Gehry-Bauten im Niedergang

Eine Baustellen-Tour, die ich nicht vergessen habe: Es ist ein Tag im Jahr 1997. Die Gegend nicht weit vom Rheinturm gewöhnt sich gerade an den Titel Medienhafen. Dort gibt es ein Areal namens Neuer Zollhof und dort bin ich mit Thomas Rempen verabredet. Der Inhaber einer Werbeagentur hat es geschafft, gemeinsam mit der Stadt ein Projekt auf den Weg zu bringen, das schon vorab für Schlagzeilen sorgt. Am Rand eines Hafenbeckens soll ein Ensemble aus drei schiefen, einander zugeneigten Häusern entstehen. Eins in Ziegelrot, eins verkleidet mit glänzendem Metall, eins weiß gestrichen.
Der Architekt Frank O. Gehry hat den Plan entworfen, im Rathaus freut man sich schon auf den Ruhm Düsseldorfs als Vorreiter neuzeitlicher Architektur. Scheinbar wankende Bauten, schiefe Wände, versetzt angeordnete Fenster – wo gibt es das schon? Bald in der NRW-Landeshauptstadt. Das ist an diesem Tag mein Thema: die Gehry-Bauten im Hafen.
Rempen ist völlig euphorisch. Erzählt von Visionen und Problemen, am Ende habe man alles überwunden, auch die Bedenken von Technikern und Statikern. Der Bau hat begonnen, man ahnt, wie das alles mal aussehen wird: schräg! Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes.
Ebenfalls unvergesslich ist das Gespräch mit einem Maurer auf der Baustelle. Der Mann, sein Leben lang darauf gedrillt, mit Wasserwaage und Laser exakte Linie in Stein und Beton zu schaffen, hadert mit seinem Auftrag und ist schier verzweifelt. Nichts ist gerade, alles verläuft nach oben oder unten in unterschiedlichen Neigungswinkeln. Er soll arbeiten, wie er noch nie gearbeitet hat.
Am Ende funktioniert das Ganze. 1999 wird alles mit großem Tamtam präsentiert und eröffnet. In der Zeit danach gilt es als schick, dort ein Büro zu eröffnen oder zu arbeiten. Und die Häuser werden zum neuen Wahrzeichen, von Touristen so gern fotografiert wie Königsallee oder die Rheinuferpromenade.
Aber im Laufe der Jahre landete diese von leidenschaftlicher Begeisterung geprägte Beziehung auf dem Boden der Realität. Und darin spielten auf einmal Dinge eine Rolle, von denen vorher keiner gesprochen hatte: Raum-Effizienz, Gebäudetechnik, wachsende Anforderungen an sich schnell entwickelnde Kommunikationstechniken. Plötzlich achtet man auf Nachhaltigkeit und CO2-Bilanzen. Beides wird von Kunden und Geschäftspartnern eingefordert. Kurz: Einige Mieter stellten fest, dass der einst schöne Schein das von Ärger geprägte Sein nicht mehr rechtfertigt.
Mir fiel das vor einiger Zeit erstmals auf, als ich mit einem Berater sprach. Er suchte eine Alternative für seine allzu kargen Räume in Heerdt. Man habe ihm nun Fläche in den Gehry-Bauten für einen deutlich günstigeren Preis angeboten, erzählte er mir. Es war kaum zu glauben: Die vermeintliche 1a-Lage im Hafen billiger als Heerdt?
Ein langjähriger Mieter, der innerhalb des Hafens umgezogen ist, bestätigte den Eindruck des Niedergangs. Baumängel machten sich bemerkbar, Fenster waren undicht. Das vorher Schräge wurde nicht mehr als schick, sondern nur noch als unpraktisch empfunden. Außerdem hätten vor allem die häufigen Reparaturarbeiten an dem weißen Gebäude genervt. Da funktioniere die anfangs hoch gelobte Beschichtung mit Farbe nach dem schmutzabweisenden Prinzip der Lotusblüte überhaupt nicht, sagte der Mieter. Das Ganze wirke vergammelt. Oft habe es daher Gerüste mit darauf lautstark arbeitenden Handwerkern gegeben, immer wieder sei die Fläche vor dem Haus mit deren Fahrzeugen vollgeparkt gewesen. Am Ende war das Unternehmen froh, eine Alternative gefunden zu haben, und zog um.
Sich neuen Bedürfnissen anzupassen, scheint an sich schon als Herausforderung, nun im September 2024 ist es noch schwieriger geworden. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist sowohl die äußere Optik der Gebäude vom Denkmalschutz bewacht als auch das Innere. Dagegen hatten die Eigentümer geklagt – und verloren. Mit anderen Worten: Die würden drinnen gerne etwas verändern, dürfen aber nicht. Offenbar ist die Vermietung inzwischen so schwierig geworden, dass man versucht hat, etwas zu verbessern, aber genau daran gehindert wird.

Und so gibt es inzwischen reichlich Vakanz. Mehrere Makler bieten verschieden große Flächen an, insgesamt scheinen ein paar tausend Quadratmeter derzeit nicht genutzt zu sein. In den Angeboten taucht oft die Formulierung „kurzfristig verfügbar“ auf. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie leer stehen. Auch „provisionsfrei“ habe ich gelesen oder „Preis auf Anfrage“. Gemeint ist: verhandelbar.
Offiziell liegt die Miete irgendwo knapp unter oder über 25 Euro. Das entspricht dem üblichen Preis in Düsseldorf für solche Objekte, heißt es. Von Exklusivität ist keine Rede mehr. Die wirklich modernen, nachhaltigen Büros mit guter CO2-Bilanz liegen bei 40 Euro und darüber.
Einer der Makler, der dort Fläche anbietet, will die Lage nicht so dramatisch sehen. Aber auch er räumt Probleme ein. Er spricht vom „Zahn der Zeit“, gibt die häufige Einrüstung des weißen Hauses zu, bestätigt einen gewissen Leerstand und meint, man müsse sich nun eben „der Herausforderung einer Nachhaltigkeitsstrategie“ stellen. Das stimmt – aber offenbar ist das mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar.
Fazit: Den Unterschied zwischen einer Ikone und einer Modeerscheinung kann man leicht erklären. Das eine ist zeitlos, das andere verliert nach ein paar Jahren seinen Reiz. Die Gehry-Bauten schienen einst das Zeug zur Ikone zu haben, sie werden aber wohl als Modeerscheinung in die Stadtgeschichte eingehen.

Weitere Geschichten zu den Gehry-Bauten in Düsseldorf
Der Erfinder der Gehry-Bauten ist tot
Das sind die beliebtesten Selfie-Orte in Düsseldorf