Mit dem Fahrrad zur Arbeit – das ist auch gut für die Unternehmen

Die Hürden, denen Fahrradfahrer:innen auf dem täglichen Weg zur Arbeit in Düsseldorf begegnen, hat Christian Herrendorf hier bereits im Februar gezeigt. Zusammen mit zwei VierNull-Leser:innen und dem städtischen Beigeordneten für Mobilität, Jochen Kral, ist er morgens eine alltägliche Strecke in der Stadt gefahren. Das Fazit: Entspanntes Fahren ist eher Ausnahme statt Regel. Die Leser:innen haben sich aber auch von den Unternehmen mehr Unterstützung gewünscht, wenn sie sich dafür entscheiden, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen. Laut ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) profitieren Arbeitgeber:innen sogar davon, wenn mehr Angestellte mit dem Fahrrad kommen, da diese im Schnitt fitter sind und ein Drittel weniger Krankheitstage im Jahr haben. Deshalb hat der ADFC in Kooperation mit der EU das Zertifikat „fahrradfreundliche Arbeitgeber“ entwickelt, das auch einige Unternehmen in Düsseldorf tragen.
Was bedeutet das Zertifikat in der Praxis?
Zuletzt hat der Videospieleentwickler Ubisoft das Zertifikat für seinen Düsseldorfer Standort erhalten. 2016 war Ubisoft bereits als erstes Unternehmen in Düsseldorf damit ausgezeichnet worden, ist 2019 aber umgezogen und hat es nun auch am neuen Standort erhalten. Davor hatten die Angestellten bereits die Möglichkeit, Fahrräder günstig zu mieten und zu leasen und einen monatlichen Mobilitätsbonus zu erhalten. Am neuen Standort gibt es jetzt zusätzlich eine Fahrradgarage und eine Werkbank für Reparaturen vor Ort. Für alle, die mit E-Bikes kommen, soll es außerdem bald Ladestationen geben.
Was können oder müssen Unternehmen für das Zertifikat tun?
Die Liste an Maßnahmen, die ein Unternehmen für das Zertifikat umsetzen kann, geht noch weiter. Online kann man sich den gesamten Katalog herunterladen. Er umfasst zum Beispiel Motivationskampagnen, bei denen Mitarbeiter:innen Fahrradkilometer sammeln und am Ende Preise gewinnen können. Unsicheren Fahrradfahrer:innen kann bei der individuellen Routenplanung geholfen werden. Unternehmen mit einem großen Betriebsgelände können Fahrräder für interne Strecken zum Einsatz bringen. Verschiedene Reparatur- und Wartungsdienste können eingerichtet werden, oder ganz banal: Umkleiden und Duschen für die, die durch ihren sportlichen Fahrstil oder den Stress des Stadtverkehrs verschwitzt ankommen. Es gibt sogar Maßnahmen, die die Anfahrt mit dem Auto durch eine Verringerung von Parkplätzen oder Gebühren unattraktiver machen sollen.
Welche Düsseldorfer Unternehmen haben das Zertifikat noch?
In Düsseldorf haben fünf Arbeitgeber:innen ein ADFC-Zertifikat: ein Standort der Targobank, zwei der NRW Bank, Ubisoft und das Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, das damit das erste Verkehrsministerium in Deutschland mit dieser Auszeichnung ist.
Braucht man zwingend ein solches Zertifikat?
Nein, wie zum Beispiel Henkel zeigt. Dort gibt es fahrradfreundliche Maßnahmen, ohne dass diese durch den ADFC zertifiziert wurden. Sie umfassen ebenfalls Fahrrad-Leasingangebote für die Mitarbeiter:innen, überdachte Abstellplätze, Fahrradwege auf dem Gelände, Reifenaufpumpanlagen, Duschen, eine eigene interne Fahrradmesse und mehr. Beworben wird das Ganze statt mit Zertifikat auf der eigenen Website.
Inwiefern ist die Zahl der Zertifikate in einer Stadt aussagekräftig?
Die Grenzen all der genannten Möglichkeiten liegen im eingangs erwähnten Stadtverkehr. Theoretisch können Unternehmen sich zwar darum bemühen, möglichst gut an das städtische Fahrradwegenetz angeschlossen zu werden (übrigens auch ein Punkt im Maßnahmenkatalog des ADFC). Aber so individuell wie die Anfahrtswege der Angestellten sind, so unendlich sind die möglichen Gefahren auf diesen Strecken. Da hilft je nach Lage des Unternehmens auch kein Zertifikat mehr. Dass das Zertifikat keine Aussagekraft über die allgemeine Fahrradfreundlichkeit der Städte hat, zeigt sich an seiner Verteilung. In Bremen, der fahrradfreundlichsten Stadt mit über 500.000 Einwohnern in Deutschland, gibt es laut Website des Zertifikats kein einziges ausgezeichnetes Unternehmen. In Münster gibt es sechs, also nur eins mehr als in Düsseldorf, obwohl die Stadt gemeinhin als fahrradfreundlicher gilt. Die Stadt in NRW mit den meisten ausgezeichneten Unternehmen ist Essen – dort sind es ganze 18. Im Fahrrad-Klima Test des ADFC von 2020 liegt Essen aber fast gleichauf mit Düsseldorf. Gerade für ängstliche, unsichere oder unerfahrene Radfahrer:innen sind sichere Radwege wahrscheinlich immer noch die beste Motivation, um den Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurückzulegen.