Wie ein Düsseldorfer Start-up Schminke an den Mann bringen möchte

Zwei Wirtschafts-Studenten der Heinrich-Heine-Universität befinden sich auf einer schwierigen Mission: Sie wollen Make-up männlich machen. Dazu haben sie ihre eigene Marke entworfen.
Veröffentlicht am 8. November 2023
MaleUp
Ein Mann schminkt sich. Noch ein eher seltener Anblick. Aber das könnte sich ändern, glauben zwei Unternehmer aus Düsseldorf. Foto: maleup

Schminken Sie sich? Ihre Antwort müsste eigentlich vor allem davon abhängen, ob Sie es lieber natürlich oder makellos mögen. Doch so ist es in Wirklichkeit nicht. Im Grunde geht es doch vor allem darum, ob Sie Mann oder Frau sind. Frauen schminken sich, Männer eher nicht. So war es immer schon. Aber warum? Das fragten sich auch Esad Alper und Joel Selzener, zwei Wirtschaftsstudenten aus Düsseldorf. Und entwickelten „MaleUp“, eine Make-up-Marke speziell für Männer.

Die Entstehungsgeschichte ist von klischeehafter Männlichkeit. Denn Esad Alper kickboxt in seiner Freizeit. Da bleibt mitunter ein blaues Auge nicht aus. „Ganz normal, passiert halt“, sagt er. Nur doof, wenn am nächsten Tag ein wichtiger Termin ansteht. Als es Alper einmal so ergeht, hilft ihm seine Cousine, das blaue Auge zu überdecken. Danach sieht er wieder vorzeigbar aus, hat aber diese neue Frage und damit eine Idee im Kopf: Warum gibt es so ein Mittelchen eigentlich nicht auch für Männer?

Der Handel mit dekorativer Kosmetik boomt seit Jahren. Allein 2022 erreichte die Branche in Deutschland einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro. Und es ist auch nicht mehr so, dass sich Männer generell nicht schminken. Zumindest gilt das für die Generation von Esad Alper, 24, und Joel Selzener, 23 Jahre alt. Und trotzdem scheinen die beiden Studenten mit ihrer Idee in eine Nische gestoßen zu sein.

Alper und Selzener sind beide in Essen aufgewachsen, lernen einander im Wirtschaftsstudium kennen. Sie fliegen gemeinsam ins Auslandssemester nach Australien. Dort seien „Freundschaft und Gründerspirit“ gewachsen, erzählt Selzener. Nach der Uni treffen sie sich regelmäßig, um über Geschäftsideen zu sprechen. Erst in Essen, dann als Master-Studenten in Düsseldorf. Sie digitalisieren Speisekarten für Restaurants, bauen Websites, betreiben einen kleinen Onlineshop. Bis zu dem Tag nach dem folgenreichen Kickboxtraining. Selzener springt sofort auf die Make-up-Idee an. Kämpfte er doch selbst mit Hautunreinheiten und hat immer eher verschämt den Abdeckstift seiner Mutter genutzt. „Da will man als Mann doch sein eigenes Produkt haben“, sagt er.

Die Idee von Selzener und Alper hat mehrere Aspekte. Da ist zunächst die spezielle Anwendung. Ihre Abdeckcreme – das einzige Produkt, was sie bislang entwickelt haben – sei genau auf Männerhaut abgestimmt. Und die sei nun einmal anders als Frauenhaut, in der Regel dicker. Das sei nicht wegzudiskutieren, sagen die Gründer. Zudem fehle Männern oft das Basiswissen von Kosmetik. Ihr Konzept mit zwei Mischfarben sei gewissermaßen niedrigschwelliger und erleichtere es dem Mann, die richtige Hautfarbe zu treffen. Hinzukommt das „Branding“, das Kreieren der Marke. Mit dem Ziel, Männer zu erreichen, die bislang keine Kosmetik kaufen.

An diesem Punkt wird ein scheinbar simples Produkt kompliziert. Und das, so vermuten es Alper und Selzener, sei auch der Grund, warum die großen Kosmetikkonzerne sich an diese Nische noch nicht herangetraut haben. „Man kann sich sehr schnell einen Shitstorm einhandeln“, erläutert Alper. Eigentlich profitiert das Konzept von „MaleUp“ vom gesellschaftlichen Wandel. Männer, die sich schminken, sind deutlich akzeptierter als noch vor 20 Jahren. Doch mit dem Wandel wurde alles auch ein wenig schwieriger. Eigene Männermarken hätten es da schwer, sagt Alper. Auf der einen Seite bleibe die grundsätzliche Ablehnung („Männer schminken sich nicht!“), auf der anderen herrsche die Meinung, dass Männer sich zwar schminken können sollten, dafür aber kein eigenes Produkt bräuchten. Kommunikation sei da sehr wichtig. „Was wir gar nicht wollen ist, noch mehr toxische Männlichkeit zu fördern.“ Und vor allem nicht, dass man in ihrem Produkt ein Symbol für jene übergriffig abgrenzende männliche Haltung sieht.

Nach der Idee begann die Arbeit. Denn wie die meisten anderen Männer haben auch Alper und Selzener am Anfang so gar keine Ahnung von Kosmetik. „Wir haben uns das alles krass beigebracht“, sagt Selzener. Sie lesen Studien, hören Podcasts, treffen sich mit Hausärzten und entwickeln schließlich ihr Produkt. „Wir haben insgesamt 30 Farben hin- und hergeschickt, bis es gestimmt hat“, sagt Selzener. Statt zur Vorlesung in die Uni zu gehen, treffen sie sich in dieser Zeit häufig mit Produzenten. Am Anfang finanzieren sie das alles selbst, mittlerweile gebe es einen Investor, „der ein bisschen Geld gegeben hat“. Die ersten 500 Stück ihrer Abdeckcreme sind schnell ausverkauft. Im Dezember soll es dann mit größeren Mengen richtig losgehen.

Ob sie mit ihrem Konzept ankommen, habe auch viel mit Authentizität zu tun, betonen Alper und Selzener. Die beiden sind selbst Teil ihrer Zielgruppe. Sie sehen aus, wie junge hippe Wirtschaftsstudenten eben aussehen. Und sie parlieren flüssig von „Skills“ (Fähigkeiten), „Packaging“ (Verpackung) und „Challenges“ (Herausforderungen). Vor allem, so sagen beide, sei es wichtig, dass sie den potenziellen Kunden sympathisch sind.

Um ihre Marke bekannt zu machen, nutzen die Studenten jede Möglichkeit. Sie treten im Fernsehen auf, geben Interviews und sind vor allem in den Sozialen Medien aktiv. Bei TikTok wurden ihre Beiträge millionenfach aufgerufen. Es ist eine Mischung, mit der die Zielgruppe anvisiert und erreicht erreicht werden soll: Männer zwischen 18 und 40. „Aufmerksamkeit ist bis zu einem gewissen Punkt planbar“, sagt Selzener.

Das Unternehmen hat schon jetzt Potenzial zum Vollzeitjob für die beiden Gründer, die sich noch um das allermeiste selbst kümmern. Doch erst einmal müssen die Masterarbeiten geschrieben werden. Beide beschäftigen sich darin mit Themen aus dem Start-Up-Bereich, können ihre Erkenntnisse also gleich für das Unternehmen nutzen. Wenn sie in ein paar Monaten mit dem Studium fertig sind, wollen sie alles daransetzen, möglichst schnell von ihrer Idee leben zu können. „Wir haben, glaube ich, ein supergeiles Produkt geschaffen“, findet Selzener.

Die Abdeckcreme soll nur der Anfang sein. „In den nächsten fünf, sechs Jahren wollen wir die Männer-Make-up-Marke in Deutschland werden“, sagt Alper. „Wer an Make-up denkt, soll an MaleUp denken.“ Ideen für weitere Produkte gibt es jetzt schon. „Das Ding wird groß gemacht. Das ist unser Baby“, sagt Alper. Er habe ein langfristiges Gesamtkonzept im Sinn, um „den Mann noch selbstbewusster zu machen“.

Also alles Männersache? Ganz so sei das nicht gedacht, schränkt Selzener ein. „Unser langfristiges Ziel ist es, Make-up genderneutral zu machen; es ist ja gerade nicht genderneutral, sondern sehr weiblich dominiert.“ Erstes Ziel: Männer abholen. Zweites Ziel: die beiden Welten zusammenführen. Das Produkt mag zwar nur ein bisschen Farbe in einem Metallkästchen sein. Doch die Herausforderung ist groß.


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