Wo es in Düsseldorf nachhaltige Mode gibt

Der Düsseldorfer Ausschuss für Wirtschaftsförderung hat in seiner letzten Sitzung einen Beschluss zur nachhaltigen Mode gefasst. Danach soll die Stadtverwaltung ein Konzept erarbeiten, wie dieses Segment stärker berücksichtigt werden und ob ein „Nachhaltigkeits-Award“ dabei helfen kann. Das klingt ehrenwert, aber auch nach dem dritten Schritt vor dem ersten. Wie es um die nachhaltige Mode steht und was ihr hilft, möchte ich in zwei Artikeln erörtern. Im ersten Teil stelle ich all jene Geschäfte und Unternehmen vor, die ich bei meiner Recherche kennengelernt habe. In der zweiten Geschichte geht es dann darum, wie die Szene passend gefördert werden könnte.
Circlestances
Bei dem Unternehmen mit Sitz in Erkrath sollte man erst auf den Namen und dann gleich auf die Motive achten. Der Name Circlestances setzt sich aus Teilen von circle of life (Kreislauf des Lebens) und circumstances (Umstände) zusammen. Auf den Shirts, Sweater und Hoodies der Marke sind unter anderem Nashörner, Flamingos und Wale zu sehen, die nicht mehr vollständig sind, deren Teile wegfliegen. Der Kreislauf des Lebens ist gestört. Nachhaltige Mode ist ein Weg, das zu ändern. Deshalb ist das Logo von Circlestances ein Löwe, der als einziges Tier nicht auseinanderfliegt.
Philipp Henschel, einer der Gründer von Circlestances, hat 2018 seine Bachelorarbeit über nachhaltige Mode geschrieben und dabei gelernt, wie relativ leicht der Einstieg in dieses Segment ist, die große Herausforderung aber in der Lieferkette liegt. An den Stücken von Circlestances ist ein QR-Code zu finden, über den man lernt, dass das Unternehmen die Herausforderung gemeistert hat. Zur Bio-Baumwolle, den Farben, den Fäden gibt es Informationen über Entstehung, Verarbeitung, Transport und deren Umstände.
Circlestances hat in der Türkei Partner*innen gefunden, mit denen die jetzige Kollektion entstanden ist und mit denen sich die Erkrather das sehr hochrangige GOTS-Zertifikat (Global Organic Textile Standard) erarbeitet haben. Die Kleidung wird klimaneutral an die Kund*innen verschickt, Circlestances investiert dazu in Bäume. Ein Euro vom Kaufpreis geht zudem in eine Löwen-Patenschaft. Die Kleidung ist über die Internetseite des Unternehmens erhältlich sowie inzwischen schon in zehn Läden in Deutschland und der Schweiz.
Roberta
Und nochmal derselbe Fehler. Erst dachte ich, es gebe so gut wie keine Unternehmen für nachhaltige Mode in Düsseldorf. Das war falsch. Dann dachte ich, wenn jemand ein Geschäft nur für Slow Fashion führt, dann gibt es da vielleicht ein halbes Dutzend Marken. Daniela Perak hat mich mit ihrem Laden „Roberta“ klüger gemacht. Die Liste der Labels, die bei ihr für Frauen, Männer und Kinder erhältlich sind, ist lang. Und die Möglichkeiten, nachhaltig zu arbeiten, endet nicht bei den Kleidungsstücken. Das ist auch bei Schmuck, Taschen und Kosmetik möglich.
Daniela Perak bietet das Gegenteil von Fast Fashion. Vom Design bis ins Geschäft braucht die Kleidung nicht wie meist üblich wenige Wochen, sondern ein halbes Jahr. Folglich waren auch die zwischenzeitlichen Unterbrechungen der Lieferkette in der Pandemie kein echtes Problem. Nachhaltig bedeutet für die Unternehmerin öko und fair, also gesunde Materialien und gute Arbeitsbedingungen. Nur zusammen habe es Sinn.
Und ganz wichtig: Die Ergebnisse widerlegen jedes Vorurteil, das vielleicht mal über Öko-Mode bestanden hat. Kein Wallewalle, sondern genauso stylish wie langlebig.
Roberta, Nordstraße 71, geöffnet: montags bis freitags 10 bis 19, samstags 10 bis 16 Uhr, www.roberta-thestore.com
Wunderwerk
Heiko Wunder ist so etwas wie der Jedi-Meister unter den Vertreter*innen der nachhaltigen Mode. Er beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit den vielen Facetten von Nachhaltigkeit und kann deshalb über diverse Aspekte längere Monologe halten. Macht er auch. Es geht bei ihm um Mode, aber auch um Lebensmittel, Deos und Zahnpasta oder plastikfreie Verpackung. Dieses umfassende Wissen steckt in einem Label, das inzwischen fünf eigene Geschäfte hat: an der Ackerstraße in Düsseldorf, zweimal in Berlin sowie in Frankfurt und auf Sylt.
Die Kund*innen können dort Jacken und Mäntel, Oberteile und Beinkleider kaufen. Besondere Aufmerksamkeit im Angebot bekommen die Jeans. Sie sind ein sehr gutes Beispiel für den umfassenden Ansatz von Heiko Wunder. Bei üblichen Jeans werden 40 bis 160 Liter Wasser für die Waschung ge- und verbraucht. Bei den Wunderwerk-Jeans sind es 0,7 bis 10 Liter – und ohne dass giftige Chemikalien den Wasser verschmutzen.
Auch bei den Tieren, aus deren Wolle die Strick-Stücke der Düsseldorfer entstehen, achtet Heiko Wunder auf den ganzen Weg. Angora-Rupfen oder Verfahren, bei denen Schafe Schmerzen erleiden, schließt er aus. Das gilt übrigens auch für recycelte Baumwolle – weil diese häufig stärker belastet ist und enorme Energie erforderlich ist, um sie wiederherzustellen.
Wunderwerk, Ackerstraße 133, geöffnet: montags bis freitags 11 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 18 Uhr, www.wunderwerk.com
Cano
Beschäftigt man sich mit den Schuhen des Labels Cano, fällt als erstes auf, wie die Düsseldorfer über ihre Partner*innen in Mexiko sprechen. Sie sagen Kunsthandwerker oder Artisans und erzählen mit großem Respekt von deren Arbeit und viel Offenheit von Löhnen, Gleichberechtigung und Arbeitszeiten. Diese Wertschätzung setzt Cano in der umweltfreundlichen Produktion und durch den Ausgleich ihrer Kohlenstoff-Emissionen fort.
Angefangen hat all das mit einem Auslandssemester von Philipp Mayer 2014 in Mexiko. Er war begeistert von den Huarache-Ledersandalen, stellte nach seiner Rückkehr nach Deutschland aber fest, dass es hier solche Schuhe nicht gibt. Mit Schulfreund Lukas Pünder gründet er ein Unternehmen, um mexikanische Handwerkskunst für den Fuß hierher zu holen. Auf der nächsten Reise durch Mexiko lernten sie Partner*innen kennen, mit den ersten 50 Paar Schuhen machten sie auch die Erfahrung, was alles schief gehen kann.
Inzwischen gibt es Sandalen, Lederschuhe und Stiefel von Cano, erhältlich auf der Internetseite der Oberbilker und in fünf Ländern: in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und den USA. Um sicher zu sein, die ökologisch und ethisch bestmögliche Lieferkette zu haben, ist aus Cano ein zweites Unternehmen erwachsen. Von dem wollen wir hier jetzt auch erzählen.
Retraced
Für ihre Schuhmarke Cano haben Philipp Mayer und Lukas Pünder eine App entwickelt, dank der man genau sehen konnte, wo der Schuh geflochten wurde und wo die Materialien herkamen. Für die App gab es erst gutes Feedback und dann die Frage, ob das auch andere nutzen könnten. So entstand eine Plattform, über die Mode-Unternehmen ihre Lieferkette transparent machen und kommunizieren können, so entstand Retraced (deutsch: zurückverfolgt).
Im Programm gibt es eine Reihe von Symbolen (Batches), die jeweils für einen Aspekt von Nachhaltigkeit stehen, zum Beispiel ökologische Materialien, faire Arbeitsbedingungen oder umweltfreundliche Lieferungen. Nutzt eine Firma Retraced und legt sie ein zum Nachhaltigkeits-Aspekt passenden Beweis (Zertifikat oder ähnliches) vor, überprüfen die Düsseldorfer dies in den Datenbanken der Zertifikat-Vergeber. Ist alles korrekt, wird das entsprechende Symbol freigeschaltet. Und so entsteht erstens echtes Wissen über die Lieferkette und im Idealfall zweitens aus diesem Bewusstsein das Streben nach immer besseren Teilen in der Kette.
Nachhaltigen Mode-Start-ups hilft Retraced folglich enorm, so ist etwa der hier erwähnte QR-Code von Circlestances mit dem Programm verbunden. Darüber hinaus gibt es mittlerweile auch Interesse von großen Unternehmen, die sich mit ihren Lieferketten beschäftigen und in ihren Regalen künftig mehr echte Nachhaltigkeit haben möchten.
Repair Rebels
Monika Hauck kümmert sich auch auf viele Weisen um nachhaltige Mode: als promovierte Dozentin an der Privaten Hochschule für Wirtschaft und Management WHU, als Botschafterin der nicht-kommerziellen Organisation „Fashion Revolution“ und als Unternehmerin. Eine ihrer Gründungen heißt Repair Rebels und möchte dafür sorgen, dass Kleidung länger am Leben bleibt.
Kund*innen wählen auf der Internetseite des Unternehmens die passende Reparatur und packen das Kleidungsstück in einen Karton. Ein Kurier holt es ab und bringt es zu Düsseldorfer Schneider*innen oder Schuhmacher*innen. Die brauchen ein bis zwei Wochen, dann kommen der Karton und das reparierte Kleidungsstück wieder nach Hause. So hält Mode länger, die CO2-Emmissionen sinken mangels Neuproduktion und dem lokalen Handwerk wird auch noch geholfen.
Change Room
Die zweite Gründung von Monika Hauck ist Change Room. Das heißt übersetzt Umkleidekabine, meint im übertragenen Sinne also einen Ort, an dem sich etwas verändert. Der Düsseldorfer „Change Room“ möchte allen, die sich mit nachhaltiger Mode und dazugehörigen Ideen beschäftigen, eine Plattform bieten. Sie sollen sich kennenlernen, austauschen und verbinden, an speziellen Abenden, in so genannten Camps und in Digitalveranstaltungen. „Change Room“ bietet Start-ups und Einzelkämpfer*innen an, sie zu unterstützen, und großen Firmen, neue Ideen und Wege kennenzulernen.