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Über Straßen in Düsseldorf ist Platz für Wohnungen

Frank Schmid hat Gebäude entwickelt, die in mehreren Metern Höhe Fahrbahnen überbrücken. Nun will er diese Idee umsetzen, als erstes an der Münchener Straße. Partner sind die Stadt und Rheinmetall. Hilfe holte er sich auch bei der Meyer-Werft in Papenburg.

Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 18. Dezember 2023
Frank Schmid
Der Entwickler Frank Schmid vor einer Animation seiner Idee des Überbaus Münchener Straße.

Die Idee scheint bestechend einfach: In einer Großstadt wie Düsseldorf mit knapper Fläche könnten schnell viele tausende Quadratmeter Wohnraum entstehen. Und zwar im Luftraum über den Straßen, über der Fahrbahn. Der Begriff Luftschloss müsste dann neu definiert werden.

Die erste Frage, die einem da einfällt: Wem gehört dieser Luftraum eigentlich? Die Antwort ist verblüffend: Keinem. Es gibt kein Eigentums- oder Bodenrecht mehrere Meter über dem Boden. Was aber nicht heißt, dass jeder jetzt zehn Meter über der Wiese seines Nachbarn ein Haus bauen könnte – denn man braucht darunter ja die Fläche zum Abstützen. In NRW gibt es ein Beispiel für eine solche Konstruktion: den Rasthof Dammer Berge über der A1. Auch dieses Objekt liegt oben quer zur Straße, der Verkehr läuft darunter.

Fachmann auf diesem Gebiet ist Frank Schmid (63). Er stammt aus der Nähe des Bodensees, ist seit Ende der 1980er Jahre in Düsseldorf und von Hause aus Banker. Das Arbeiten mit Geld hat er gelernt. Bei der Deutschen Bank in New York machte er erste Erfahrungen in der Entwicklung und Finanzierung komplexer Bauprojekte. Dann wechselte er mit diesen Erfahrungen zum Konzern Shell und plante Ölbohr-Plattformen, aber auch Raststätten und Autohöfe an Schnellstraßen. Schließlich erkannte er die Chance für eine eigene Firma und machte sich selbständig.

Lage
Gebaut werden soll das Projekt in Höhe der Universität, wo die Münchener Straße aus Richtung Fleher Knoten kommend vierspurig Richtung Himmelgeist, Itter und Benrath verläuft. Die Nähe zur Hochschule ist bewusst gewählt, weil es dort einen hohen Bedarf an Wohnungen unterschiedlicher Größe für Mitarbeiter und Studenten gibt.

Der Überbau der Münchener Straße würde allerdings nicht von rechts nach links über die Fahrbahn gehen, sondern ihrem Verlauf folgen. Wie ein Haus, das eben nicht auf dem Boden steht, sondern auf Stelzen. Der Verkehr läuft darunter über mehrere hundert Meter.

Der Komplex wird 30 Meter breit und 300 Meter lang sein. Es entsteht eine Fläche von etwa 9000 Quadratmetern in etwa acht Metern Höhe. Die Techniker gehen davon aus, dass sie am Ende über jedem Meter Straße rund 100 Quadratmeter nutzbaren Raum schaffen.

Stützkonstruktion
Der gesamte Komplex ruht auf Y-förmigen Stützen, die im Mittelstreifen der vierspurigen Straße alle zehn Meter im Boden verankert werden. Sie tragen sozusagen die Bodenplatte, auf der alles andere aufgebaut wird. Der Grund, auf dem die Pfeiler stehen, wird von der Stadt im Rahmen eines Erbbaurechts zur Verfügung gestellt. Das Rathaus ist jedenfalls mit an Bord. Oberbürgermeister Stephan Keller unterstützt die Idee, auch weil er versprochen hat, Wohnungen zu bauen und für Vorschläge dazu dankbar ist.

Kein Tunnel
Die gesamte untere Konstruktion ist offen zu den Seiten. Es entsteht also kein Tunnel, eher eine Unterführung. Ein ähnliches Konstrukt kennen Autofahrer von der A46 in Wuppertal. Dort verläuft die Schnellstraße durch eine seitliche offene Unterführung.

Bauweise
Alles, was auf der Platte bis zu vier Stockwerke nach oben gebaut wird, soll aus vorgefertigten Modulen bestehen. Schon während man die Unterkonstruktion erstellt, will man mit dem Bau der einzelnen Teile für die Wohnungen, Büros oder gastronomischen Betriebe beginnen. Schmid verhandelt dazu mit der Firma Kuka in Augsburg. Die ist Weltmarktführer für Industrieroboter und hat signalisiert, die Aufgabe stemmen zu können. Produziert würde in einer Halle nicht weit von der Baustelle.

Raumplanung
Wer in das Gebäude einziehen will, entscheidet sich für eine Quadratmeterzahl und plant dann mit Hilfe der gerade erwähnten Module seine Wohnung selbst. Das heißt: Es ist theoretisch denkbar, dass jede Wohnung eine andere Aufteilung hat. Fläche, die nicht dauernd benötigt wird, steht allgemein und extern zur Verfügung. Gästezimmer, Büro, Lager – jeder Quadratmeter soll optimal genutzt, möglichst wenig unnütz blockiert werden. Bezahlt wird nach Nutzung.

Mobilität
Wer dort wohnt, kann ein Auto haben und es unterstellen, aber er braucht kein eigenes. Passend zum ungewöhnlichen Wohnort will man eine Mobilität der neuen Art anbieten. Dabei hilft Rheinmetall. Das Unternehmen, vor allem bekannt als Waffenhersteller, hält eine Reihe anderer Sparten und arbeitet an einem Konzept für ferngesteuertes Fahren. Den Bewohnern will man anbieten, daran teilzuhaben und sich bei Bedarf ein Fahrzeug kommen zu lassen. Car on demand, sozusagen.

Lärm
Die Münchener Straße ist eine der wichtigsten Pendlerstrecken nach Düsseldorf und aus der Stadt hinaus. Daran wird sich auf Sicht auch nichts ändern. Das heißt: Unterhalb des Gebäudes wird reichlich Verkehr fließen. Der macht Lärm – durch Motoren und Abrollgeräusche der Reifen. Um das zu minimieren, hat sich Schmid Rat bei der Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg geholt. Das Unternehmen liegt an der Ems und ist Spezialist für den Bau von Kreuzfahrtschiffen.

Vom Format ähneln diese Schiffe dem geplanten Gebäude oberhalb der Münchener Straße. Schmids Annahme, dort könnte man ihm bei der Reduzierung von Krach helfen, war berechtigt: Die Werft weiß, wie man durch entsprechende Linienführung der Schiffe Schallwellen bricht oder ablenkt. Dieses Wissen wird man sich im Unterbau an der Münchener Straße zunutze machen und den Lärm auf ein Minimum drücken und durch schallschluckende Poller sogar teilweise einfangen.

Feinstaub
Für den Dreck durch Abrieb der Reifen und Verbrennung fossiler Brennstoffe tüftelt man an Systemen, die den Staub einfangen, speichern und ihn bei Regen zurück spülen ins Erdreich.

Kosten
Nach derzeit gültigen Zahlen rechnet man mit Baukosten von 130 bis 150 Millionen Euro. Die Quadratmeterpreise würden bei dieser Kalkulation bei 4500 bis 5000 Euro liegen.

Weitere Standorte
In Frage kommen mehrspurige Straßen ohne dichte Randbebauung, zum Beispiel die Völklinger Straße zwischen Unterbilk und dem Südring.

Zeitplan
Frank Schmid ist Optimist. Bei optimaler Umsetzung könnte das Gebäude Ende 2026, Anfang 2027 bezugsfertig sein. Aber zunächst wird es Anfang 2024 eine Bürgerbeteiligung geben.

Übrigens:
Schmids Firma heißt Pi-Konzept. Die Ähnlichkeit zur Zahl Pi ist kein Zufall. Diese unendliche Zifferfolge – Pi – gibt das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser an. Schmid schien das die richtige Firmierung, denn was er plant ist nach seiner Definition, ein bisschen augenzwinkernd, die Quadratur des Kreises.

Ein Gebäude, das dem an der Münchener Straße ähnlich, ist eines in Berlin, das 1980 eröffnet wurde. Die Berliner nennen es „Schlange“, weil es an der Schlangenbader Straße liegt. Ein wichtiger Unterschied ist allerdings, dass der Verkehr dort in einem Tunnel verschwindet. Der muss jetzt aufwändig saniert und daher vermutlich über ein paar Jahre geschlossen werden. Mehr dazu können Sie auf der Seite der „Entwicklungsstadt Berlin“ und beim Berliner Mieterverein lesen.

Überbauung Münchener Strasse
So würde der Verkehr auf der Münchener Straße unter dem Gebäude verschwinden. Foto: Pi Konzept GmbH / STRUCTURELAB Architekten

Überbauung Münchener Strasse
Diese Animation zeigt die geplante Rampe von Seiten der Uni in das Gebäude. Foto: Pi Konzept GmbH / STRUCTURELAB Architekten

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