Schüßler-Plan: Düsseldorfs großer Bau-Meister

Der Name klingt unaufgeregt. Schüßler-Plan. Das passt zum Metier und den Menschen, die dort arbeiten, hauptsächlich Ingenieure und andere Techniker. Die neigen meist nicht zu blumigen Formulierungen, beherrschen im Idealfall ihren Job, aber selten die Außendarstellung. Weil das für sie in der Regel keine Rolle spielt. Sie messen sich am Ergebnis, und das hat zu stimmen. Offenbar gelingt ihnen das, und zwar schon sehr lange.
So haben es das Unternehmen und die damit verbundene Familie zu viel Umsatz und Wohlstand gebracht. Und zu politischem Einfluss. In meinem Bericht über Streitigkeiten innerhalb der Familie Erwin tauchte der Name zwangsläufig auf, weil Hille Erwin eine geborene Schüßler ist. Die Landtagsabgeordnete Angela Erwin und ihr Bruder Markus sind die Enkelkinder des Gründers von Schüßler Plan.
Letzterer erhob in einem Facebook-Post schwere Vorwürfe gegen Mutter und Schwester, unter anderem ging es um Steuerhinterziehung. Er beschrieb, wie die Familie regelmäßig in die Schweiz fuhr, dort Geld von der Bank holte und für Luxus-Gegenstände ausgab. „All dieser Schmuck und die Uhren, die meine Schwester so zahlreich und stolz bei festlichen Anlässen getragen hat und es noch heute tut, wurden so bezahlt. Unversteuert, allesamt“, schrieb Markus Erwin. Er ließ offen, von welcher Seite das Geld kam, erwähnte nur einmal seinen Großvater – gemeint war Willi Schüßler.
Durch die Reaktionen auf meinen Bericht wurde mir klar, dass vielen der Name Schüßler heute nicht mehr geläufig ist und sie die Zusammenhänge nicht kennen. Deshalb stelle ich in dieser Geschichte die Beteiligten vor und erläutere, warum die Firma bei weitem nicht so langweilig ist, wie ihr Name klingt.
Als ich vor etlichen Jahren den damaligen Chef und Gründer Willi Schüßler zum Interview traf, ging ich voller Neugier in dieses Gespräch. Mir war bekannt, in welche Projekte die Firma involviert war, ich hatte aber keine Vorstellung von dem, was sie dort konkret tat. Ich wusste nur, dass sie nicht selbst baut.
Willi Schüßler, damals schon über 80, fasste die Arbeit seiner Leute dann in einem Satz zusammen: „Wir sorgen dafür, dass das nicht einfällt, was den Architekten so einfällt.“ Dabei grinste mich der Mann freundlich an. Sein Sohn Norbert saß daneben, gesprochen hat aber durchweg der Senior. „Wow, ein Patriarch wie im Bilderbuch“, dachte ich. Die Überschrift zum Porträt über den Senior lautete damals „Big Willi“.
Dieser „Big Willi“ gründete die Firma 1958 am heimischen Küchentisch in Düsseldorf-Rath. Schnell wuchs sie zum Top-Anbieter einer Dienstleistung, von der die meisten Menschen nicht ahnen, dass es sie gibt: Schüssler kontrolliert Baupläne auf Umsetzbarkeit, beispielsweise bei der Statik. Zugleich ermittelt man die Kosten und kontrolliert so, ob die Preise eines Projekts richtig kalkuliert sind. Während des Baus ist man permanent eingebunden und überwacht Sicherheit, Technik, Statik und Wirtschaftlichkeit.
Natürlich reden wir hier nicht über Einfamilienhäuser, sondern über komplexe Bauvorhaben. Das jüngste Beispiel ist die am 1. August eröffnete Oderbrücke bei Küstrin-Kietz. Im Hintergrund: Schüßler-Plan, denn Brücken zählen zu den Spezialitäten des Hauses. Es gibt auch prominente Beispiele. Nach langer Suche meldete der von Pannen während der Bauzeit gebeutelte Hauptstadtflughafen BER im Jahr 2015, man habe einen neuen Generalplaner gefunden. Flughafensprecher Ralf Kunkel bestätigte, dass Schüßler die restlichen Planungen koordinieren würde. Und so geschah es.
In Düsseldorf selbst war das Unternehmen unter anderem am Bau des Rheinufer-Tunnels, der Flughafenbrücke, des Kö-Bogens, der Arena und der Düsseldorf Arcaden beteiligt. Zudem baute man an den Flughäfen Frankfurt und München oder kümmerte sich um Brücken im Ausland. Die Liste ließe sich problemlos eindrucksvoll verlängern.

Die Präsenz am hiesigen Markt war bis 1999 kein Thema. Damals wurde Joachim Erwin (CDU) Oberbürgermeister. Dessen Bindung an Schüßler war wegen seiner Frau Hille sehr eng. Es dauerte nicht lange, bis erste Vermutungen nach grenzwertiger Vermengung persönlicher und politischer Interessen auftauchten. Mehrere Journalisten-Teams recherchierten, in Teilen über Wochen und Monate, doch ohne Erfolg. Aufgetaucht ist nichts, bis auf die im Wahlkampf schon veröffentlichte Tatsache, dass Schüßler dem Schwiegersohn finanziell unter die Arme gegriffen hatte. Ähnliches meldete die politische Konkurrenz. Vertreter der SPD erklärten, schon in den Jahren vor Erwin habe man mit der Firma zusammengearbeitet, weil sie schlicht im Sektor Großbauten beste Leistungen bot.
Sicher ist allerdings auch, dass die Nähe zum Rathaus-Chef dem Unternehmen nicht geschadet hat. Dass man die jedenfalls zu nutzen wusste, wurde mir an einem Tag Anfang der 2000er Jahre zufällig bewusst: Als ich seinerzeit bei meinem Nachbarn, dem damaligen Sterne-Restaurant „Hummer-Stübchen“ vorbei ging, sah ich drinnen Joachim Erwin sitzen – mit zwei für mich nicht erkennbaren Männern, da sie mir den Rücken zukehrten. Also ging ich rein, und erkannte die beiden: Der eine war der damalige Rheinbahn-Chef, der andere war Norbert Schüßler, Sohn des Firmengründers und Erwins Schwager. Am Blick des Oberbürgermeisters konnte ich erkennen, wie wenig begeistert er war, mich dort zu sehen. Was sie besprochen hatten, habe ich nie erfahren. Aber dass es ausschließlich um die Qualität des Hummers Thermidor ging, nehme ich nicht an.
Heute hat Schüßler 22 Niederlassungen und beschäftigt rund 1200 Leute. Willi Schüßler ist 2016 im Alter von 87 Jahren gestorben. Sohn Norbert übernahm damals die Führung und gab seine Anteile 2023 an seine Tochter Christina Maria Zimmermann weiter.
Norbert Schüßler tauchte jüngst noch in einer anderen VierNull-Geschichte auf: auf Platz sieben der Düsseldorfer Großspender an Parteien. Nach den Recherchen meines Kollegen Marc Latsch hat er 64.622 Euro an die CDU überwiesen.