Bauernmärkte: Streng zu sich, gut für uns

Für diese Geschichte musste ich unbedingt mit Andreas Straetmans sprechen. Doch der ist Landwirt und seine Ehefrau Anne erklärte mir am Telefon: „Das ist in dieser Woche ganz schlecht, er sitzt auf dem Trecker, die Ernte läuft.“ Andreas Straetmans ist Vorsitzender des Vereins „Rheinische Bauernmärkte“, dem Landwirte und Gärtner aus dem Rheinland angehören. Eine Woche nach meiner Anfrage ist er mit der Grasernte für die rund 70 Milchkühe auf Straetmans’ Hof in Kerken fertig und ruft zurück. „Ja es sind hektische Zeiten“, sagt er. Auf dem Bauernhof, in der Bauernkäserei, der Backstube und ebenso im Hofladen, dessen Öffnungszeiten in den vergangenen Jahren aufgrund der wachsenden Nachfrage immer wieder erweitert wurden.
1999 ging der Verein bei der Direktvermarktung erstmals neue Wege und kam in die Großstädte. Der erste Rheinische Bauernmarkt eröffnete damals mitten in der Krefelder City. Die Stadt Düsseldorf war da eine Nachzüglerin. Zwar gab es bereits 2001 im Rahmen der Lokalen Agenda den Wunsch aus der Bürgerschaft, einen regionalen Stadtteilmarkt zu etablieren. Doch es sollte noch dauern, bis das in der Theorie gedachte Agenda-Projekt „Regionale Vermarktung – Handel der kurzen Wege“, befördert vom Umweltamt, dem Umwelt-Zentrum Düsseldorf und der Anwohnerinitiative Friedensplätzchen, in die Praxis umgesetzt wurde.
Im Mai 2004 fand schließlich der erste Markttag auf dem zuvor umgebauten Friedensplätzchen in Unterbilk statt. Mit einem Konzept, das bis heute aktuell ist: Die Produkte dürfen nur im Umkreis von rund 80 Kilometern angebaut oder hergestellt werden. Von der Wurst bis zum Käse, vom Forellenlachs bis zum Fruchtsaft. Das heißt konkret aber auch, dass es nur saisonale Gemüse und Früchte gibt, Zitronen und Bananen jedoch nicht zum Sortiment gehören. Andreas Straetmans sagt, dass das genau beobachtet werde. „Als ein Obststand Aprikosen angeboten hat, fragte man uns, wie das denn möglich sei.“ Die Skepsis konnte ausgeräumt werden. In der Tat reifen seit knapp 20 Jahren im Juni und Juli auf dem St. Töniser Obsthof der Familie Steves die Aprikosen. Das ist am Niederrhein sehr selten.
Nach einem Probejahr auf dem Friedensplätzchen verkündete der Verein „Rheinischer Bauernmarkt“, dass er dort in die „unbefristete Verlängerung“ gehe. Da wurde man in anderen Stadtbezirken aufmerksam auf den Markt, der positive Aspekte vereint – ökologische, ökonomische und soziale. So beim CO2-Ausstoß durch kurze Transportwege, als Ort für die Vermarktung der Landwirtschaft in der Region, als Arbeitgeber (viele Verkäufer*innen aus Düsseldorf werden für die Märkte in der Landeshauptstadt eingestellt) oder einfach als nachbarschaftlicher Treffpunkt.
Die Düsseldorfer Erfolgsgeschichte des Rheinischen Bauernmarktes ging im Juni 2006 am Kolpingplatz (früher Klever Platz) in Pempelfort weiter. Die innerstädtische Bezirksvertretung hatte sich stark für diesen Standort eingesetzt. Stände und Wagen stehen dort entlang der Mauer- und Pfalzstraße, den Kolpingplatz mit seinen Bäumen als Schattenspender „im Rücken“. Mittwochs und samstags ist Markttag, besonders an letzterem füllt es sich am späteren Vormittag schon mal beachtlich. „Die Düsseldorfer sind Langschläfer“, sagt Landwirt Straetmans dazu.
Was in Unterbilk und in Pempelfort gut funktionierte, floppte allerdings mitten in der Innenstadt. 2008 eröffnete der Rheinische Bauernmarkt seinen dritten Markt auf dem Gustaf-Gründgens-Platz. Um für sich zu werben, verschenkten die Händler*innen sogar Äpfel auf der Schadowstraße. Doch auch dies konnte die dort hohe Kundenfrequenz nicht zum Schauspielhaus umleiten. Straetmans erinnert sich an „eine gespentische Leere“ auf dem fürchterlich zugigen Areal. Diese Erfahrung hatten übrigens 1998 bereits die Carlsplatz-Händler gemacht. Sie hatten während des Umbaus ihres angestammten Platzes den Grüngens-Platz als Ausweichquartier bezogen.
Der Rheinische Bauernmarkt brach das Experiment Gründgens-Platz nach weniger als einem Jahr ab. Profitiert haben die Oberbilker: Seit 2010 sind Blumen, Gemüse, Früchte, Kräuter, Brot, Käse und Fleisch aus der Region donnerstags auf dem Lessingplatz zu kaufen. Rund um den Brunnen entwickelte sich ein hübscher Markt, der mit seinem Flair das Viertel belebt.
Die drei Märkte zogen auch viele Menschen aus den linksrheinischen Stadtteilen an. Da der Rheinische Bauernmarkt noch Kapazitäten hatte, eröffnete er auf dem Hanns-Heuer-Platz in Heerdt im Juni vor fünf Jahren seinen vierten Düsseldorfer Standort. Kleiner als die anderen. Aber die Heerdter freuen sich freitags über die frischen saisonalen Angebote. Dass sich die Zahl der Stände hier inzwischen verringert habe, lag nicht an mangelnder Kundschaft, erklärt Andreas Straetmans, der mit seiner Bauernkäserei in allen Stadtteilen präsent ist. Einige Beschicker hätten aus Altersgründen aufhören müssen.
Dass Produkte aus der Region kommen, ist laut einer Umfrage im Auftrag des Bundesernährungsministeriums zu Jahresbeginn 82 Prozent der Befragten wichtig. Die Nachfrage ist stets gewachsen. Viele Supermärkte und Discounter werben in ihren Prospekten explizit mit Produkten regionaler Herkunft. Doch darunter fällt auch, ungeachtet der Lieferwege, der Kaffee „aus der Nachbarschaft“, der allerdings nur in Düsseldorf geröstet wird.
Andreas Straetmans hatte ebenfalls Anfragen großer Supermärkte, sie mit seinen Produkten zu beliefern. Doch er und viele Mitglieder des Rheinischen Bauernmarktes haben ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. So sagte der Verein auch das Angebot ab, den Heumarkt in Köln zu beschicken. Man konzentriert sich auf die vier Plätze in der Landeshauptstadt. Ein Glück für alle, die den entschleunigenden Marktbummel zu schätzen wissen, ebenso die hilfreichen Tipps zur Zubereitung der Gemüsesorten. Bald werden einige der Betriebe vom Niederrhein wieder Besichtigungen auf ihren Höfen anbieten. „Diese Öffentlichkeitsarbeit ist uns sehr wichtig, vor allem für Städter“, sagt Straetmans.
Quellen und weiterführende Links:
Die Seite der Rheinischen Bauernmärkte
Der Ernährungsreport 2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
Tipps zum saisonalen und regionalen Einkaufen in Düsseldorf
Tipps von der Landwirtschaftskammer NRW