Immer weiter rechts: die AfD in Düsseldorf

Die Partei hat in der Landeshauptstadt eine neue Spitze. Dort stehen Männer, die extreme Positionen beziehen und das Unwort des Jahres, Remigration, gerne nutzen. Bisher hatte die Ratsfraktion das Bild bestimmt, die rechtspopulistisch und bisweilen skurril erscheint.
Veröffentlicht am 22. Februar 2024
AfD-Kreisverband Düsseldorf
So präsentiert die Düsseldorfer AfD ihren neuen Parteivorstand im Internet (von links): Schatzmeister Zoran Stanojevic, Kay Rohmann, Elmar Salinger und Kris Schnappertz.

Es ist ein Foto, wie es in Deutschland jedes Jahr unzählige Mal entsteht. Ein Vorstand wurde gewählt. Also muss das festgehalten werden. Wer auf diesem speziellen, am 4. Februar veröffentlichten Bild zu sehen ist, ist allerdings von größerem öffentlichen Interesse als bei den meisten anderen Vorständen. Handelt es sich doch um die neue Düsseldorfer Kreisspitze der Alternative für Deutschland (AfD). Jener Partei, gegen die gerade Millionen Menschen auf die Straße gehen.

Auf der rechten Seite des Fotos sind zwei Männer zu sehen, die neben ihrer politischen Ausrichtung zwei für Düsseldorfer Rechte eher untypische Gemeinsamkeiten haben. Beide sind aus Berlin ins Rheinland gezogen, und beide hatten in ihrem bisherigen Leben viel Kontakt zu Grünen-Mitgliedern. Der neue Kreissprecher Elmar Salinger, weil er einmal gemeinsam mit der heutigen stellvertretenden NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur im Düsseldorfer Kreisvorstand war. Und einer seiner beiden Stellvertreter, Kris Schnappertz, weil dessen Mutter die Grünen mitgründete und Mitglied im Bundesvorstand war. Politisch ist bei beiden davon heute nichts zu erkennen.

Der andere stellvertretende Vorsitzende auf dem Bild ist Kay Rohmann, HNO-Arzt aus Oberkassel. Dieses Trio rückt die Düsseldorfer AfD weiter an den Rand, von rechtspopulistischen zu rechtsextremen Positionen.

100.000 Menschen demonstrierten zuletzt allein in Düsseldorf gegen die AfD. Auslöser waren die „Correctiv“-Enthüllungen zu einem rechten Geheimtreffen in Potsdam und vor allem zu den dort dokumentierten Äußerungen des rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner. Der soll über „Remigration“, also die massenhafte Ausweisung von Asylbewerbern, Ausländern mit Bleiberecht und sogar deutschen Staatsbürgern mit Migrationsgeschichte, gesprochen haben. Von Remigration, dem frisch gewählten Unwort des Jahres, spricht auch Elmar Salinger gerne. Und das schon vor dem Potsdamer Treffen im November 2023.

Auf seiner Internetseite hat der neue AfD-Kreisvorsitzende eine Rede vom Oktober verlinkt, die er bei einer Demonstration gegen eine in Düsseldorf geplante Flüchtlingseinrichtung gehalten hat.  Darin warnt er vor einer angeblich „knallharten muslimischen Monokultur“, spricht davon, dass auf einem an die Unterkunft angrenzenden Spielplatz durch die pure Anwesenheit geflüchteter Menschen bestimmt ein neuer Drogenumschlagplatz wie im Görlitzer Park entstehen werde. Und er wirbt für das Konzept, das Monate später für bundesweite Empörung sorgt: „Nicht Aufnahmezentren heißt das Gebot der Stunde, sondern Ausreisezentren müssen geschaffen werden. Remigration für die Zehntausenden Geduldeten in NRW und die mehreren Hunderttausenden im gesamten Bundesgebiet. Auch dafür steht die AfD ein.“

Die Rede ist keine Ausnahme. Salinger benutzt eine Sprache, die auch innerhalb der AfD nicht jeder verwenden würde. Auf seiner Internetseite schreibt er, dass sich niemals in der bundesdeutschen Geschichte „Blockparteien“, Medien und Verbandsfunktionäre „totalitärer gebärdet“ hätten als zur Zeit der Corona-Maßnahmen. Und er schreibt, „Geschichtsklitterungen und Bilderstürmerei muss Einhalt geboten werden“. Ohne weiter auszuführen, wo er sein deutsches Geschichtsbild gefährdet sieht.

Auf „X“ (früher Twitter) nennt er das Putin-Interview des US-amerikanischen Verschwörungstheoretikers Tucker Carlson „sehenswert“ und teilt ein Interview Martin Sellners mit dem rechtsextremen österreichischen Sender „AUF1“, in dessen Untertitel das deutsche Recherchenetzwerk „Soros-Correctiv“ genannt wird. Dies ist eine Anspielung auf den jüdischen Philanthropen George Soros, der die Faktenchecks der Correctiv-Redaktion finanziell unterstützt hatte und immer wieder antisemitische Verschwörungserzählungen aus rechtsextremen Kreisen erdulden muss. Dazu schreibt Salinger: „Die AfD will Remigration. Alle illegalen und geduldeten Asylbewerber müssen Deutschland verlassen!“

Salingers Stellvertreter Schnappertz ist einer der AfDler, die zwar kein Problem mit Rechtsextremisten haben, sich aber um ein gemäßigteres Auftreten bemühen. Der Pressesprecher der AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hat sich im vergangenen Jahr sogar für die Teilnahme an einem Doku- und Diskussionsformat im ZDF entschieden und im Gespräch mit einem rechten Meinungsportal von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der dortigen Redaktion gesprochen.

Wer die beiden Sendungen unter dem Titel „Die Streitrepublik“ sieht, versteht Schnappertz‘ Zufriedenheit. Er diskutiert dort mit einem sehr DDR-nostalgischen AfD-Protestwähler aus Thüringen, dessen Nichtwähler-Tochter und seiner eigenen Mutter, die zwar nach wie vor die Grünen wählt, ihrem Sohn dafür aber noch recht wohlgesonnen ist. Ein dankbares Publikum.

Interessanter ist der Dokumentationsteil, der vor der Diskussion ausgestrahlt wurde. Dort ist die politisch zerrissene Familie des AfDlers zu sehen: Die Mutter, die sich auf ihrem 75. Geburtstag eine rechte politische Rede anhören muss („Ich bin kein linkes Schneeflöckchen, ich bin ein braver deutschnational-liberaler Hedonist“); die ebenfalls bei den Grünen aktive Schwester, die sagt, wie sehr ihr die politische Haltung ihres Bruders wehtue; und Kris Schnappertz selbst, der nach seiner Rede seine Mutter liebevoll auf die Wange küsst und sagt: „Ich hoffe, ich konnte ausdrücken, was du mir bedeutest. Vielen Dank für alles.“ Schnappertz betont wiederholt die Liebe zu seiner Familie, aber auch die zu seiner Nation und zum Volk – der erweiterten Familie. Den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke bezeichnet er zur Empörung seiner Mutter als Demokraten.

Bevor Schnappertz nach Düsseldorf zog, war er bereits in der Berliner AfD aktiv. Dort soll er zunächst für das Mitglied des Abgeordnetenhauses Hugh Bronson gearbeitet haben, der später wegen seiner Delegationsreisen auf die Krim und nach Russland in die Kritik geriet. 2019 war Schnappertz dann für die Logistik im EU-Wahlkampf der Berliner AfD zuständig.

All der gelebte interfamiliäre Dialog sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie klar das Freund-Feind-Schema beim AfD-Funktionär ausgeprägt ist. Die Grünen nennt Schnappertz im ZDF eine „totalitäre, in Teilen faschistoide Partei“, bei „X“ teilt er einen Beitrag, der die aktuellen Demos gegen rechts und die angebliche Opferrolle der AfD mit der Situation der deutschen Opposition 1933 in Verbindung bringt.

Der andere stellvertretende Kreisvorsitzende Kay Rohmann wählt ein ähnliches Vorgehen wie Schnappertz: Bemüht um einen gemäßigten Eindruck, beschreibt er sich auf seiner Internetseite als „Vater, Ehemann, Arzt“, erwähnt die eigene Praxis sowie Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz als seine thematischen Schwerpunkte.

Rohmann möchte 2025 in den Bundestag einziehen. Er befindet sich deshalb derzeit in einer Art persönlichem Vorwahlkampf und veröffentlichte in Sozialen Netzwerken zahlreiche Slogans und Erläuterungen. Mit diesen möchte er den späteren Parteitag überzeugen, ihn für Berlin zu nominieren. Er kritisiert die aktuelle Wirtschaftspolitik, fordert weniger Staat und weniger Steuern sowie den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation WHO. Ein Slogan dazu: „Es dauert nicht mehr lange, bis die WHO empfiehlt, die Grünen zu wählen. Erst freiwillig und dann verpflichtend.“

Auch bei ihm taucht immer die Migrationspolitik auf. „Die CDU steht für Abschiebungen in Wahlkampfreden, die AfD für Abschiebungen in die Heimatländer“, schreibt er dann, und: „Remigration ist nicht das Unwort des Jahres, sondern das Gebot der Stunde.“ Sätze, zu denen ein gemeinsames Foto Rohmanns mit Björn Höcke passt.

AfD-Kreisverband Düsseldorf
„Nur gemeinsam sind wir stark“: Der stellvertretende Düsseldorfer Parteichef Kay Romann (rechts) mit dem Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke

Mit Elmar Salinger, Kris Schnappertz und Kay Rohmann prägen nun andere Politiker die Düsseldorfer Kreispartei der AfD. Zuvor hatte jeweils ein Mitglied der Ratsfraktion den Vorsitz innegehabt, zunächst Uta Opelt, dann Wolf-Rüdiger Jörres. Sie sitzen gemeinsam mit Andrea Kraljic für die AfD im Stadtrat. In den etwas mehr als drei Jahren dieser Legislaturperiode ist für das Trio dreierlei charakteristisch: der Hang zum Nein, der Hang zur Provokation und die Freude an der Opferrolle.

Nein oder Enthaltung ist das typische Votum der AfD-Fraktion bei einem Großteil der Abstimmungen. Besonders deutlich vorgetragen wird es, wenn es um Klimaschutz, Zuschüsse für muslimische Vereine oder ein Mahnmal geht, das an die Menschen erinnert, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im Dritten Reich verfolgt wurden.

Anfragen und Anträge der Fraktion zielen auf Aufmerksamkeit und nicht auf Zustimmung. So hat die Fraktion beispielsweise gefordert, eine Regenbogenbank im Viertel hinter dem Hauptbahnhof aufzustellen. Damit verbunden war die Hoffnung, die Bank würde beschädigt und man könne so Menschen mit Migrationshintergrund oder muslimischen Glaubens dafür verantwortlich machen. Über den Gegenvorschlag, eine Bank vor der Parteigeschäftsstelle der AfD aufzustellen, freute sich Andrea Kraljic nach eigenen Angaben sogar. Eine Mehrheit gab es trotzdem nicht.  

Die Opferrolle nimmt vor allem die Fraktionsvorsitzende Uta Opelt gerne ein. Sie verbindet viele ihrer Reden mit Klagen darüber, wie die AfD und ihre Positionen ausgegrenzt werden. Gesichtsausdruck und Tonlagen erinnern in solchen Momenten an die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel. Uta Opelt hat zudem bereits gegen Oberbürgermeister Stephan Keller geklagt, weil eine Anfrage nicht zur Ratssitzung zugelassen wurde. Zwei Instanzen wiesen die Klage zurück.

Wolf-Rüdiger Jörres genießt die Schmähungen und Ablehnungen dagegen und bezeichnete sich im Stadtrat schon einmal ironisch als der „böse Mann von der AfD“. Vor mehr als zwei Jahrzehnten ist er in Bochum als Landtagskandidat der FDP angetreten, das erste politische Mandat erhielt er aber erst 2020 in Düsseldorf. Dort ist er mittlerweile auch Geschäftsführer der Ratsfraktion. Das heißt, Wolf-Rüdiger Jörres verdankt nun sein Einkommen der AfD und hat sich so noch enger an sie gebunden.

Andrea Kraljic erscheint vielschichtiger. Sie sucht im Rat mehr Anschluss zu den anderen Fraktionen, grüßt in alle Himmelsrichtungen, bleibt stehen in der Hoffnung, ein Gespräch zu beginnen. Sie engagiert sich für die Immermannstraße und gegen Drogenhandel auf dem Worringer Platz. Zudem kündigte sie in einer Ratssitzung an, eine Veranstaltung zum muslimischen Fastenbrechen besuchen zu wollen. Im Gegensatz zu dieser vermeintlichen Offenheit stehen Bilder, auf denen Andrea Kraljic für eine Kundgebung mit dem Titel „Schluss mit der grenzenlosen Migration“ wirbt. Auf dem Bild ist auch Elmar Salinger – rechts von ihr.

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