Die andere Vorderseite des Düsseldorfer Hauptbahnhofs

Für den Konrad-Adenauer-Platz hat die Stadt eine Lösung auf den Weg gebracht, beim Bertha-von-Suttner-Platz aber wirkt sie hilflos. Ich erkläre, warum es dort so schwierig ist, auch nur Vogeldreck zu entfernen – und was trotzdem Hoffnung macht.
Von Christian Herrendorf (Text)
und Markus Luigs (Foto)
Veröffentlicht am 8. April 2024
Bertha-von-Suttner-Platz an Hauptbahnhof Düsseldorf
Zwei der Probleme des Bertha-von-Suttner-Platzes eng beieinander: Tauben und Metallkunst im öffentlichen Raum.

Ich möchte keine Stadt im Ruhrgebiet kränken. Aber wenn man den Düsseldorfer Hauptbahnhof durch den Ausgang hinter Gleis 20 verlässt, bekommt man schon den Eindruck, man sei zu weit gefahren. Das kann eigentlich nicht Düsseldorf sein.

Das Netteste, was man über den Bertha-von-Suttner-Platz dort sagen kann, ist, dass er wirkt, als wüsste er nichts mit sich und seinen Quadratmetern anzufangen. Ohne erkennbaren Zweck stehen dort unansehnliche Brunnenbecken und mehrere Metallskulpturen. Die Wege rund um den Platz liegen unter Glasdächern, die eine Taubendreck-Quote aufweisen, die locker mit Venedig konkurriert. Und spätestens ab 20 Grad erahnt man auch mit geschlossenen Augen, wenn man eine der Nachbarstraßen verlässt und den Bertha-von-Suttner-Platz betritt.

Die Stadt hat für die eine Seite des Hauptbahnhofs (Konrad-Adenauer-Platz) nach Jahrzehnten nun eine Perspektive geschaffen. Im Februar beschloss der Rat, die Fläche umzugestalten und merklich attraktiver zu machen. Das erhöht den Kontrast zur anderen Seite des Gebäudes. Dort hat sich die Situation zuletzt sogar noch verschlechtert. Mit dem Umzug von Zentralbibliothek und Volkshochschule sind zwei Orte verschwunden, die zumindest für einiges Leben am Bertha-von-Suttner-Platz sorgten. Ohne sie wirkt das beschriebene Ensemble der Sinnfreiheit noch trostloser.

Wir bleiben bei VierNull nicht dabei stehen, ein Problem zu beschreiben, wir wollen hier immer auch Lösungen diskutieren. Dafür muss man zunächst verstehen, warum der Zustand ist, wie er ist – und erkennt dann Spielräume, wie man den Bertha-von-Suttner-Platz verbessern könnte:

Warum ist die Lage so bitter wie beschrieben?

Die Häuser rund um den Platz und die dazugehörigen Glasdächer haben verschiedene Eigentümer – zum Teil Einzelpersonen, zum Teil Gemeinschaften, manche mit Sitz im Ausland und immer mal wieder neue, weil jemand seine Immobilie verkauft. Für die Stadt ist es nach Angaben des Verkehrsdezernats deshalb schwierig, mit den Zuständigen zu kommunizieren. Bisweilen kämen Briefe, in denen man die Eigentümer auffordert, das Dach zu reinigen, ungeöffnet zurück, weil der Adressat nicht mehr verantwortlich ist. Für die Vorschläge, etwas umzubauen oder das Glasdach abzureißen, erhielt man deshalb nicht das erforderliche einstimmige Ergebnis der Mitspracheberechtigten.

Die Rechtslage erschwert das Ganze noch. Die Glasdächer gehören in den jeweiligen Abschnitten zu den Gebäude, an denen sie befestigt sind. Das heißt: Sie sind Privatbesitz. Die Stadt kann damit nichts machen. Wenn sie die Dächer von sich aus reinigen würde, wäre das ein unzulässiger Eingriff in privates Eigentum. Handeln dürfte sie erst, wenn Gefahr in Verzug ist, also zum Beispiel die Dächer einsturzgefährdet wären. So hoch ist der Taubendreck aber selbst am Bertha-von-Suttner-Platz nicht. Die Stadt kann folglich nur die öffentlichen Flächen säubern und tut dies nach eigenen Angaben zwei Mal pro Woche mit dem Hochdruckreiniger.

Die komplizierten Eigentumsverhältnisse verhindern zudem, dass man der hohen Zahl von Tauben entgegenwirkt. Auf einem der Parkhäuser im Umfeld gibt es ein Taubenhaus. Dort tauschen Mitarbeiter:innen der Stadt auch die Eier der Tiere aus. Da man aber am Platz nichts anbringen kann, um die Tauben dort zu vergrämen, und auch ein Fütterungsverbot nicht durchsetzen kann, verfehlt das Taubenhaus sein Ziel.

Inwiefern hat die Stadt das Problem auf dem Schirm?
Ja und Nein. In der genannten Darstellung des Verkehrsdezernats heißt der Zustand des Platzes sei „zu missbilligen“. Im selben Text steht aber auch: „Die Gestaltung aus den 80er Jahren wird als grundsätzlich aus architektonischer sowie städtebaulicher Sicht insgesamt stimmig und gelungen bewertet.“ Außerdem sei der Bertha-von-Suttner-Platz gut ans Radnetz angebunden, dank der Radstation gebe es „hochwertige“ Abstellmöglichkeiten. Folglich habe man keine Pläne, die Radwege auszubauen oder weitere Abstellmöglichkeiten zu schaffen.

Nach meiner Wahrnehmung ist diese vermeintlich beruhigende Feststellung Teil des Problems. Die Radstation ist an sich eine gute Einrichtung, liegt aber an einer düsteren und nicht gut riechenden Ecke. Ich verstehe jeden, der dort nicht gerne sein Rad hinbringt oder von dort wieder losfahren möchte. Die Radwege, sofern vorhanden, sind blass und lückenhaft. Als Teil des Radnetzes nimmt man sie nur mit viel Wohlwollen wahr.

Welche Möglichkeiten gibt es, das zu ändern?
Aus meiner Sicht mindestens zwei:

1. Programm auf dem Platz organisieren
Während der Fußball-Europameisterschaft ist auf dem Bertha-von-Suttner-Platz das „Stadion der Träume“ geplant. An 24 Tagen des Turniers präsentiert sich jeweils eine der teilnehmenden Nationen– mit Kulturprogramm, Essen und Trinken. Für jedes Land stehen 5000 Euro zur Verfügung. Die Reihenfolge orientiert sich an der Auslosung. An Tagen, an denen Spiele in Düsseldorf stattfinden, ist Ruhetag auf dem Bertha-von-Suttner-Platz. Einen Überblick für Programm gibt es hier.

Ich mag die Idee sehr und denke, dass man den Ansatz nach der EM fortsetzen sollte. Kulturschaffende, die in Düsseldorf etwas machen möchten, könnten eine spezielle Unterstützung für Programm auf dem Bertha-von-Suttner-Platz bekommen und vorhandene Feste in diese Richtung wachsen. Einfaches Beispiel: Am Japantag kommen viele Besucher:innen aus anderen Städten mit dem Zug und laufen dann über die Graf-Adolf-Straße zum Rheinufer. Sie könnte man zum Beispiel mit einem ersten Programmpunkt direkt am Hauptbahnhof versorgen.

2. Den Platz umbauen
Das in der Stellungnahme der Stadt beschriebene Bild einer stimmigen Gestaltung teile ich nicht. Was immer man sich von den Brunnen und der Kunst im öffentlichen Raum in den Achtzigern versprochen hat – es funktioniert nicht. Deshalb sollte die Stadt auf den Flächen, die ihr gehören, nochmal bei Null anfangen. Das heißt: Brunnen und Skulpturen abbauen und etwas Neues schaffen.

Andere Städte haben zum Beispiel Holzhütten in einer einheitlichen und hochwertigen Gestaltung für Gastronomie errichtet. Wenn man mitbekommt, wie viele Interessenten es aktuell für die sogenannten Florabars in den Düsseldorfer Parks gibt, sollten sich Menschen finden lassen, die dort etwas machen möchten – im Zweifel, indem man ihnen den Start mit einer geringen Pacht erleichtert.

Ebenso könnte man mit Hochbeeten und anderen Formen des urbanen Begrünens einiges erreichen. Die Initiative Platzgrün zeigt immer wieder, wie das gelingt (mehr dazu in diesem Bericht).

Was macht noch Hoffnung, dass sich etwas ändert?
In der Nachbarschaft des Platzes gibt es zaghafte Veränderungen, die sich auf den Bertha-von-Suttner-Platz auswirken könnten. An der Eisenstraße hat eine Galerie eröffnet, zudem gibt es einige nette Lokale. Auf der Fläche des so genannten Grand Central sind die ersten Wohnungen im Herbst und Winter bezogen worden. Dort leben schon Menschen, die gute Angebote im Umfeld zu schätzen wüssten. Sollte irgendwann die weiteren Pläne für mehr als 900 Wohnungen umgesetzt werden, würde die Zahl der neuen Nachbarn entsprechend steigen.

Fazit
Letztlich muss ein Umdenken stattfinden. Ich habe in diesem Text bewusst nie von der Rück- oder Hinterseite des Hauptbahnhofs gesprochen. Man sollte den Bertha-von-Suttner-Platz eben nicht als solche sehen, sondern wie eine Vorderseite betrachten. Dann unternimmt man fast automatisch Anstrengungen wie beim Konrad-Adenauer-Platz und spricht von einer Visitenkarte, die man so nicht abgeben möchte.

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