Wilde Querabstimmungen und ein Anti-AfD-Pakt

Am Donnerstag trat zum ersten Mal der neue Düsseldorfer Stadtrat zusammen. Beobachtungen von der Seitenlinie und die wichtigsten Entscheidungen des Tages.
Von Marc Latsch (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 7. November 2025
Oberbürgermeister Stephan Keller, Ratsherr Alexander Fils Stadtrat Düsseldorf
Die erste Ratssitzung eröffnet nicht Oberbürgermeister Stephan Keller, sondern das dienstälteste Ratsmitglied, in diesem Fall Alexander Fils von der CDU.

Den größten Auftritt zwischen all den Wahlen und Vereidigungen hat CDU-Ratsherr Rolf Tups. Gerade hat Oberbürgermeister Stephan Keller Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen, der die Verteilung und Bestimmung der Ausschussvorsitze regeln soll. Tups geht nach vorne ans Rednerpult, um eine „Zugriffsgemeinschaft“ zu verkünden. Ein sehr technischer Begriff für die wichtigste Nachricht dieser Ratssitzung. Alle Fraktionen von CDU bis Linke schließen sich zusammen, um intern die Ausschussvorsitze zu verteilen. Der Zweck: Die AfD verliert ihre Chance auf einen möglichen zweiten Vorsitz, der ihnen per Los hätte zufallen können.

Rund 90 Minuten bevor Tups für die Verkündung des Anti-AfD-Pakts ans Rednerpult tritt, hat der Düsseldorfer Ratssaal etwas von einer Aula am ersten Schultag. Nur, dass alle erwachsen sind und die Cliquenbildung von vornherein klar ist. Menschen stellen sich einander vor, schießen Selfies, stehen in Kleingruppen zusammen. Es ist laut und unruhig. In einer Broschüre hat die Stadt alle Menschen mit Foto und Parteizugehörigkeit gesammelt, die heute hier teils zum ersten Mal aufeinandertreffen. Für Ruhe sorgt erst jemand, für den das alles Routine ist. Alexander Fils (CDU), seit 31 Jahren im Rat, darf als Dienstältester die Sitzung eröffnen.

Tups‘ Auftritt am Rednerpult ist die Folge des komplexen mathematischen Verfahrens, auf dessen Grundlage die Ausschussvorsitze berechnet werden. Dafür werden normalerweise die Größen der einzelnen Fraktionen berücksichtigt. Wenn sich jedoch „Zugriffsgemeinschaften“ bilden, verändert das die Reihenfolge. Weil sich alle weiteren Fraktionen einig sind, kommt die AfD für ihren einen Ausschuss erst später zum Zug. Es ist ein deutschlandweit nicht selbstverständlicher Fingerzeig, dass zumindest in Düsseldorf die Union auch mit der Linken zusammenarbeitet, wenn es Rechtsaußen schwächt.

Fraktionsvorsitzende CDU, FDP und AfD im Stadtrat Düsseldorf
In der ersten Reihe sitzen die Fraktionsvorstände, hier: Rolf Tups und Andreas Auler (CDU), Mirko Rohloff (FDP) und Elmar Salinger (AfD).

Vor den Ausschüssen stehen allerdings erst der Oberbürgermeister und seine Stellvertreter:innen im Mittelpunkt. Nachdem Fils seine Kurzzeit-Führungsrolle für ein paar Ratschläge genutzt hat („Die Bürger erwarten viel von uns, vielleicht zu viel“), gibt er sie auch schon wieder ab. Stephan Keller wird vereidigt, Fils hängt ihm die Amtskette um. Es folgen Fotos, persönliche Gratulationen und Begrüßungsworte des alten und neuen Stadtoberhaupts. Dann spricht der Chor der Ratsmitglieder die Verpflichtungsformel. Am Ende bleibt ihnen offen, ob sie diese mit „so wahr mir Gott helfe“ beenden. Vor allem auf der rechten Seite des Saals ist der Satz lautstark zu hören.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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