Fast nicht über Fußball gesprochen – Abschiedsinterview mit Olli Fink

Ich bin kein Profifußballer, deshalb kann es sein, dass mein Gedanke komplett daneben liegt. Ich stelle mir Deine Situation so vor, dass es nach Deinem letzten Spiel so sein wird, als würdest Du einen Tunnel verlassen. Inwiefern passt dieses Bild?
Olli Fink Das ist viel dran, denn mein Leben ist bis jetzt extrem fremdbestimmt durch den Fußball. Du hast fixe Zeiten, wann Du in den Urlaub gehen kannst, und die Wochenenden sind eh immer weg. Es gab unzählige Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Beerdigungen, die ich alle verpasst habe. Das war einfach alles nicht möglich. Deshalb freue ich mich, nun Entscheidungen spontan treffen zu können.
Du hast die letzten beiden Jahre in der zweiten Mannschaft von Fortuna gespielt. War das schon wie Licht am Ende des Tunnels?
Olli Fink Auf jeden Fall. Die zwei Jahre haben mir wieder gezeigt, dass Fußball der schönste Sport der Welt ist.
Am Tag nach Deinem letzten Spiel ist Landtagswahl. Inwieweit verdeutlicht Dir das, dass Dein Leben nun ein anderes ist?
Olli Fink Bisher musste ich das frühzeitig regeln und Briefwahl beantragen. Jetzt kann ich so ziemlich zum ersten Mal am Sonntag ins Wahllokal gehen. Das ist schon etwas Besonderes. Ich glaube, das werde ich ein bisschen zelebrieren.
Was haben Dir Mitspieler, die früher ihre Karriere beendet haben, über die Zeit danach berichtet?
Olli Fink Ich habe tatsächlich mit einigen gesprochen, und es ist echt interessant zu sehen, was das mit ihnen gemacht hat. Der eine ist ein Loch gefallen, der andere vermisst die Kabine, wieder anderen fehlt der Wettbewerb. Bei mir wird es von allem etwas sein – nur in ein Loch falle ich vermutlich nicht.
Du hast Dich während Deiner Karriere auf verschiedene Weise gesellschaftlich engagiert, etwa für die Bürgerstiftung oder das Projekt „Schule ohne Rassismus“. Warum?
Olli Fink Das Schöne am Fußball ist, dass er dir unheimlich viele Türen öffnet – und dass du diese für andere nutzen kannst. Das war bei den Projekten, die Du genannt hast, sehr hilfreich, um Aufmerksamkeit für die Ziele der Organisationen zu bekommen. Und man kann auf recht einfache Weise auch Geld für die Projekte sammeln. Du weißt, dass die Leute gerne gutes Geld dafür bezahlen, ein Trikot oder Schuhe von dir zu kaufen. Und du kannst dieses Geld dann für die Bürgerstiftung einsetzen. Das ist doch super.
Welches Ziel verbindest Du mit Projekten, für die Du Dich engagierst?
Olli Fink Das ist vermutlich etwas Egoistisches, weil ich ein altruistischer Mensch bin. Ich freue mich, wenn ich anderen helfen kann.
Wie bist Du das im Projekt „Schule ohne Rassismus“ angegangen? Worüber hast Du mit den Jugendlichen gesprochen?
Olli Fink Ich habe versucht, meine Erfahrungen mit ihnen zu teilen, denn der Sport hilft sehr, Vorurteile abzubauen. Ich erzähle dann von der Kabine. Am Spieltag sitzen wir da alle zusammen und ziehen idealerweise alle an einem Strang. Diese Form der Solidarität ist ein Wert, der in unserer Gesellschaft leider unterrepräsentiert ist. Das verstehe ich nicht und das will ich abbauen.
Wenn Du zurückschaust: Bist Du zufrieden mit Deinem Engagement oder hättest Du gerne mehr getan?
Olli Fink Ich glaube, dass ich mehr hätte tun können. Man ist leider in seinem Alltag gefangen und hat nicht so viel Zeit, wie man im Nachhinein denkt. Dennoch könnte man hin und wieder über seinen Schatten springen und mehr machen.
Welche Eindrücke vom Zustand unserer Gesellschaft hast Du bei den Auslandsfahrten Eurer Mannschaften gewonnen?
Olli Fink Auf dem Papier bin ich unheimlich viel rumgekommen, aber eben leider nur auf dem Papier. Du siehst nicht wirklich etwas von den Städten und anderen Teilen Deutschlands. Und es klappt leider auch nicht, wenn man sich vornimmt, die Fahrten mit dem Kennenlernen der Städte zu verbinden. Das werde ich jetzt nachholen. Als junger Mensch möchte man ja möglichst weit weg, und das möglichst lang. Inzwischen weiß ich, dass es so viele Orte ganz in der Nähe gibt, die ich erst einmal gesehen haben möchte.
Ich würde gerne mit Dir über Medien sprechen und den Einfluss, den sie auf Euch als Profifußballer nehmen. Wie hast Du die Medien in Deiner Karriere erlebt?
Olli Fink Es gab Momente, da habe ich nachts wachgelegen und überlegt, ob das, was ich in einem Interview gesagt habe, richtig war und ob da am nächsten Tag noch etwas nachkommt. Man muss sich leider sehr bewusst machen, was man sagt und wann man etwas sagt. Deshalb sind viele Interviews so weichgespült. Du willst einfach nicht noch eine Baustelle für Dich und Deinen Verein aufmachen. Aber die Erwartungen sind auch so zu hoch.
Warum?
Olli Fink Man rennt 90 Minuten volle Pulle, und direkt danach wird eine eloquente Analyse des Geschehens von einem erwartet. Du kommst auf dem Zahnfleisch da an und sollst etwas Vernünftiges zu Protokoll geben. Das ist halt einfach schwierig. Deshalb kann man sich die meisten Interviews nach einem Spiel sparen. Es gibt nur eine Handvoll Leute, die ich gerne nach einem Spiel höre: Christian Streich, Matthias Sammer …
Wie wirst Du die Spiele der Fortuna künftig erleben?
Olli Fink Ich werde mitfiebern, mitleiden – aber ganz in Ruhe. Wenn man als Profi verletzt ist und die Spiele von der Tribüne oder vor dem Fernseher verfolgen muss, hat man ein Problem. Meine Frau hat mich damals nicht wiedererkannt und nur gedacht „Hoffentlich spielt der nächste Woche wieder“. Ich habe meinen Antiaggressionsball durch den Raum gefeuert.
Du weißt schon, dass er dafür nicht gedacht ist.
Olli Fink Ja, und deshalb freue ich mich ja so, jetzt einfach mit ein paar Jungs zum Fußball zu gehen. Einfach nur als Fan und ganz in Ruhe.
Termin
Das letzte Spiel von Olli Fink wird am Samstag um 14 Uhr im Flinger Broich angepfiffen. Gegner im Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich ist Borussia Mönchengladbach II. Die Fortuna bittet Fans, die Karten im Vorfeld zu kaufen – das geht hier.