
Düsseldorfer lackieren Kölns Straßenbahnen
Als Laie bin ich natürlich mit klaren Erwartungen losgezogen, um die Firma Thedens an der Pinienstraße in Flingern zu besuchen. Eine Autolackiererei, das war klar. Aber mehr wusste ich nicht. Dann, nach gut einer Stunde in der Werkstatt – die in Wahrheit eine ziemlich große Hightech-Halle ist – fällt mir auf, was mir nicht auffällt: Ich rieche keine Farbe. Und sehe auch keine. Keine Flecken auf dem Boden, kein Geruch in der Luft, nichts. Im Gegenteil: Das Ganze wirkt klinisch rein. Tadelloser Zustand, nirgendwo ist der Lack ab.
Dafür sehe ich vieles, das mit Autos zu tun hat. Unterschiedliche Karosserieteile wie Türen, Stoßstangen, Motorhauben liegen offenbar zum Trocknen in einem Raum, in anderen Boxen sind Wagen in Behandlung, komplett oder teilweise. Der Rest steckt dann in riesigen Plastiküberziehern.
Obwohl gerade Fahrzeuge quer durch den Raum bugsiert werden, sind keine Abgase in der Luft. Man kennt das aus anderen Werkstätten: Muss der Motor laufen, steckt man Absaugrohre über den Auspuff. Das ist hier nicht nötig: Die Fahrzeuge stehen auf rollenden Plattformen und können per Fernbedienung ganz ohne eigene Kraft bewegt werden. „Das erspart uns die Absaugtechniken und ist außerdem effizienter,“ erklärt Simone Thedens (44), Leiterin des Betriebes. Um das zu unterstreichen, lässt ein Techniker einen der Wagen auf seinem Schlitten ein bisschen um die eigene Achse kreisen – eindrucksvoll, wie beim Ballett. Wenig später wird das Fahrzeug von der gleichen Apparatur in einer abgeschirmten Box nach oben geliftet, damit daran ergonomisch einwandfrei gearbeitet werden kann. Das ist gut für die Leute, gut fürs Produkt, zahlt sich am Ende also aus.
Apropos Effizienz: Sie steht über sämtlichen Abläufen. Alles wird und wurde unter die Lupe genommen, auf möglichst stimmiges Vorgehen getrimmt, bis hin zu Wegen und einzelnen Arbeitsschritten. Womöglich hat die Chefin diese Idee mitgebracht, als sie vor vielen Jahren von der Unternehmensberatung McKinsey kam. Dort hatte sie nach ihrer Ausbildung bei BMW gearbeitet und war dann in den väterlichen Betrieb eingestiegen. Wirklich geplant war das nicht, es habe sich so ergeben, ohne jeden Druck. Heute ist Senior Detlev Thedens (69) immer noch täglich da, und wenn es nach seiner Tochter geht, kann das auch noch lange so bleiben. Die beiden verstehen sich, das merkt man, prächtig. Auf seine Erfahrung und Rat will sie nicht verzichten.
Die Firma mit drei Standorten (zwei in Düsseldorf, einer in Wegberg) ist mehr als ein Unternehmen, das lediglich Farbe auf Fahrzeuge bringt. Karosseriebau gehört noch zum Angebot, das Aufarbeiten von neuen Autos für den Kunden ebenfalls. Kürzlich hat man mit dem chinesischen Anbieter Nio einen Kooperationsvertrag geschlossen. Der will demnächst mit seinen ausschließlich elektrisch getriebenen Wagen auf den deutschen Markt, und nach allem, was man bisher hört, nimmt die Konkurrenz in Ingolstadt, München, Stuttgart und Wolfsburg diesen neuen Anbieter äußerst ernst.
Weil man in den rund 40 Jahren seit der Gründung eine Menge Knowhow gesammelt hat, agiert Thedens inzwischen weit über Düsseldorf hinaus. Kunden kommen aus Europa und Asien. So hat man in Bangkok Wagen der dortigen Verkehrsbetriebe lackiert, und die Düsseldorfer Rheinbahn gehört zum Kundenstamm.
Und seit einiger Zeit auch deren Gegenstück in Köln. Die Straßenbahnen der Kölner Verkehrs-Betriebe (rund um den Dom nur KVB genannt) fahren in Rot-Weiß durch die Stadt, und sie sind gerade in einem jahrelangen Umbau- und Sanierungsprozess. Ein Auftrag über 200 Bahnen wurde von Thedens gerade beendet, und als der zweite in diesem Umfang ausgeschrieben wurde, bewarb man sich erneut und bekam den Zuschlag. Nun werden weitere 200 Bahnen in Köln von Düsseldorfer Lackierern auf Hochglanz gebracht. Rund 45 Kilogramm Farbe bringen sie am Ende auf. Zwei Züge schaffen sie pro Monat.

Das passiert – anders als bei Pkw oder Lkw – nicht in Düsseldorf, sondern in einer eigens errichteten Lackierhalle auf dem Betriebshof der KVB. Jeden Tag pendeln die Fachleute der Düsseldorfer Firma rheinaufwärts und machen dort ihren Job. Dazu gehört auch das Gegenteil von Lackieren: Um unerwünschte Graffiti zu beseitigen, arbeitet man mit einem speziellen Gel. Für Verkehrsbetriebe sind Schmierereien ein großes Problem.
Und wer Autos ganz oder teilweise die gewünschte Farbe verpassen kann, der macht das locker mit anderen Werkstücken: Es wurden schon mal Dutzende überlebensgroße Bambis als Deko für die Verleihung dieser Trophäe in Düsseldorf mit Gold besprüht. Kommentar von Simone Thedens: „Wir lackieren alles, außer Fingernägel.“