
Das letzte Stück einer Düsseldorfer Wirtschaftsgeschichte stirbt – lebt aber fort in seinen Erfolgen
Der Name Mannesmann ist mit Düsseldorf untrennbar verbunden und ein wesentlicher Teil der Wirtschaftshistorie. Mit Stahl verdiente der Konzern viele Jahre Milliarden von D-Mark, und davon profitierte die Stadt durch Steuereinnahmen und Jobs für viele tausend Menschen. Und als dann um 1990 der Wandel zur Telekommunikation kam, wuchs der Einfluss, wenn auch auf anderen Gebieten. Düsseldorf wurde zeitweise Handy-City genannt, als Mannesmann nach dem Erwerb einer Telekommunikationslizenz das D2-Netz aufbaute. Millionen Menschen wollten ein Handy, entgegen den Prognosen vieler, und rund die Hälfte kaufte es bei Mannesmann D2. Die anderen wählten das D1-Netz der Telekom. Nochmal entstanden tausende Stellen, viele Zulieferer und Mitbewerber (Ericsson, Nokia, e-plus) kamen an den Rhein. Eine neue Branche wuchs heran, die bis heute floriert. All das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Ende der 1980er Jahre Unternehmensführer bei Mannesmann den Mut gehabt hätten, in ein unbekanntes Geschäftsfeld zu investieren – die Telekommunikation mit ihren bis heute wachsenden Umsätzen durch die Übertragung von Gesprächen, Texten, Fotos, Filmen und anderen Datenmengen. Sie setzten die Idee durch, auch gegen Widerstände im eigenen Betrieb und bei den Gewerkschaften.
Nun verschwinden die letzten Reste des Ursprungs, denn Vallourec (bis vor einigen Jahren Vallourec-Mannesmann) wird verkauft oder aufgelöst. Die Firma hatte in einem Joint Venture von Mannesmann die Fertigung der nahtlosen Rohre übernommen.
Die Historie
Anfang des 19. Jahrhundert gelang den Brüdern Max und Reinhard Mannesmann im Remscheider Feilenwerk ihres Vaters eine bahnbrechende Erfindung: das nahtlose Rohr. Was simpel klingt, ist bis heute in der Öl-, Gas- und Kraftwerkstechnik von hoher Bedeutung. Rohre wurden ursprünglich geschweißt. In einem Stück, also nahtlos, bleiben sie auch bei hohem Druck immer noch stabil. Gegen 1893 gingen die Brüder mit Verwaltung und Produktion nach Düsseldorf. 1960 erwirtschaftete die Mannesmann AG mit ihren in- und ausländischen Tochtergesellschaften und weltweit rund 76.700 Beschäftigten einen Umsatz von 4,57 Milliarden D-Mark. In den folgenden Jahren kaufte man Rexroth, Demag und Krauss-Maffei, im Automobilzuliefererbereich Kienzle Apparate (1982), Fichtel & Sachs (1987) und VDO. Durch den Kauf von VDO wurde man zeitweise sogar mal Eigner der Schweizer Edel-Uhrenmarke Jaeger LeCoultre.
Der Stahlriese wurde zum Technologiekonzern, der Ende des 20. Jahrhunderts rund 24 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete. 1990, einhundert Jahre nach Gründung der Mannesmannröhren-Werke AG, leitete die Unternehmensspitze von Düsseldorf aus einen Konzern mit weltweit rund 124.000 Mitarbeitern. Davon arbeiteten rund 90.000 in Deutschland und und der Rest im Ausland. Das Unternehmen prägte über viele Jahre die gesamte Stadt auch optisch. Durch das riesige Werksgelände in Rath (Theodorstraße), durch das Verwaltungsgebäude (Peter-Behrens-Bau) und ein Hochhaus, das die Düsseldorfer als Mannesmannhochhaus mochten. Vor allem, weil die Fenster in der Adventszeit immer in Christbaumform leuchteten.
Der Umbruch
Mit dem Niedergang der Stahlindustrie in Deutschland litt auch Mannesmann. Ende der 1980er Jahre besann man sich auf neue Ideen, unter dem Vorstandschef Werner Dieter bewarb man sich 1988 um die seinerzeit von der Bundesregierung ausgeschriebene Lizenz für das D2-Netz für Telekommunikation. Und bekam sie.
Was folgte, war ein bundesweit bestaunter Erfolg. Anfangs noch sehr teuer, wollte dennoch jeder ein tragbares Telefon haben, das später den Namen Handy bekam. Zuerst noch als Koffer, dann als wuchtiger Knochen wurde das Telefonieren ohne Kabel an jedem Ort zu einem Bestseller. Anfangs noch beneidetes Statussymbol, bald aber Massenware. Das Geschäft florierte. Und Mannesmann kassierte munter mit. Geschätzte Zahlen im Businessplan waren überholt, bevor man sie publizieren konnte. Nur weil es zu wenig Geräte gab, stockte bisweilen der Umsatz. Personal, aus allen Branchen abgeworben, verdiente glänzend beim Verkauf der Telefone. Das kleine Team unter dem D2-Chef Peter Mihatsch war vom eigenen Erfolg überrumpelt.
Unter anderem begann damals die Karriere des heutigen TUI-Chefs Fritz Joussen bei D2. Beliebter Slogan der durchweg sehr jungen Truppe: „Himmel frei für D2“. Ich selbst habe es hautnah miterlebt. Als mir eines Tages erzählt wurde, am nächsten Tag werde man mit einem neuen Produkt namens SMS auf den Markt gehen, ließ ich mir erst erklären, was das heißt – short message service, schriftliche Nachrichten per Handy, 160 Zeichen. Das braucht kein Mensch, dachte ich. Beim D2-Team sah man das anders, und ich lag falsch, wie wir heute wissen. Jahrelang lief das Geschäft glänzend. Vom ersten Standort an der Schanzenstraße in Oberkassel zog D2 zum Seestern, mietete sich in einem Büroturm ein, am Ende belegte man das gesamte Gebäude.
Vodafone
Der Erfolg des Unternehmens führte schließlich zum Ende des Mannesmann-Konzerns. Ende der 1990er Jahre war man so groß geworden, dass man es sich leisten konnte, den britischen Konkurrenten Orange zu übernehmen – für 60 Milliarden D-Mark, wie es seinerzeit hieß. Das jedoch wollte der andere „big player“ Vodafone nicht hinnehmen. Unter dem umtriebigen Chef Chris Gent versuchte man eine feindliche Übernahme der Konkurrenz aus Deutschland. Über Wochen wurde daraus ein erbitterter Kampf der Giganten, befeuert mit einem Werbe- und Kommunikationsaufwand, den Experten später mit einer hohen dreistelligen Millionensumme bezifferten. Mannesmann wehrte sich mit allen Mitteln, aber am Ende musste man die Übermacht von Vodafone akzeptieren. Am 3. Februar 2000 stimmte der Aufsichtsrat dem Aufkauf für letztendlich 190 Milliarden Euro zu.
Die Rolle, die der damalige Vorstand Klaus Esser dabei spielte, beschäftigte in der Zeit danach die Medien und auch die Gerichte. 60 Millionen Abfindung erhielt er, und der Vorwurf stand im Raum, wegen dieses Geldes habe er den Abwehrkampf gegen Vodafone nicht so engagiert geführt wie nötig. Esser bestritt das alles. Seine Rolle bei den Übernahmeverhandlungen zwischen Mannesmann und Vodafone waren schließlich auch Gegenstand von Ermittlungen im Rahmen des so genannten Mannesmann-Prozesses, der 2004 vor dem Landgericht Düsseldorf begann und mit einem Freispruch endete. Dieser Freispruch wurde jedoch aufgrund einer Revision der Staatsanwaltschaft 2005 vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Die Sache wurde 2006 wieder vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt und endete mit einer umstrittenen Einstellung des Verfahrens gegen Leistung einer Geldauflage. Esser musste 1,5 Millionen Euro an die Staatskasse und gemeinnützige Organisationen zahlen. Das Bild des mitangeklagten Ex-Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann (wegen seiner Rolle im Aufsichtsrat), der sich mit der zum Victory-Zeichen erhobenen Hand fotografieren ließ, verursachte große Empörung.
Vodafone hatte nun einen riesigen Konzern gekauft, aber kein Interesse am Bereich Stahl. Alles, was damit zu tun hatte, wurde nach und nach verkauft, der Name Mannesmann verschwand, die Teile gingen in anderen Konzernen auf.
In Düsseldorf gibt es noch zwei kleinere Unternehmen, die den Namen als Teil ihrer Firma nutzen, aber mit dem früheren Riesen haben sie nichts mehr zu tun. Geblieben sind in der Stadt die Adresse Mannesmannufer und das Hochhaus, das den Namen des einstigen Konzerns trägt. Als man zwischenzeitlich versuchte, das zu ändern, gab es erhebliche Proteste.
Vodafone dagegen ist mehr denn je präsent in der Stadt: Die neue Firmenzentrale entstand auf dem Gelände der früheren Gatzweiler-Brauerei in Heerdt. Wie ein Raumschiff wirkt der riesige ovale Bau, und auf den oberen Etagen hat man immerhin Blickkontakt – zur alten Firmenzentrale auf der anderen Seite des Flusses.