Was Düsseldorf gegen Kinderarmut tut – und was noch fehlt

Die Stadt stellt dieses Jahr eine halbe Million Euro zur Verfügung, um armen jungen Menschen zu helfen. Damit werden Projekte finanziert, die zur Dauereinrichtung werden, wenn sie funktionieren.
Veröffentlicht am 15. Januar 2025
Kinderarmut in Düsseldorf
Die Armut von Kindern ist in Düsseldorf unterschiedlich stark ausgeprägt. Insgesamt gelten 17,6 Prozent der jungen Menschen als arm.

Der Quartiers-Atlas für Düsseldorf enthält sehr viel Zahlen, darunter eine extra-bittere: Sie lautet 64,2 Prozent. So hoch ist in Hassels-Nord der Anteil von Kindern, die in einem Haushalt leben, der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Bürgergeld) bezieht. Sie gelten deshalb als arm. In Düsseldorf schwankt der Wert von Quartier zu Quartier stark, insgesamt liegt die Kinderarmuts-Quote bei 17,6 Prozent.

Die Stadt hat 2018 angefangen, verschiedene Ansätze auszuprobieren, um das Problem zu reduzieren. Die finanzielle Grundlage dafür ist der Armutsfonds. Darin befinden sich 500.000 Euro, mit denen man kurzfristig Ideen umsetzen und deren Wirkung untersuchen kann. Wenn sie wirken, werden sie Teil des normalen Programms im Amt für Soziales und Jugend. Und wenn die Summe der Projekte jenseits der halben Million Euro liegt, finden sich in aller Regel Wege, zusätzlich Geld bereitzustellen.

Beim Blick auf die Projekte, die 2024 durchgeführt wurden und die für 2025 vorgesehen sind, ist eines erkennbar. Die 500.000 Euro werden vor allem eingesetzt, um Folgen der Armut zu mildern. Die Vorhaben im Detail:

Was die Stadt aktuell gegen die Folgen der Armut tut

Alltag Die aus meiner Sicht lebensnächste Hilfe hat einen abstrakten Namen: Stadtbezirksfonds. Eltern werden unterstützt, zum Beispiel damit ihr Kind mit auf Klassenfahrt gehen kann, wenn Geld für einen Tornister fehlt, Nachhilfe oder ein Sprachkurs gebraucht werden. Ursprünglich waren dafür 50.000 Euro vorgesehen, im neuen Jahr wird das Ganze um 20.000 Euro erhöht. Dieses Geld wird komplett gebraucht, die Stadt rechnet sogar damit, dass noch mehr erforderlich ist.

Das Verfahren dazu ist einerseits vereinfacht worden, dennoch beinhaltet es eine Hürde für die Betroffenen. Wenn die Erziehungsberechtigten in einer Beratungsstelle, also bei der Stadt oder sozialen Trägern, Hilfe suchen, können die Beschäftigten dort Geld aus dem Stadtbezirksfonds online beantragen. Voraussetzung ist aber, dass andere Möglichkeiten ausscheiden. Das heißt, man muss vorher auf anderem Weg versucht haben, Geld zu bekommen. Es kann daher passieren, dass Eltern auf dem Weg entmutigt werden und ihr Problem nicht bekannt wird. Entbürokratisierung ist folglich nicht nur ein Wunsch von Unternehmen, sondern auch von Menschen, die in Armut leben.

Gesundheit Die neuen Programme im Jahr 2025 gibt es vor allem in diesem Feld. Bisher hat man sich dabei auf medizinische Untersuchungen konzentriert. Nun geht es darum, die Gesundheit der jungen Menschen insgesamt zu fördern, sich also zum Beispiel um Bewegung und Ernährung zu kümmern. Das erfolgt nicht stadtweit, sondern insbesondere in den Quartieren, die stark von Kinderarmut betroffen sind.

Ein Angebot für Kita- und Grundschulkinder hat Fortuna Düsseldorf angestoßen. Alle Beteiligten hoffen, dass dank der Popularität des Vereins möglichst viele das Angebot nutzen, das gegen Bewegungsmangel wirken soll. Es wird mit Sprachförderung kombiniert, um den Start in der Schule zu erleichtern.

Ein weiteres Projekt entstand in Oberbilk. Dort wurde im November in einem Zirkuszelt im WGZ-Park ein Gesundheitsfest gefeiert. Durch Interviews ermittelten die Organisator:innen, was Familien brauchen. Die so entwickelten Ideen werden dieses Jahr zusammen mit einer Krankenkasse umgesetzt.

Wie es mit solchen Ansätzen weitergehen kann, zeigt das Programm namens FreizeitFit4Kids. Das wurde bisher aus dem Armutsfonds bezahlt. Ab sofort und dauerhaft wird es über den normalen Kinder- und Jugendförderplan finanziert.

Bildung Ein früher Einstieg in die Kinderbetreuung ist wichtig, die Wechsel in die Grund- und auf die weiterführende Schule sind noch einmal wichtige Momente, um zu erkennen, wo Kinder Hilfe brauchen. An diesen Schlüsselpunkten des Bildungssystems setzen Stadt und soziale Träger gezielt Fachkräfte ein. Solche Lotsen in Schulen, Stadtteiltreffs oder beim SOS-Kinderdorf schauen, welche Eltern angesprochen und zu den für ihre Kinder passenden Angeboten gebracht werden sollten.

Dieser Ansatz namens „Übergänge stärken“ hat 2024 an vier Stellen in der Stadt gewirkt. Nun sind 20.000 Euro für einen neuen Standort vorgesehen.

Mittagessen/Betreuung Die Kommunen werden in naher Zukunft verpflichtet sein, jedem Kind einen Ganztagsplatz in der Schule anzubieten. Noch aber fehlen solche Plätze, mit zum Teil gravierenden Folgen: Es gibt aufgrund dessen Kinder, die keine warme Mahlzeit bekommen würden. Für die Jugendfreizeiteinrichtung am Wittenberger Weg in Garath werden deshalb 10.000 Euro reserviert. Damit können 60 Mittagessen an drei Tagen in der Woche angeboten werden. Wie wichtig diese Möglichkeit ist, zeigt eine andere Feststellung der Stadt: Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil besuchen die Einrichtung „oft bis in die Abendstunden“, heißt es im Bericht zu den neuen Plänen.

Was im Kampf gegen Kinderarmut fehlt
Mit dem Ende der Ampelkoalition ist auch die Idee der Kindergrundsicherung vorerst gescheitert. Das zuständige Ministerium erklärte, dass „eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs nicht mehr zu erwarten“ ist. Eine Kindergrundsicherung wäre gleichermaßen Grundlage wie Ergänzung der Wege, die Kommunen gehen. Das gilt umso mehr für Städte, die nicht die finanziellen Möglichkeiten wie Düsseldorf haben.

Auch das Land Nordrhein-Westfalen trägt Verantwortung im Kampf gegen Kinderarmut. Der Haushalt des Landes ist allerdings stark von Sparplänen geprägt. Deshalb fehlt vor allem die Sicherheit, dass in diesem Bereich kein Geld gestrichen wird.

In Düsseldorf ist die Perspektive zweigeteilt. Es gibt hier einerseits eine grundlegende Struktur, um etwas gegen Kinderarmut zu bewirken, die so genannten Präventionsketten. Zudem wird das Problem richtigerweise nicht auf Stadtteile-Ebene, sondern noch tiefer in den Vierteln und Quartieren betrachtet. Und es gibt die Offenheit, neue Ansätze auszuprobieren und diese dauerhaft zu übernehmen, wenn sie wirken.

Andererseits ist Kinderarmut ein anhaltendes Problem. Das sieht man zum Beispiel an der hohen Zahl der jungen Menschen, die auf die Hilfe der Kindertafel angewiesen sind, und das sieht man genauso im Quartiers-Atlas, den ich am Anfang des Textes beschrieben habe. Es braucht deshalb aus meiner Sicht mehr Gewicht für das Thema. Der OB-Wahlkampf und die anschließende Politik der Gewinnerin oder des Gewinners wäre der geeignete Ort dafür. Bisher hat aber einzig die Kandidatin der Grünen, Clara Gerlach, das Thema überhaupt angesprochen. Auch das ist eine bittere Statistik.

Weitere VierNull-Geschichten zum Thema

Dinge, die wir über Obdachlose nicht wissen, aber wissen sollten

Ansatz gegen Obdachlosigkeit in Düsseldorf: Housing first

Der Engel vom Grabbeplatz in Düsseldorf


Lust auf weitere Geschichten?