
Rolshoven gegen Keller wird zum Dauerduell
Es warten einige Dutzend Menschen vor dem Rathaus, als Oberbürgermeister Stephan Keller und die Fraktionsvorsitzenden aus dem Gebäude kommen – doch der Mann im hellblauen Polohemd fällt in der Gruppe sofort auf. Es ist Wolfgang Rolshoven, der Vorsitzender des Heimatvereins Düsseldorfer Jonges. Er erklärt, warum die offensichtlich aufgebrachten Menschen hier sind. Sie wollen, dass in der Stadt weiterhin knapp 10.000 Laternen mit Gas betrieben werden. Dass der Rat an diesem Tag das Gegenteil beschließen will (die weitgehende Umrüstung der Laternen auf andere Leuchtmittel), beschreibt der Mann an der Spitze der Bewegung mit seiner aktuellen Lieblingsvokabel: „Wortbruch“.
Wolfgang Rolshoven und seine Mitstreiter:innen überreichen dem Rathaus-Chef eine Kiste mit Listen. Knapp 6000 Unterschriften haben die Befürworter des Gaslichts nach eigenen Angaben gesammelt. Noch während der kleinen Demo streichen sie die Zahl mehrfach durch und schreiben eine höhere hin. Stephan Keller trägt die Kiste selbst ins Gebäude. Knapp sieben Stunden später beschließt der Stadtrat nach einer vorwurfsreichen Debatte das weitgehende Aus für gasbetriebene Leuchten, möchte die Form der historischen Laternen aber flächendeckend erhalten. Eine der Stimmen für diesen Antrag kommt vom Oberbürgermeister.
Die Debatte ist damit allerdings noch nicht beendet. Die Freunde der Gaslaternen erwägen nun ein Bürgerbegehren, um den Ratsbeschluss zu kippen. Das Duell Wolfgang Rolshoven gegen Stephan Keller wird also weitergehen – und damit zum Dauerbrenner. Die beiden stehen sich schon zum dritten Mal in einer zentralen Frage gegenüber, und das obwohl Stephan Keller noch nicht einmal drei Jahre im Amt ist.
Was ist bisher geschehen?
Die erste Auseinandersetzung zwischen den beiden gab es zur Sicherheit in der Düsseldorfer Altstadt. Stephan Keller hatte dieses Thema für sich reklamiert, die Jonges, die ihr Zentrum in der Altstadt haben, waren mit den ersten Schritten nicht zufrieden. Sie präsentierten ein eigenes Konzept (Altstadtwochenenden wie Großveranstaltungen behandeln) und warfen der Stadtspitze vor, sich bei dem Thema regelrecht „wegzuducken“. Das wiederum ärgerte den früheren Ordnungsdezernenten, der weiterhin eine große Leidenschaft für das Thema hat.
Und er revanchierte sich: Im Januar 2022 lehnte er ab, Mitglied im Vorstand der Jonges zu werden. Der Verein nehme keine Frauen auf und das sei diskriminierend. Damit trat er eine Diskussion bei den Jonges los, die bis heute anhält und zu einer Abstimmung über die Frauen-Frage führen wird. Die internen Debatten haben die Jonges und ihren Vorsitzenden viel Kraft gekostet.
Der Gaslaternen-Zwist ist eine Wiederauflage. Als Dezernent war Stephan Keller für die damals beschlossene Umrüstung zuständig und verfolgte seinen Auftrag nicht gerade zurückhaltend. „Herr Keller zeichnet sich dadurch aus, und ich meine das mit dem nötigen Respekt, dass er Dinge sehr akribisch umsetzt“, hat FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu diesem Thema einmal gesagt. Der Protest der Bürger:innen gegen die Umrüstung war dann zunächst erfolgreich. 2020 wurde der Kompromiss geschlossen, rund 9500 Gaslaternen zu erhalten. Dass dieser Kompromiss nun kassiert wurde, führte zu dem Vorwurf namens Wortbruch.
Wie gehen die beiden in den Auseinandersetzungen vor?
Mit wechselnden Unterstützer:innen. In der Altstadt-Frage konnten beide auf ihre klassischen Lager setzen. Die Jonges standen hinter ihrem Vorstand, die CDU randalierte ordentlich, um ihren Oberbürgermeister zu verteidigen.
Als es darum ging, dass der Verein keine Frauen aufnimmt, fehlte die breite Unterstützung aus Verein beziehungsweise Partei, weil dort eine ganze Reihe nicht der Meinung ihrer Protagonisten war. Also verlegten sich die beiden Duellanten auf Vorwürfe über die Medien. Dabei waren sie nicht einmal unterschiedlicher Meinung. Vielmehr wollte der eine den Diskriminierungsvorwurf nicht stehen lassen und der andere nicht auf homöopathische Weise Stärke zeigen.
Im aktuellen Streit stehen die beiden an der Spitze ungewöhnlicher Konstellationen. Stephan Keller hat weite Teile der Politik hinter sich: sowohl die CDU und den Kooperationspartner von den Grünen als auch Teile der Opposition, etwa die SPD sowie die Fraktion von der Satirepartei Die Partei und der Klimaschutzliste. Wolfgang Rolshoven wiederum weiß weitere Heimatvereine, die FDP und die Junge Union an seiner Seite – also weitgehend Menschen, von denen man annehmen kann, dass sie 2020 Stephan Keller gewählt haben.
Was sind die Gründe für das Dauerduell?
Soweit man es von außen sagen kann: keine persönlichen. Die beiden duzen und respektieren einander, in der Frauen-bei-den-Jonges-Frage sind sie sogar einer Meinung. Aber sie können das streiten dennoch nicht lassen.
Wolfgang Rolshoven ist seit 2012 Vorsitzender (Baas) der Jonges, hat kein Jacket ohne Aufnahmeantrag in der Innentasche und auch so für mehr als 3000 Vereinsmitglieder gesorgt. Dieser Zahl möchte er offenbar das aus seiner Sicht passende politisch-gesellschaftliche Gewicht geben. In der Operndiskussion will er ebenso mitreden wie bei der Altstadt-Sicherheit. Und wie seine Mitstreiter sieht sich der Vereinschef als eine Art Gralshüter der Düsseldorfer Stadtgeschichte und ihrer Zeugnisse. Ein Verzicht auf Gaslicht kommt für ihn so wenig in Frage wie Einschnitte in den Hofgarten.
Man kann Mitgliedern der Jonges viel vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht zu allem eine Meinung haben. In dieser Hinsicht ist Wolfgang Rolshoven der ideale erste Mann. Mit absoluter und nicht mal bös‘ gemeinter Selbstverständlichkeit sagt er, was er meint. Und da er auf so vielen Veranstaltungen in Düsseldorf unterwegs ist wie keine drei anderen Menschen in dieser Stadt, findet er reichlich Gelegenheit, diese Meinung kundzutun. So wachsen deren Wahrnehmung und Bedeutung.
Stephan Keller lehnt die Positionen des Jonges-Chefs nicht aus Prinzip ab. Aber er muss sehr genau beobachten, was dort geschieht, und im Zweifel lieber ein bisschen zu doll Kontra geben. Wolfgang Rolshoven und die Jonges sind für ihn politisch gefährlicher als die Opposition. Sie können Stimmung erzeugen und der Oberbürgermeister kann sie nicht aus eigener Kraft einfangen.
Bei den Karnevalisten gelingt ihm dies dank Josef Hinkel, der vielleicht auch deshalb Bürgermeister ist, um die Schützen kümmert sich Stephan Keller im Rahmen des authentisch Möglichen selbst. Aber bei den Jonges kann er nicht vergleichbar ansetzen. Er hat dort keine Vertrauten, und Schmeicheleien würden als Schwäche ausgelegt. Also braucht es die regelmäßige Machtdemonstration.
Wie geht es weiter?
Angesichts dieser Konstellation wäre es für Wolfgang Rolshoven leichter, den Konflikten die Schärfe zu nehmen, bevor das Duellieren bei den beiden chronisch wird. In der Debatte vor der Abstimmung im Stadtrat hat CDU-Ratsherr Christian Rütz einen dazu passenden Satz zitiert: „Es ist nicht notwendig, die Laterne eines anderen auszublasen, damit das eigene Licht heller scheint.“
Dass die beiden Kontrahenten ihn zum gemeinsamen Leitspruch machen, ist leider am selben Tag noch unwahrscheinlicher geworden. Stephan Keller erklärte, dass der Neubau des Luisen-Gymnasiums so teuer sei, dass das bisherige Gebäude einen Beitrag zur Finanzierung der neuen Schule leisten müsse. Das klingt verdächtig nach Verkauf. In der Vereinszeitschrift der Jonges hat der Wolfgang Rolshoven zu diesem Thema in der Juli-Ausgabe einen Beitrag geschrieben: „Das Interesse der Bürgerschaft ist, das Luisengymnasium als Baudenkmal und für kulturelle Zwecke zu erhalten. Die Jonges und die Bürgervereine werden sicherlich sehr auf die entsprechenden Ratsvorlagen achten“, waren dort seine letzten Worte – und vielleicht die ersten von Runde vier.
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