Schulden beim Finanzamt: Auch Champagner kann gepfändet werden

Es geht um Steuern im Großraum Düsseldorf. Und wie sie eingetrieben werden, wenn jemand nicht zahlt. Das läuft bisweilen anders, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Ein Informant – ich nenne ihn Mr. X – hat mir Details erzählt. Eins vorab: Achten Sie auf korrekte Angaben auf Bewirtungsbelegen.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 4. November 2025
Steuerfahndung, Finanzamt Kruppstrasse

Foto: Andreas Endermann
Immer eine klare Orientierung für die Steuerfahnder. Das Schild gab es tatsächlich am Finanzamt Düsseldorf-Süd.

Die von mir Mr. X genannte Person kenne ich seit langem. Ihre Arbeit bei den Finanzbehörden im Großraum Düsseldorf hat mich stets fasziniert. Wir sprechen regelmäßig darüber. Oft bin ich erschüttert, verblüfft, amüsiert oder kann nicht glauben, was ich höre. Eins ist wichtig: Mr. X hat noch nie das Steuergeheimnis gebrochen, also keine Namen genannt. Manches von dem, was ich hier nun aufliste, liegt eine Weile zurück, ist aber immer noch so oder ähnlich aktuell. Sagt Mr. X.

Anlass für unser jüngstes Gespräch war eine Nachricht, die kürzlich durch die Medien ging. Danach erwartet der Fiskus (Bund, Länder und Gemeinden) fürs laufende Jahr eine rekordverdächtige Steuereinnahme von fast einer Billion Euro, genauer: 990,7 Milliarden. Wow, dachte ich – läuft! Die Wirtschaft boomt mehr, als wir ahnen, da können Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und seine Kollegen auf Landesebene sowie die Kämmerinnen und Kämmerer in den Kommunen zufrieden sein.

Mr. X, angesprochen auf diese gewaltige Summe, goss leider ein paar Liter Essig in den Wein. Sein Kommentar: „Das ist die offizielle Zahl, die den Medien genannt wird. Bitte schauen Sie genauer hin – geredet wird von angesetzten Steuern, also eigentlich fälligen Summen. Das heißt noch lange nicht, dass die tatsächlich auch fließen.“ Nach seiner Erfahrung auf allen Ebenen werden ungefähr 25 bis 30 Prozent davon nie gezahlt. Im konkreten Fall wären das also 250 bis 300 Milliarden Euro. Ernüchternd. Die Gründe: Trickserei, Verschleppung, Niederschlagung der Forderung und ähnliches.

Visitenkarten
Als ich vor geraumer Zeit eine Visitenkarte von Mr. X bekam, fiel mir auf, dass darauf nur der Familienname stand, aber kein Vorname. Das sei Absicht, sagt er – immer nur Herr oder Frau X oder Y. Warum? Man wolle die Beamten schützen, ihre wahre Identität nicht offenlegen. Beeindruckt von so viel kompetenter Fürsorge erinnerte ich mich daran, auf Visitenkarten anderer Finanzbeamter mal persönliche Mail-Adressen gesehen zu haben, in denen (beispielhaft) Elke, Sven, Peter oder Maria stand. Mr. X grinste und bestätigte das. Es war ein Versehen, inzwischen behoben, es gebe nur noch allgemeine Mail-Adressen, aber keine Vornamen mehr. Zudem werde akribisch nachgehalten, wie viele Karten jeder habe. Verlust, Beschädigung oder Tippfehler gelten nicht als Grund, neue zu bekommen.

Kugelschreiber
Mr. X berichtet, dass er schon seit einiger Zeit eigene nutze, also sozusagen privates Schreibgerät mit in den Job bringt. Warum? Weil es nervig gewesen sei, für einen leeren Stift bei der Materialausgabe einen neuen zu bekommen. Man habe die nicht mehr schreibfähige Mine – nicht den kompletten Kuli – vorlegen müssen und dafür eine Mine als Ersatz bekommen. Eine, warum nicht gleich zwei oder drei? Mr. X zuckte die Achseln: „Vorschrift.“

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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