Konkurrenz für Düsseldorf: Duisburg lockt mit niedriger Gewerbesteuer

Die Nachbarstadt wird künftig geringere Abgaben von Unternehmen verlangen. Damit nimmt sie zwar weniger Geld ein, wird aber für Firmen attraktiver, wenn sie umziehen oder wachsen.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 13. Dezember 2023
Ortsausgangsschild DŸsseldorf
Stadtgrenze Düsseldorf - Duisburg. Die Städte sind sich nahe, aber höchst unterschiedlich. Vor allem bei der Finanzkraft.

Mal ehrlich – wissen Sie, wo Ehingen oder Ungelsheim liegen? Wenn ja, kennen Sie sich im Düsseldorfer Norden gut aus. Wenn nicht, gehören Sie vermutlich zu einer Mehrheit. Beides sind Stadtteile von Duisburg, sie gehören zu den südlichen Gebieten unseres Nachbarn und grenzen an eines der begehrten Wohnviertel der Landeshauptstadt: Wittlaer. Getrennt nur durch ein paar hundert Meter, in der Optik, Umgebung und Wohnqualität einander ähnlich – und dennoch liegen Welten dazwischen: Hier die Vorwahl 0211, dort 0203, hier das D auf dem Kennzeichen, dort DU. Das hat Folgen, vor allem bei den Immobilienpreisen.

Für viele Düsseldorfer ist Duisburg, trotz enger Partnerschaft bei Oper und Straßenbahnen, so etwas wie die arme Verwandtschaft nebenan – gebeutelt vom Strukturwandel, hoch verschuldet. Bilder wie die großen Demos 1988, als tausende Stahlwerker auf die Straße gingen und verzweifelt, dennoch vergebens um ihre Jobs kämpften, haben sich ins Gedächtnis gebrannt. Duisburgs wichtigste Einkaufsstraße führt auch den König im Namen, aber da sitzen ein dm-Markt, Foot Locker und Kentucky Fried Chicken. Niemals kämen Kö-Läden wie Prada oder Dior auf die Idee, dort eine Filiale zu eröffnen. Dass es in Duisburg den größten Binnenhafen Europas gibt, ist in Düsseldorf vermutlich weitgehend unbekannt. Man könnte es auch so sagen: Unausgesprochen schwingt ein bisschen Arroganz mit, wenn D über DU spricht.

Das jedoch könnte sich demnächst ändern. Denn weitgehend unbemerkt hat sich die frühere Stahlstadt in jüngster Zeit wirtschaftlich weiterentwickelt. Der hochverschuldeten Kommune ist es gelungen, rund 800 Millionen Verbindlichkeiten zu tilgen. Sie sieht derart optimistisch nach vorn, dass sie nun einen Schritt wagt, der im Revier für Aufsehen sorgt: Sie will ihre Gewerbesteuer auf einen Satz unter 500 drücken, wenn auch knapp: 495 soll er bald betragen.

Diese Zahl zu erklären, bringt sogar Experten an die Grenzen ihrer Kommunikationsfähigkeit. Daher nur soviel: Sie ist ein Schlüssel, nach dem berechnet wird, was eine Firma pro Jahr an die Kommune zu zahlen hat. Je niedriger der Hebesatz, umso geringer die Zahlung. Diese Steuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Städte, und sie wird oft nach oben geschraubt, wenn die öffentliche Kasse klamm ist. Für an- oder umsiedelungswillige Firmen spielt sie eine große Rolle.

Nun also die Senkung. In einer Stellungnahme der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Duisburg Business Innovation“ (DBI) heißt es: „Die erneute Entlastungsmaßnahme der Stadt soll Anreize für bestehende und neue Unternehmen am Standort schaffen.“ Mit anderen Worten: Wer schon da ist, wird entlastet, und wer – wo auch immer – einen neuen Standort sucht, findet es womöglich interessant, künftig unter Duisburg zu firmieren. Es wird zwar nicht so gesagt, aber die Botschaft geht klar auch an Firmen in der Landeshauptstadt: Seht her, wir sind zwar immer noch teurer als Düsseldorf (dort liegt der Hebesatz bei 440 Punkten), aber wenn ihr mehr Platz braucht und in der Landeshauptstadt nicht oder nicht zum erhofften Preis findet, dann orientiert euch doch mal in unsere Richtung.

Bezogen auf die anderen, durchweg wenig finanzstarken Kommunen im Revier ist dieser Schritt heikel. Auf keinen Fall will man in Duisburg den Eindruck erwecken, unsolidarisch zu sein und zu Lasten von Mülheim, Herne, Oberhausen oder Gelsenkirchen mehr Geld einzunehmen. Aber dennoch wird die Stadt, die Horst Schimanski einst berühmt machte, nun attraktiver und hofft auf Rückenwind für wirtschaftlich bessere Zeiten.

Vor allem will man sich auch nicht dem Vorwurf aussetzen, den sich Düsseldorfs Nachbar im Süden, Monheim, immer wieder anhören muss. Die „dreisteste Steueroase Deutschlands“ (Handelsblatt) hat ihre Gewerbesteuer drastisch auf 250 Punkte gesenkt und damit sehr viel Geld verdient. Sie gilt heute als eine der wohlhabenden Städte des Landes. Dafür gibt es allerdings auch Häuser mit sehr vielen Briefkästen – offenbar Niederlassungen von Unternehmen, die pro forma ihren Sitz dort haben, in Wahrheit aber woanders produzieren. Das Modell Monheim wird naheliegenderweise von anderen Kommunen stark kritisiert und fast als Schmarotzertum beschimpft. Aber es funktioniert, jedenfalls noch.


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