Frau Blocksdorf und ihr Kampf gegen den Müll im Meer

Nach einer Auszeit auf Hawaii wollte Victoria Blocksdorf nicht mehr tatenlos zusehen, wie Plastikmüll Ozeane verschmutzt und unsere Gesundheit gefährdet. Sie gab ihren Job auf und gründete „Blockblocks Cleanup“, eine Organisation für den Schutz von Gewässern.
Von Annic Völkel (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 19. Juli 2022
Victoria Blocksdorf
Victoria Blocksdorf hat entschieden, den Kampf gegen den Müll im Rhein und damit später im Meer zu ihrem eigenen zu machen. Foto: Andreas Endermann

Wir schlendern nur ein paar Schritte über die Wiese neben dem Apollo Varieté am Rheinufer. Überall im Gras sehe ich Glasscherben, Kronkorken, Plastikdeckel und Unmengen an Zigarettenkippen. Mit so viel Müll hatte ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich schaue ich heute aber auch genauer auf den Boden. Denn an meiner Seite geht Victoria Blocksdorf. Die 40-Jährige hat sich vor vier Jahren das Ziel gesetzt, das Düsseldorfer Rheinufer von Abfällen zu befreien und uns so bewusst zu machen, wie stark wir Flüsse und Meere verschmutzen. Das tut sie unter anderem bei den gemeinschaftlichen Müll-Sammelaktionen, die sie Cleanups nennt.

Die organisiert sie regelmäßig am Düsseldorfer Rheinufer, an der Nato-Rampe nahe der Messe, in der Nähe der Brücken oder am Paradiesstrand. Blocksdorf meldet ihre Aktionen bei der Stadt an, und das Umweltamt informiert die Awista, wo die Mitarbeiter den gesammelten Abfall abholen können. Ein Stamm von 20 Ehrenamtler:innen findet sich regelmäßig ein, aber immer kommen auch neue Helfer:innen hinzu. Blocksdorf verteilt dann Handschuhe und Greifer. Der Müll wird vor Ort getrennt. Plastik,  Altglas, Pfandflaschen, Kronkorken und Restmüll. Letzterer landet in Kaffeesäcken, denn es soll ja nicht noch mehr Kunststoff in Form von Mülltüten anfallen.

Blocksdorf hatte viele Jahre als Grafikdesignerin gearbeitet. Dann nahm sie sich eine Auszeit auf Hawaii. Dort war sie zunächst von der Schönheit der Natur überwältigt, bis ihr der Plastikmüll im Meer und am Strand auffiel. Einmal versuchte sie vergeblich, ein riesiges Fischernetz vom Ufer wegzuziehen. Nach ihrer Rückkehr wollte sie nicht mehr tatenlos zusehen, wie insbesondere Plastikmüll die Ozeane verschmutzt und das Leben der Tiere, unsere Gesundheit und unseren Lebensraum gefährdet. Bei ihrer ersten spontanen Sammelaktion am Paradiesstrand 2018 konnte sie kaum glauben, wie viel Müll sie und ihr Ehemann Jürgen fanden. Sie zogen alte Kanister aus dem Wasser, entfernten Grillsets am Ufer. Überall lagen Plastikschnüre und Folien. Das ist bis heute nicht besser geworden. Allein in diesem Jahr hat Blocksdorf bei den Cleanups bereits 15 Tonnen Abfall und Wertstoffe gesammelt.

Resigniert sie nicht angesichts des überwältigenden Plastikproblems, zu niedriger Recyclingquoten und dubioser Geschäfte mit deutschem Plastikmüll im Ausland? Victoria Blocksdorf sagt: „Es macht mich nicht aggressiv, nicht sauer, und ich bin nicht frustriert. Bei mir überwiegt das Gefühl, etwas dagegen zu unternehmen. Ich mache mit meinen Händen den Unterschied.“

Für den Antrieb, ein globales Problem vor der eigenen Haustüre anzugehen, sorgten auch ihr Mann und ihr Freundeskreis sowie die vielen Menschen, die sie durch ihre Cleanups kennengelernt hat. Statt eines Vereins gründete Blocksdorf eine gemeinnützige Gesellschaft, Blockblocks Cleanup, das verschaffe mehr Handlungsspielraum. Ein kleines Gehalt zahlt sie sich inzwischen aus, hat zwei Minijobber:innen beschäftigt und gibt Schülerpraktikant:innen Einblicke in ihre Arbeit. Ihren Job als Grafikdesignerin hat sie aufgegeben. Die gebürtige Triererin hat Sponsoren gefunden und bewirbt sich erfolgreich um Fördergelder, etwa für ganz praktische Dinge wie eine Waschmaschine, um die Handschuhe nach einer Sammelaktion zu reinigen. Drei ehrenamtliche Untergruppen kümmern sich um den Müll am Brückerbach, Kittelbach und entlang der Düssel. Blocksdorf würde sich freuen, wenn Richtung Neuss oder im Düsseldorfer Norden weitere entstehen.

Inzwischen wird sie auch von großen Düsseldorfer Firmen angesprochen, mit den Mitarbeiter:innen so genannte Corporate Cleanups zu veranstalten. Dann gehen sie zusammen am Rhein Müll sammeln. Allein übers Aufräumen aber sei das Plastikproblem nicht in den Griff zu kriegen. So hält Blocksdorf in den Unternehmen, in Grundschulen oder auf Messen wie der Veggie-World Vorträge. Sie präsentiert „besondere“ Fundstücke der Sammelaktionen. Darunter sind Alltagsgegenstände der Wehrmachtsausrüstung aus dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie die erste Pril-Flasche aus dem Jahr 1959 oder ein fast ebenso alter Deostick. Was sie damit zeigen will: Plastik hält ewig, wird nicht abgebaut, sondern zerfällt über einen ewigen Zeitraum in Mikroplastik. Diese kleinen Partikel binden giftige Stoffe an sich, werden von den Meerestieren aufgenommen. Blocksdorf hat sehr gerne Fisch und Meeresfrüchte gegessen. Inzwischen verzichtet sie weitgehend darauf. Mikroplastik möchte sie nicht auf dem Teller haben und Massenfischerei nicht unterstützen.

Während besagte Pril-Flasche laut Düsseldorfer Hersteller Henkel zumindest seit 2019 nur aus recyceltem Kunststoff hergestellt wird, gibt Blocksdorf Tipps, wie man auf Plastik in vielen Bereichen verzichten kann. Dazu hat sie einen verbrauchernahen „Plastikfrei Pocketguide“ verfasst. Von der Stadt wünscht sie sich, dass auf großen Veranstaltungen komplett auf Einweggeschirr verzichtet wird. Am Rhein sollte es zudem mehr Trinkwasserstellen geben, ein Beitrag, um Plastikflaschen zu vermeiden.

Victoria Blocksdorf kann mit ihrer gemeinnützigen Gesellschaft nicht riesig expandieren. Aber sie nutzt ihre Erfahrung und Kontakte. So fuhr sie mit vielen Ehrenamtler:innen bereits zwei Mal ins Ahrtal, um auch dort die von der Flutkatastrophe verursachten Müllberge einzusammeln. Es war eine gemeinsame Aktion von Düsseldorfer:innen und Kölner:innen. Letztere haben sich in einem Verein mit dem Namen „KRAKE“ zusammengeschlossen.  Das steht für Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit.

Dass bei den Müll-Sammlungen nicht nur Abfälle für die Müllverbrennungsanlage in Flingern anfallen, sondern auch Wertstoffe, ist ein Thema, das Blocksdorf noch stärker in den Fokus rücken möchte. So sammelt sie weitere Spenden, um ihr Projekt „Düsselkronen“ bekannter zu machen. Hier werden bei den Cleanups, aber auch an Kiosken oder in Cafés Kronkorken gesammelt. Der Erlös, den Schrotthändler zahlen, wird an regionale Tierschutzprojekte gespendet. Partner ist hier das Neusser Start-up „Schrottbienen“, das auch in Düsseldorfer Privathaushalten und Gewerbeunternehmen Schrott abholt.

Nun ist Victoria Blocksdorf dabei, ihre eigene kleine Recyclingwerkstatt aufzubauen. Sie will Plastikdeckel schreddern und in Formen pressen und beispielsweise Gitarrenplektren ausstanzen. „Man kann aus Müll etwas machen.“

Weiterführende Links

Die Webseite von Blockblocks Cleanup findet man hier

Webseite des Start-ups „Schrottbienen“

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