Der Gentrifizierungs-Schreck: Neuer Ansatz soll Mieter schützen

Soziale Erhaltungssatzung klingt furchtbar sperrig, hilft aber, wenn Hauseigentümer etwas abreißen oder umbauen wollen, um danach die Miete zu erhöhen. In Bilk wird das Instrument bald ausprobiert.
Veröffentlicht am 14. Februar 2025
Aufkleber an der Bankstraße in Düsseldorf Golzheim
In Golzheim haben Mieter:innen unter anderem mit diesem Aufkleber auf rücksichtslose Eigentümer aufmerksam gemacht.

Wenn sich die Interessensvertretung der Immobilienbesitzer vehement gegen etwas wehrt, bedeutet das in der Regel eine gute Nachricht für Mieterinnen und Mieter. In Düsseldorf lehnt der Verein „Haus und Grund“ den Plan ab, eine Soziale Erhaltungssatzung einzuführen. Das ist ein Instrument, das andere Großstädte schon anwenden. Ich hätte es ursprünglich als Gentrifizierungs-Bremse beschrieben. Nach verschiedenen Gesprächen würde ich es nun eher Gentrifizierungs-Schreck nennen.

Den Namen des Instruments gibt es noch in einer kürzeren und anschaulicheren Version: Milieuschutzsatzung. Darin ist besser zu erkennen, worum es geht. Um Viertel mit gewachsener sozialer Struktur, also einem Milieu nach sozialwissenschaftlicher Definition. Und um Schritte von Eigentümern, die die Miete deutlich nach oben treiben und das Milieu spürbar verändern.

Solche Luxussanierungen und die Verdrängung von Mieter:innen werden in einem Teil von Bilk künftig schwieriger. Wenn der Stadtrat am 26. Februar zustimmt, gilt die erste Soziale Erhaltungssatzung in Düsseldorf für einen Bereich südlich des Bilker Bahnhofs, rund um die großen Straßen, die dort zur Autobahn führen. Wie das Ganze dann funktioniert, erkläre ich mit den folgenden Fragen und Antworten:

Wann hilft die Soziale Erhaltungssatzung?
Am Anfang steht immer ein Antrag auf Baugenehmigung. Den muss das zuständige Amt prüfen, in dem genannten Gebiet besonders intensiv, wenn einer der folgenden drei Fälle vorliegt:

  • Jemand möchte ein Gebäude oder einen Teil davon abreißen und später etwas Neues bauen.
  • Jemand verändert das Gebäude, zum Beispiel, indem er ein weiteres Geschoss daraufsetzt, deshalb einen Aufzug baut und dafür mehr Miete von allen haben möchte.
  • Jemand ändert die Nutzung von Wohnungen, zum Beispiel, indem er daraus Büros macht.

Wie hilft die Soziale Erhaltungssatzung?

Das zuständige Amt kann den Antrag ablehnen, wenn es die soziale Zusammensetzung des Viertels bewahren möchte. Die Behörde muss dabei allerdings schauen, ob Eigentümerin oder Eigentümer einen guten Grund für die Pläne anführt. Das ist der Fall, wenn:

  • ein Haus im aktuellen Zustand und mit den aktuellen Mieteinnahmen für die Eigentümer:innen nicht mehr wirtschaftlich ist
  • man die Wohnung auf das zeitgemäße und durchschnittliche Ausstattungsniveau bringt
  • man nur so die Mindestanforderungen der Energiespar-Verordnung erfüllt

Die Fragen, die hier zu klären sind, kann man nicht wie eine Mathe-Aufgabe lösen. Es gibt selten ein einfaches Ja oder Nein. Vielmehr muss das Amt abwägen, was für Eigentümer:innen noch zumutbar ist und wann sie nachvollziehbar etwas umbauen. In diesem Verfahren verändert die Soziale Erhaltungssatzung etwas. Da sie den Schutz der Mieter:innen betont, müssen deren Interessen bei der Abwägung stärker berücksichtigt werden.

Das erklärt, warum es sich um einen Gentrifizierung-Schreck handelt. Wer eine Luxussanierung im Sinn hat, muss nun eher damit rechnen, dass sein Antrag abgelehnt wird, oder mindestens, dass die Verfahren (inklusive der juristischen) viel länger dauern. Im Zweifel überdenkt man seine Pläne dann zumindest für die Gegenden, die besonders geschützt sind.

Wie werden die Schutz-Gebiete ausgewählt?
Damit ein Viertel für eine Soziale Erhaltungssatzung in Betracht kommt, braucht es drei Dinge:

  1. Aufwertungspotenzial Im Viertel sind die Mieten noch passabel, das heißt sie ließen sich merklich steigern.
  2. Verdrängungsgefahr Es gibt eine gewachsene Struktur und die Menschen müssten wegziehen, wenn die Mieten nach oben gehen, weil sie diese nicht bezahlen können.
  3. Entwicklungsdruck Dieser ergibt sich zum Beispiel, wenn Immobilien wenig profitabel erscheinen.

Was passiert, wenn jemand ohne Genehmigung zur Tat schreitet?
Wer auf diese Weise Fakten schafft, muss eine Geldbuße zahlen. Diese kann bis zu 50.000 Euro betragen. Ob das viel oder wenig ist, hängt von der Größe des Projekts ab. Die Zahlung der Buße ändert natürlich nichts daran, dass man keine Genehmigung hat. Wenn allerdings etwas abgerissen wurde, kann man es schlecht wieder aufbauen. Dann hat man tatsächlich Fakten geschaffen.

Letztlich geht es auch hier um einen psychologischen Faktor. Da man als Immobilieneigentümer:in auch weiter mit der Stadt zu tun hat, will man es sich nicht unbedingt mit ihr verscherzen. Gerade in der aktuellen Lage, in der Mieter:innen mit Demos auf Probleme aufmerksam machen und die Stadt schlecht aussehen lassen, gewinnen die Urheber der Probleme keine Beliebtheitspreise im Rathaus.

Was sind die Tücken?

  • Das Gebiet, das nun ausgesucht wurde, ist klein und allein. Jeder, der sich in Düsseldorf ein bisschen auskennt, kann sofort weitere Viertel nennen, die man nehmen könnte. Die Stadt selbst kommt auf insgesamt acht, startet aber mit einem.
  • Um vernünftig zu prüfen und abzuwägen, braucht es in der Stadtverwaltung viel Personal – und das wird im Rathaus auch an anderen Stellen dringend gesucht.
  • Wenn die Stadt den Antrag der Immobilieneigentümer:in genehmigt, müssten Betroffene gegen den Verwaltungsakt klagen, um doch noch geschützt zu werden. Das tut sich kaum jemand an, dem gerade eine Mieterhöhung beziehungsweise ein Umzug droht.

Was sagen die Kritiker:innen?
„Haus und Grund“ sowie die Industrie- und Handelskammer argumentieren, dass die Soziale Erhaltungssatzung Investitionen hemmt. Darunter könnten auch Barrierefreiheit und Klimaschutz leiden.

Diese beiden Interessensvertretungen haben allerdings einen Gegner, von dem folgender Satz stammt: „Es liegt im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen entgegenzuwirken.“ Schrieb im Jahr 2019 das Bundesverfassungsgericht.

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