FDP: Bürgerlicher als die CDU – und sonst?

Die Liberalen im Düsseldorfer Stadtrat haben eine Strategie für die Kommunalwahl im nächsten Jahr, aber zugleich zwei Lücken: beim Führungspersonal und bei konkreten Inhalten.
Veröffentlicht am 19. August 2024
FDP-Fraktion Stadtrat Düsseldorf
Vier der acht Ratsmitglieder der Düsseldorfer FDP (von links): Manfred Neuenhaus, Mirko Rohloff, Ulf Montanus und Monika Lehmhaus.

In einem Jahr entscheiden die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, wer künftig im Stadtrat sitzt. Der Wahlkampf ist an manchen Stellen schon jetzt spürbar, richtig ernst wird es aber erst im Frühjahr 2025. Solange bleibt noch Zeit, wichtige Entscheidungen für die Stadt zu treffen. In dieser Serie beschäftige ich mich mit der Frage, was die Fraktionen noch umsetzen können, wollen und müssen. In den bisherigen Folgen habe ich CDU, Grüne und SPD analysiert, nun geht es um die FDP.

Den Kurs der Liberalen haben zwei Repräsentant:innen vorgegeben, die nicht oder bald nicht mehr an der Spitze stehen: Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat bei ihrem Abschied als Parteivorsitzende im März folgenden Satz gesagt: „Wir haben keine Freunde, es gibt nur uns.“ Und Noch-Fraktionschef Manfred Neuenhaus erklärte wenig später: „Wir sind nicht nur bereit, wieder Verantwortung zu übernehmen – wir brennen darauf.“

In den beiden Sätzen ist ein Konflikt versteckt. Die FDP will nach fünf Jahren in der Opposition im Düsseldorfer Stadtrat wieder Teil der Mehrheit werden. Das wird ihr nur an der Seite der CDU gelingen. Voraussichtlich werden die beiden dafür sogar noch einen dritten Partner brauchen. Das wäre nach jetzigem Stand wahrscheinlich die SPD, wie ich in dieser Geschichte beschrieben habe.

Der Satz von Marie-Agnes Strack-Zimmermann verdeutlicht, dass die Liberalen nicht wie in vergangenen Tagen als braver kleiner Koalitionspartner auftreten werden. Sie wollen sich ausdrücklich nicht von den Christdemokrat:innen vereinnahmen lassen und selbst größtmögliche Stärke erreichen.

Der Europawahlkampf hat gezeigt, was das praktisch bedeutet: Die FDP signalisierte bürgerlichen Wählerinnen und Wählern, dass sie die Alternative ist, wenn man mit der CDU unzufrieden ist. Das hat in Düsseldorf funktioniert. Die Liberalen verbesserten ihr Ergebnis um fast drei Prozentpunkte und landeten mit 11,2 Prozent merklich über dem Bundes-Ergebnis.

Bei der Bundestagwahl, die nächstes Jahr parallel zur Kommunalwahl stattfindet, wird dieser Ansatz voraussichtlich noch leichter. Der CDU-Vorsitzende und mögliche Kanzlerkandidat Friedrich Merz polarisiert auch im bürgerlichen Lager. Das erleichtert den Liberalen die Zielgruppen-Ansprache. In Düsseldorf werden sie sich vor allem bemühen, die CDU so nah wie möglich an deren heutigen Bündnispartner, die Grünen, heranzurücken.

Dann ist es einfacher, sich als bürgerliche Option zu präsentieren. Das führt allerdings zu zwei Problemen:

1. Mit diesem Ansatz stellt die FDP im Sinne des Strack-Zimmermann’schen Satzes ihrerseits sicher, dass sie keine Freunde hat. Je stärker sie eine Wähler:innen-Wanderung weg von der CDU bewirkt, desto nachtragender wird diese in anschließenden Koalitionsverhandlungen sein.

2. Bürgerlicher als die CDU zu sein ist ein Ansatz, aber nicht viel mehr. Den Liberalen fehlen bisher Programm und Gesichter. Sie braucht jemanden, der als OB-Kandidat:in antritt, und jemanden, der Nachfolger:in des Fraktionsvorsitzenden Manfred Neuenhaus wird. Dieser hat seinen Rückzug bereits angekündigt.

Führungspersonal

OB-Kandidat:in Aus meiner Sicht muss die FDP eine eigene Bewerbung für die Rathaus-Spitze vorlegen. Nur so untermauert sie ihren Anspruch, eine eigenständige politische Kraft zu sein. Mit einer Kandidatin oder einem Kandidaten stellt sie außerdem sicher, zu Diskussionsrunden, Interviews und ähnlichen Formaten eingeladen zu werden und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Als Favorit für die Kandidatur erscheint bisher Ratsherr Ulf Montanus. Der 63-Jährige wirkt wie eine Mischung aus Wim Thoelke und Hans-Joachim Kuhlenkampff. Er hat den Charme eines TV-Moderators alten Schlages und damit Aussicht auf Sympathiepunkte. Allerdings wäre er nach Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) und Fabian Zachel (SPD) der dritte Mann mehr oder minder mittleren Alters, der Oberbürgermeister werden möchte. Es wird schwierig, ihn in dieser Konkurrenz trennscharf zu profilieren.

Das könnte noch einmal Chancen für andere Liberale eröffnen. In Betracht kommt dabei insbesondere Ratsfrau Christine Rachner. Als angriffsfreudige Gesundheitspolitikerin wäre sie klar von den anderen zu unterschieden, auch von einer möglichen Grünen-OB-Kandidatin. Sie wiederum müsste aber merklich gewinnender und mitreißender werden, um an Wahlständen und auf Bühnen Menschen davon zu überzeugen, sie beziehungsweise ihre Partei zu wählen.

Fraktionsvorsitz Die acht FDP-Mitglieder des Stadtrats erscheinen ziemlich individuell. Jede und jeder hat seine Lieblingsthemen, die sie mit Vehemenz und dem von den anderen Fraktionsmitgliedern zugestandenen Freiraum vertreten. Folglich kämen alle oder keiner für den Posten an der Fraktionsspitze in Betracht. Jemanden, der einen Querschnitt durch die Fraktion abbildet, gibt es nicht.

Die besten Aussichten hat nach meiner Wahrnehmung Mirko Rohloff. Der 39-Jährige ist derzeit Stellvertreter von Manfred Neuenhaus. Er kennt Aufgaben und Abläufe, zudem hat er bereits geübt. Ende 2023 hielt er die Haushaltsrede seiner Fraktion. Unter anderem dort zeigte er, dass er zu auffallenden Thesen und Attacken mittlerer Güte in der Lage ist. Die Haltbarkeit seiner Argumente ist allerdings noch verbesserungswürdig.

Programm
So offen wie die personellen Fragen sind die inhaltlichen. Die Liberalen haben als Oppositions-Fraktion einen ordentlichen Job gemacht. Aber so berechtigt die Kritik an Schwarz-Grün an vielen Stellen sein mag, sie ist noch kein Programm. Aus den Reden und Anträgen lässt sich bisher eher vage erkenne, was die Wählerinnen und Wähler für ihr Kreuz bekommen.

Verkehr In diesem Ressort haben die Liberalen gleich mehrere Lieblings-Schwerpunkte. Zusammenfassen kann man es so: Gäbe es einen Freundeskreis der Verkehrswende, würde die FDP wohl keinen Vorstandsposten übernehmen. Vor dem Hauptbahnhof wollte sie so viele Parkplätze wie möglich erhalten. An den Radleitrouten ist sie ebenfalls für das Bewahren von Abstellflächen. Zur Verteidigung des Autofahrens ziehen die Liberalen mit erstaunlicher Leidenschaft eine fiktive Kindergärtnerin (bisweilen auch Krankenschwester) heran, die aus einer Nachbarkommune zur Arbeit nach Düsseldorf kommt und dies ohne Pkw nicht schafft. Weitere Inspiration in dieser Hinsicht könnte das Pro-Auto-Programm liefern, das gerade auf Bundesebene veröffentlicht wurde.

Als zweitliebste Verkehrsteilnehmer:innen hat die Düsseldorfer Fraktion die Zufußgehenden für sich entdeckt. Da ist zwar eine große Zielgruppe, aber dass man für sie gewinnbringend mehr vorschlagen kann als den inzwischen geschaffenen Posten der Fußgängerbeauftragten, sehe ich nicht.

Oper Manfred Neuenhaus hat als Vorsitzender des Kulturausschusses maßgeblich daran mitgewirkt, dass ein neues Opernhaus gebaut wird und dass es nun am Wehrhahn entsteht. Das dürfte dem eigenen Klientel gefallen. Allerdings ist das Vorhaben noch stärker mit Oberbürgermeister Stephan Keller verbunden. Wer also für eine neue Oper war, wird im Zweifel CDU statt FDP wählen.

Haushalt Die Liberalen haben sich lange als Hüter der Schuldenfreiheit präsentiert und nach deren Verschwinden als Vorreiter für den Weg zurück. Mirko Rohloff hat in der erwähnten Haushaltsrede einige Beispiele genannt, wo die Stadt seiner Meinung nach zu viel Geld ausgibt. Dazu zählen für ihn der Umbau des Ratssaals, der hohe Standard beim Schulbau oder das Aufstellen neuer öffentlicher Toiletten für fast 50 Millionen Euro.

Argumentativ erscheinen Finanzfragen dennoch herausfordernd. Die FDP hat schließlich für den teuren Opern-Neubau gestimmt und einige für Marktwirtschafts-Fans überraschende Ausgaben-Vorschläge gemacht, zum Beispiel fürs Brauchtum oder die Wohlfahrtsverbände.

Digitalisierung Die FDP hat für dieses Thema viel Kompetenz in ihren Reihen und kann nachvollziehbar erklären, was in der Praxis gebraucht wird. Der neue Beigeordnete für Digitalisierung, der Stephan-Keller-Vertraute Olaf Wagner, hat allerdings einen sehr guten Start hingelegt und den Liberalen im Moment wenig Möglichkeiten übriggelassen zu klagen und zu fordern.

Klimaschutz Kein klassisches Feld für die Fraktion, aber eines, das einen bürgerlichen Ansatz ermöglicht. Die FDP kritisiert, dass der 60-Millionen-Etat für den Klimaschutz bisher vielfach für kleine Projekte mit kleiner Wirkung verwendet wurde. Sie möchte mehr Gewicht auf die energetische Gebäudesanierung legen. Das Thema beschäftigt auch viele Immobilien-Eigentümer:innen. Sie wären für Vorschläge, wie man Förderprogramme passend und schnell umsetzt, empfänglich.

Fazit
Soweit Protagonist:innen und Programm der Düsseldorfer FDP für 2025 schon erkennbar sind, sieht man eine erstaunliche Mischung: Auto und Klimaschutz, Oper und Digitalisierung. Die Liberalen verbinden konservative und moderne Ziele – auch ein Weg, um in der Mitte herauszukommen.

Mehr VierNull-Geschichten zur FDP Düsseldorf

Die FDP in Düsseldorf wird wieder langweilig

Wie viele Spenden die Düsseldorfer Parteien bekommen

Was ein Abschied von Strack-Zimmermann für die Düsseldorfer FDP bedeutet


Lust auf weitere Geschichten?