Düsseldorf kriegt was auf den Deckel: Platz

Die beiden Planungen haben einige Gemeinsamkeiten:
- Sie optimieren bereits genutzten Raum, erweitern ihn und schaffen sozusagen Platz auf einer neuen Ebene.
- Sie orientieren sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht der autogerechten Stadt. Der Verkehr wird zwar nicht verdrängt. Aber er wird zweitrangig und verschwindet sogar aus dem Blickfeld.
- Sie werden von Oberbürgermeister Stephan Keller gefördert.
Und so unterschieden sich die Ideen im Detail:
Universität
Über dem Zubringer Münchener Straße in Höhe Universität (das Areal gehört zum Stadtteil Bilk) setzt die Firma Pi-Konzept gemeinsam mit Partnern ein bis dato in Düsseldorf neues Projekt zur Schaffung von Wohnraum um. Die Schnellstraße bekommt einen auf Stützen stehenden Deckel, auf dem Wohnungen entstehen. Die Fahrbahnen darunter werden nicht eingetunnelt, sie verlaufen künftig in einer Konstruktion aus mittig stehenden Y-förmigen Säulen, die die Platte oben halten. Der Komplex wird 30 Meter breit und 300 Meter lang sein. Es entsteht eine Fläche von etwa 9000 Quadratmetern in etwa acht Metern Höhe. Die Techniker gehen davon aus, dass sie am Ende über jedem Meter Straße rund 100 Quadratmeter nutzbaren Raum schaffen. Wir haben bei VierNull hier darüber berichtet.
Der Planungsausschuss wird sich im November mit dem Projekt beschäftigen. Es wird eine Zustimmung erwartet, so dass danach ein Bebauungsplan erarbeitet werden kann. Bereits nächstes Jahr könnte der Bau des Tragwerks beginnen, also der Stelzen. Da sie extern gefertigt und vor Ort nur noch installiert werden, kalkuliert Pi-Chef Frank Schmid für diese Arbeiten eine Zeit von lediglich rund sechs Monaten. Danach entsteht in acht Metern Höhe die Grundfläche. Sie zu bebauen könnte ebenfalls zügig gehen, da man mit einer Fachfirma in einer außerhalb gelegenen Fertigungshalle Module erstellen wird, die oben zu Wohn- oder Büroeinheiten zusammengesetzt werden. Günstigstenfalls könnte man noch in 2026 den Bau abschließen.
Die Idee hat inzwischen auch in Duisburg Interesse geweckt: Dort denkt man darüber nach, eine Zufahrtsstraße zur A-59-Brücke über die Ruhr mit einem ähnlichen Bauwerk zu nutzen.
Heerdt
Der linksrheinische Stadtteil hat im Vergleich mit seinen Nachbarn Oberkassel, Niederkassel und Lörick einen Nachteil. Eine der am stärksten frequentieren Pendlerstrecken der Stadt läuft mitten hindurch: die Brüsseler Straße/B7, die in die A 52 übergeht.
In Teilen verläuft diese vierspurige Verbindung in Heerdt als Hochstraße und steht – dem einstigen Tausendfüßler in der Innenstadt ähnlich – auf wuchtigen Säulen. Quer darunter verlaufen die Krefelder-, Benediktus- und Schiessstraße. Typisch für die Räume unter solchen Überführungen ist die abweisende, düstere, schmuddelige Atmosphäre. Ein großer Teil der Fläche wird als Parkplatz genutzt.
Nach den Vorstellungen der Stadt würde diese gesamte Brückenkonstruktion verschwinden. Sie müsste ohnehin saniert werden. Deshalb entstand gemeinsam mit den Anwohnern und vor allem dem Bürgerverein Heerdt die Idee, sie komplett unter der Erde verschwinden zu lassen, ähnlich dem Tunnel unter dem Kö-Bogen in der Innenstadt.

Die Röhre würde zwischen der Anschlussstelle Heerdter Lohweg und der Abfahrt Heerdt/Büderich liegen, die Fahrbahn dort für einige hundert Meter abtauchen und damit eine riesige offene Fläche schaffen. Die Trennung des Ortsteils durch die B7 würde beseitigt. Es ergäben sich neue Gestaltungsmöglichkeiten. Beispielsweise wäre es denkbar, einen echten freien udn zentralen Platz zu schaffen, den Heerdt bisher nicht hat. Der Bauentwickler Andreas Bahners, selbst Heerdter und an der Diskussion beteiligt, beschreibt es so: „Wir betreiben hier Stadtteil-Reparatur.“
Allerdings vergehen im günstigsten Fall noch mindestens 16 Jahre, bis der erste Wagen in den Tunnel fährt. Kommendes Jahr ist ein entsprechender Ratsbeschluss geplant. Für die dann folgende konkrete Planung rechnen Fachleute mit rund acht Jahren, für den Bau nochmals die gleiche Zeit – wir sprechen also über das Fertigstellungsjahr 2040. Die Kosten sind soweit in die Zukunft schwer zu kalkulieren, aber ein dreistelliger Millionenbetrag wird es auf jeden Fall.
Fazit
Beide Vorhaben zeigen, wie eine Stadt einerseits die Lebensqualität der Menschen voranbringen kann (wie in Heerdt) und gleichzeitig (wie an der Universität) bisher nicht genutzte Flächen für zusätzlichen Wohnraum erhält. Kein Wunder, dass Stephan Keller beides befürwortet und gern – wie zuletzt auf der Immobilienmesse Expo Real in München – als beispielhaft präsentiert.