt, zwischen der einzelnen Person im Gefecht und dem Schützenpanzer Puma eine Echtzeitverbindung für den Austausch sämtlicher relevanter Daten zu sichern. Die Ausrüstung hat einen Wert im zweistelligen Millionenbereich. 

23. Januar: Ein ziviler Auftrag für Bauteile im Bereich Abgas-Säuberung. 

18. Januar: Die US-Army bestellt visuelle Technik für ihre Kämpfer, vor allem Optiken. Darunter sind Tageskameras und Nachtsichtgeräte. 

17. Januar: Rheinmetall teilt mit, in Ungarn ein Werk zu bauen, das Sprengstoff für verschiedene Munitionstypen herstellt, unter anderem für die Kanone des Leo II und die Panzerhaubitze 2000. Hauptabnehmer der Produktion, so die Vereinbarung, wird später Rheinmetall selbst sein. 

16. Januar: Das Unternehmen verkündet die Partnerschaft im IT-Bereich mit einer niederländischen Firma. 

12. Januar: In Ungarn sollen 46 Schützenpanzer vom Typ Lynx gebaut werden, außerdem neun Bergepanzer Büffel. Der Auftrag wird am Ende zwei Milliarden Euro umfassen.

11. Januar: Zwei Nato-Länder bestellen 40-Millimeter-Munition. Preis: ca. 30 Millionen Euro. 

10. Januar: Rheinmetall bekommt den Auftrag, 35-Millimeter-Flugabwehrsysteme zu modernisieren, um diese im Kampf gegen Drohnen zu ertüchtigen. Rheinmetall Italia übernimmt den Job im Wert eines niedrigen dreistelligen Millionen-Betrags. 

5. Januar: Rheinmetall übernimmt 40 Prozent des deutschen IT-Unternehmens Blackned. Das Unternehmen ist spezialisiert auf „missionskritische Kommunikation“ unter robusten Bedingungen – also Militär-Technik. 

3. Januar: Norwegens Luftwaffe will ein Luftverteidigungssystem. Preis: im zweistelligen Millionenbereich. 

Dass diese Liste vollständig ist, halte ich für unwahrscheinlich, weil Rheinmetall vermutlich nur das publiziert, was veröffentlicht werden muss oder kann.  

Weiterführender Link
Die Kollegen der „Zeit“ haben hier über eine umstrittene Tochterfirma von Rheinmetall und die Tatsache berichtet, dass einige Fonds das Unternehmen wegen dieser Tochter nicht berücksichtigen.


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