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Die Konzerte seines Lebens

Florian Reith geht so häufig zu Konzerten wie andere ins Restaurant oder zum Sport. Allerdings steht das Restaurant nicht in China und das Fitnessstudio nicht in Argentinien.

Veröffentlicht am 27. Januar 2023
Florian Reith
Sein Platz ist vor, nicht auf der Bühne. Florian Reith bei einem Konzert der Düsseldorfer Punkband „Die schwarzen Schafe“ im Ratinger Hof. Foto: Andreas Endermann

Du hast gefragt, was Florian für einer ist. Wie der tickt. Was den so ausmacht. Ich kann da nicht viel zu sagen, aber wenn du Florian verstehen willst, dann lass dir einfach diese Geschichte von ihm erzählen. Mit derselben Begeisterung, mit der er die Geschichte mir erzählt. Plane mindestens zwanzig Minuten ein. Und zwei Bier. Danach hast du keine Fragen mehr. Danach willst du selbst nur noch auf das nächste Konzert. Am besten mit Florian.

5. Juni 2022, früher Sonntagmorgen. Amsterdam schlummert noch. Bloß Florian sitzt schon im Shuttle auf dem Weg zum Flughafen Schiphol. Hat er extra bestellt, will jedes Risiko vermeiden. Um 7.30 Uhr soll das Flugzeug nach München abheben. Florian hat den frühesten Flug gebucht. An den beiden Abenden zuvor hat er Patti Smith in Amsterdam gesehen. Heute spielen die Rolling Stones im Olympiastadion, und das darf er nicht verpassen. Über den Rolling Stones kommt nicht mal mehr der Himmel. Florian ist pünktlich am Flughafen. Fünf Minuten vor dem Boarding teilt die Anzeigetafel mit: Der Flug fällt aus. Shit. Blick ins Handy. Mit dem nächsten Zug dauert es acht Stunden bis nach München. Florian bucht lieber einen anderen Flug. Start 17 Uhr. Landung 18 Uhr. Da wäre er rechtzeitig im Stadion. Wenn ab jetzt alles gutgeht.

Du denkst vielleicht, das muss sein erstes Konzert der Rolling Stones sein. Warum sonst sollte er sich dermaßen sorgen? Es ist Konzert Nummer 22. Denkt man erst mal gar nicht, andererseits, wie sollte jemand aussehen, der nicht nur regelmäßig zu den Stones geht, sondern jedes Jahr knapp 70 Konzerte besucht. Älter jedenfalls. Florian Reith ist 34, Flingeraner, verheiratet, hat zwei Kinder und Eltern und Schwiegereltern, die gerne auf sie aufpassen, arbeitet als selbständiger Tagesvater. In der Düsseldorfer Altstadt treffe ich auf einen Typen mit hochgegelten, kurzen Haaren, schwarzen Jeans, schwarzen Doc Martens. Das bunte Hemd mit den Totenköpfen und die Tätowierungen sind schon mal ein kleiner Hinweis, dass Florian ganz gern abweicht. Florian führt eine Liste auf seinem Handy, darauf sind 726 Konzerte verzeichnet, die er in seinem Leben besucht hat. Die Toten Hosen tauchen besonders häufig auf. Bis nach China und Argentinien ist er für sie gereist. Und die Rolling Stones. Du fragst zu Recht: Ein 34-Jähriger, der nichts Besseres zu tun hat, als Konzerte einer Rockband von 80-Jährigen zu besuchen?

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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