Strack-Zimmermann legt auch in der EU einen Frühstart hin

Andere Politiker:innen, die am 9. Juni erstmals ins EU-Parlament gewählt wurden, räumen noch das Büro ein und suchen Mitarbeitende. Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht zügiger vor. Ihr Name tauchte in den beiden europäischen Hauptstädten gleich mehrfach in den Nachrichten auf: Sie ist nun Vorsitzende des Parlaments-Unterausschusses für Verteidigung, sie wollte nicht Vorsitzende der liberalen Fraktion (Renew Europe) werden, und sie hat Ursula von der Leyen nicht als Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt. Die Details dazu:
Vorsitzende des Unterausschusses für Verteidigung und Sicherheit
Zwischen den jüngsten beiden Meldungen auf der Internetseite der FDP-Politikerin liegen acht Tage – und eine politische Welt. In der älteren schrieb Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dass sie ihr Mandat als Bundestagsabgeordnete niederlegt und sich mit Parlamentspräsidentin Bärbel Bas zu einer Motorradtour verabredet hat. In der zweiten steht, dass sie auf europäischer Ebene dort weitermacht, wo sie in Berlin aufgehört hat.
Die Mitglieder des Unterausschusses für Verteidigung und Sicherheit (Subcommittee on Security and Defence, kurz SEDE) haben die Düsseldorferin zur neuen Vorsitzenden gewählt. Auch wenn die Dankesworte auf der nach oben offenen Strack-Zimmermann-Skala einen verhältnismäßig geringen Wert haben, sind sie doch unmissverständlich. Es brauche einen „Wandel in der europäischen Sicherheit (…), damit wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können“, schreibt die 66-Jährige. In einem Interview mit der „Rheinischen Post“ hat sie das bestätigt. Darin fordert sie eine eigene Armee für die Europäische Union.
Als Marie-Agnes Strack-Zimmermann im April 2023 bekanntgab, für das EU-Parlament zu kandidieren, hat mich das überrascht. Sie hatte sich in Berlin innerhalb weniger Jahre eine starke Position erarbeitet, und es sprach nicht viel dafür, diese während der zweiten Legislaturperiode schon wieder aufzugeben. Und dass die Spitze von Bundesregierung und FDP die unbequeme Politikerin geräuschlos wegloben könnten, erschien ebenfalls unwahrscheinlich.
Fraglich war daher, welche Aufgabe man ihr in Brüssel/Straßburg in Aussicht gestellt hatte. Eine der zahlreichen Vize-Präsident:innen-Posten des Parlaments erschien denkbar, aber nicht wirklich reizvoll. Ein noch größerer Einfluss auf die Verteidigungspolitik in Zeiten des russischen Angriffskriegs ergibt dagegen Sinn.
Die Umsetzung wurde allerdings kompliziert. Die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, drohten, gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu stimmen. Sie waren sauer, weil diese Ursula von der Leyen nicht als Kommissionspräsidentin unterstützt hatten. Letztlich schafften es die europäischen Liberalen, die EVP zu einem positiven Votum für die Deutsche zu bewegen.
Das neue Amt war damit ein, aber nicht der einzige Grund, warum Marie-Agnes Strack-Zimmermann einen anderen Posten abgelehnt hat.
Nicht Vorsitzende der liberalen Fraktion
Die Überlegungen, die frisch gewählte Abgeordnete direkt zur Fraktionsvorsitzenden zu machen, waren inoffiziell, die Absage ebenfalls. Die Deutsche und ihr Team wollen sich nach dem Umzug von Berlin weiter um die Verteidigungspolitik kümmern, lautet das Signal.
Hinzu kommt, dass die liberale Fraktion sich in einer komplizierten Lage befindet. Bisher war dort der Einfluss der französischen Mitglieder hoch, die aus der Partei von Präsident Emmanuel Macron stammen. Nach deren Niederlage am 9. Juni verschieben sich gerade die Kräfteverhältnisse. Einige Mitglieder verließen das liberale Bündnis, andere Gruppierungen im Parlament wurden umworben, damit Renew Europe weiterhin stärker als die Rechtspopulist:innen bleibt. Der Preis in solchen Verhandlungen ist hoch, das Ergebnis ungewiss – und der Fraktionsvorsitz damit ein Posten, den man Freunden nicht empfehlen würde. Und Menschen, die eine Alternative haben, auch nicht.
Nicht für Ursula von der Leyen gestimmt
Im Europawahlkampf hatte Marie-Agnes Strack-Zimmermann die EU-Kommissionspräsidentin zu ihrem neuen Olaf Scholz gemacht. So wie sie sich mit Statements gegen die zurückhaltende Art des Bundeskanzlers profiliert hatte, so kritisierte sie nun Ursula von der Leyen. Sie sei „tief enttäuscht“, weil die frühere deutsche Verteidigungsministerin nicht genug für die Verteidigung der Ukraine tue, sagte sie in einem Interview mit „Euronews“: „Frau von der Leyen hat zum Beispiel vor Monaten 1 Million Schuss Artilleriemunition versprochen. Das klingt gut, aber es ist nie in der Ukraine angekommen. (..) Wenn man sagt, wir liefern, dann muss man liefern.“
Das Nein bei der Abstimmung über Ursula von der Leyens zweite Amtszeit erschien daher nur konsequent. Es wurde aber vorsichtshalber nochmal argumentativ unterfüttert. In einem öffentlich gemachten Brief formulierte die Liberale aus Düsseldorf im Namen ihrer Fraktion Fragen an die Bewerberin – zum Verbrennerverbot, zum Bürokratieabbau und zu Gemeinschaftsschulden der EU. Vor der Wahl hieß es dann, die Christdemokratin habe diese Fragen nicht beantwortet. Andere Beobachter:innen erklärten, man habe auch mit wenig gutem Willen in der Bewerbungsrede Ursula von der Leyens die Antworten hören können.
Die ersten Wochen auf EU-Ebene bestätigen ein Prinzip, das Marie-Agnes Strack-Zimmermann schon länger pflegt: den Frühstart. So hat sie es 2017 nach ihrer ersten Wahl in den Bundestag gehandhabt und als sie Oberbürgermeisterin in Düsseldorf werden wollte.
In Berlin war sie 2017 direkt in mehreren Talkshows zu Gast und brachte prominenten Politikern bei, sich ihren langen Namen zu merken. Markus Söder (CSU), der das zunächst nicht getan hatte, sondern „gnädige Frau“ sagte, war der erste, der als zweiter Sieger eine Fernsehsendung verließ. Als die Düsseldorferin ihm ins Wort fiel, bat er darum, ausreden zu dürfen. Sie entgegnete daraufhin: „Man sollte bei der Wahrheit bleiben, dann ist ja gut, dann dürfen Sie weiterreden.“
Wolfgang Bosbach (CDU) erging es wenige Tage nur unwesentlich besser. Marie-Agnes Strack-Zimmermann entkräftete dessen Argumentation unter anderem mit Hilfe des damaligen CDU-Innenministers Thomas de Maizière und erläutert, warum eine Rechnung, in der man Zugewanderte und Geflüchtete vermengt, nicht funktioniert: „Das ist natürlich völlig Banane.“
Früh agierte die Liberale bei der OB-Wahl 2020 – beziehungsweise 2019. Schon ein gutes Jahr vor der Wahl machte sie ihre Kandidatur bekannt. Da ging Stephan Keller noch seinem Alltag als Stadtdirektor in Köln nach und überlegte, ob er für die Düsseldorfer Rathausspitze kandidiert. Und Marie-Agnes Strack-Zimmermann veranstaltete schon die erste Ein-Frau-Demo an einer der Umweltspuren.

Weitere VierNull-Geschichten über Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Strack-Zimmermann funktioniert in Düsseldorf – und nur dort
Zum Abschied eine Vase, ein Du und den Wunsch-Nachfolger