Die Macherin der Düsseldorfer Filmnächte

Wie das Open-Air-Kino nach Düsseldorf kam, das weiß kaum jemand besser als Rosemarie Schatter. 1992, sie befand sich gerade in Hamburg als künstlerische Leiterin des Filmfestivals, bekam sie einen Anruf aus der Schweiz von Peter Hürlimann. Er wollte – nach erfolgreichem Start in seiner Heimat – die Idee des Open-Air-Kinos mit der selbst entwickelten Großleinwand in die ganze Welt bringen. 20 Orte sollten es in Deutschland sein, erzählt Rosemarie Schatter.
Hürlimann zog es an den Rhein, mit Skizzenblock entwarf er attraktive Standorte am Fluss für Bonn, Köln und Düsseldorf. Doch die Rheinländer hatten Bedenken. Könnte die knapp 400 Quadratmeter große Leinwand den Schiffsverkehr beeinträchtigen? 1994 kam es zum entscheidenden Gespräch im Düsseldorfer Rathaus. Stadtspitze und Vertreter*innen diverser Fachämter ließen sich die Pläne für das Freiluftkino vorstellen. „Als sie zögerten, erklärte Hürlimann: ‚Dann müssen wir es eben in Köln machen.’“ Dieser Satz muss gesessen haben. Nach kurzer Sitzungsunterbrechung habe die Stadt grünes Licht gegeben.
Der Premiere im Sommer 1994 vor dem Rathausufer 8 stand nichts mehr im Wege. Rosemarie Schatter, die in Köln lebt, baute das Projekt in Düsseldorf auf, und leitete das Kino acht Jahre lang. Schon die zweite Auflage fand auf dem Burgplatz statt. Doch immer wieder beschwerte sich ein Anwohner wegen des Lärms. „Wir haben uns Schallschutzmaßnahmen überlegt und an die Nachbarschaft Freikarten verteilt“, sagt Schatter. Doch die Leute wollten keine Filme gucken, sondern die Freikarten gegen Bargeld eintauschen. Das war auch keine Lösung.
So bekam das Kino einen neuen Standort, wird seit 2000 im Rheinpark am Robert-Lehr-Ufer aufgebaut, wo es Jahr für Jahr von mehreren zehntausend Menschen besucht wird. 2001 fasste Rosemarie Schatter jedoch einen Entschluss. Sie gab die Projektleitung ab, weil sie es ihr zu nervig wurde, auch noch die Bauzäune für das temporäre Kinoareal zu bestellen. Sie wollte sich fortan nur noch auf das Programm konzentrieren. So profitieren die Düsseldorfer Filmfans bis heute von ihren guten Kontakten zu den Verleihfirmen.
Jeweils im März/April eines Jahres stellt sie die Liste interessanter Filme zusammen, internationale und deutsche Produktionen. Regisseure wie Wim Wenders oder Schauspielerinnen wie Franka Potente („Lola rennt“) besuchten die Vorpremieren ihrer Werke. Die Künstlerinnen und Künstler live zu erleben, gehört zu Schalters Konzept. „Das hebt für viele das Kinoerlebnis.“ Bei der Auswahl von Komödien, Dramen oder Actionfilmen schaut die Programmchefin auch auf die Besucherzahlen der Verleiher.
Natürlich haben Kinobetreiber die Freiluftkinos als Konkurrenz betrachtet. Doch Rosemarie Schatter spricht hier von „Mitbewerbern“. Ihrer Meinung nach mache das Open-Air-Kino den Menschen gerade mehr Lust auf weitere Kinobesuche. Ob früher Ufa oder später UCI, sie seien beide Partner des Open-Air-Kinos gewesen. Und weil die Coronazeit die Kinos in ihrer Existenz gefährdet, gab es in diesem Jahr zum zweiten Mal einen Filmabend am Rheinufer, an dem ein Teil der Einnahmen an die Düsseldorfer Filmkunstkinos gingen. Gezeigt wurde als Vorpremiere „The Father“ mit Anthony Hopkins. Dies in der englischen Originalversion mit deutschen Untertiteln, was ebenfalls eine Premiere am Rheinufer war, künftig aber häufiger angeboten werden soll.
Gerne hätte man auch endlich den „neuen“ und 25. James Bond „Keine Zeit zu sterben“ gezeigt, der seit eineinhalb Jahren auf seinen Start wartet. „Leider kriegen wir den nicht als Preview, die Verleiher haben Angst, dass dann der Ton abgegriffen wird“, erläutert Schatter. „Als wir als Erste den Film ‚Der Teufel trägt Prada’ mit Meryl Streep in deutscher Fassung ins Programm brachten, hat die Verleihfirma sogar eigene Security-Leute eingesetzt.“
Seit 2018 ist nun die Stadttochter D.Live Veranstalterin des Kinos. Auch sie setzt auf die Kenntnisse und Kontakte von Rosemarie Schatter, die inzwischen 71 Jahre alt ist.
Daniela Stork war bislang die Kino-Projektleiterin bei D.Live. Corona-bedingt musste das Open-Air-Kino am Rhein 2020 erstmals ausfallen. „Wir haben uns dann innerhalb von nur wenigen Tagen entschieden, den Messeparkplatz P1 in ein Autokino umzuwandeln“, sagt Stork. Das konnte deshalb so schnell umgesetzt werden, weil die städtische Eventtochter inzwischen die Großleinwand, die zuvor auch oft nach Australien und Asien verschifft worden war, erworben hatte. Schatter buchte in aller Kürze 60 Filme und war völlig überrascht, als die erste Veranstaltungswoche des Autokinos nach nur einem Tag ausverkauft war.
Flexibilität war auch in diesem Sommer erforderlich: Das Hochwasser ließ den geplanten Kino-Start am 15. Juli platzen. Die Techniker mussten einen Teil der Anlage zurückbauen, Rosemarie Schatter plante das Programm um und strich fünf Filme von der Liste. Nicht gestrichen wurden natürlich die Kultstreifen „Mamma Mia!“ (lief bereits) und „Rocky Horror Picture Show“ (28. August). Wobei die Musikkomödie mit den ABBA-Hits seit 2008 oft zum Kinoauftakt präsentiert wurde, vor Corona meist am Feuerwerksabend der Großen Kirmes. Die Rocky Horror Picture Show drohte gar mal ganz aus dem Programm zu fliegen, weil die Ordner nicht länger den Müll (Klopapier und Reiskörner) nach jeder Vorstellung mühselig einsammeln wollten. Inzwischen ist der Filmabend immer noch ein kultiges Ereignis, Gäste in Strapsen sind willkommen, sie dürfen aber keinen Reis mehr mitbringen.
Das Open-Air-Kino lebt zudem von Überraschungen. So bei den „Joker“-Nächten: Man kauft das Ticket, weiß aber nicht, welchen Film Rosemarie Schatter dafür bestellen wird. Eine Überraschung war es ebenfalls, als Campinos „Hope Street“-Lesereise in der vergangenen Woche von der Rennbahn ins Kino mit aktuell maximal 840 Plätzen (statt 1700) verlegt wurde. Der Sänger ließ es sich nicht nehmen, als Zugabe mit seiner Band ein kleines Konzert zu geben – das erste seit 2019. Und nicht von ungefähr hat Filmdisponentin Rosemarie Schatter für die dritte Joker-Nacht, am 17. August, die Doku „Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour“ vorgesehen.
Gefragt nach einer Liste ihrer Lieblingsfilme für VierNull hat Rosemarie Schatter noch mal in alten Programmen gestöbert und musste sich dann stoppen, „bevor es über 50 werden“. Hier ihre fünf Titel:
- Cat Ballou (1965)
- Das Piano (1992)
- Lola rennt (1998)
- Auf alles, was uns glücklich macht (2021)
- Promising Young woman (2021, läuft am 27. August im Open-Air-Kino).
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