Der Erfinder der Kö-Galerie ist tot

Walter Brune verstand sich nicht nur als Architekt, sondern als Gestalter von Innenstädten. Vor allem Düsseldorf prägte er in den 1970er und 1980er Jahren mehr als andere – bis in die Gegenwart. Nun ist er gestorben.
Veröffentlicht am 8. November 2021
Walter Brune feierte seinen 95. Geburtstag im Sommer 2016. Foto: Andreas Endermann
Walter Brune feierte seinen 90. Geburtstag im Sommer 2016. Foto: Andreas Endermann

Vor fünf Jahren, als ich eine Würdigung dieses Mannes zu seinem 90. Geburtstag schrieb, habe ich es so formuliert: Sein Lebenswerk wird auch heute noch mit Füßen getreten, buchstäblich, und das jeden Tag. Denn Tausende von Menschen gehen täglich durch die Schadow Arkaden und die Kö-Galerie, und den wenigsten dürfte klar sein, wie sehr solche Bauwerke nicht nur die Optik einer Innenstadt prägen, sondern auch über viele Jahre ihre sozio-kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung bestimmen. Und wer sie entworfen und gebaut hat.

Als Walter Brune damals, Anfang der 1980er Jahre, seine Idee präsentierte, an der Königsallee ein Zentrum für eine ganze Reihe von Läden zu bauen, schlug ihm der pure Protest entgegen. Ein solches Konzentrat von Kaufkraft würde, einem Magneten gleich, die Umsätze der benachbarten Geschäfte anziehen, zu einer Verödung der Einkaufsmeile führen. Es sprach (und spricht bis heute) für das Selbstbewusstsein dieses Mannes, sich gegen diese Skepsis durchzusetzen und am Ende auf eigene Verantwortung dieses Geschäftszentrum namens Kö-Galerie zu bauen. Als es fertig war, ging es nicht nur bundesweit durch die Medien, sondern wurde auch im Ausland stark beachtet, weil es die Form des Einkaufens veränderte. Der Rest ist Geschichte.

In den 1990er Jahren kam der zweite Schwerpunkt für das Herz der Düsseldorfer City. Brune entwarf die Schadow Arkaden – und zwar für die Verlagsgesellschaft, die heute als Rheinische Post Mediengruppe firmiert. Dieser Einkaufstempel entstand in weiten Teilen auf dem Areal, auf dem bis in die 1970er Jahre das Pressehaus mit Redaktion, Verwaltung und – sehr viel früher – Setzerei und Druckerei gestanden hatte. Mit den Schadow Arkaden gelang ein weiterer Meilenstein in der Historie der Kö als Einkaufsmeile: Das Bauwerk verursachte neue Käuferströme, die Schwerpunkte des Handels verschoben sich Richtung Blumenstraße und dem Bereich, der heute als Kö-Bogen bekannt ist. Ohne die Schadow Arkaden jedoch wäre dieses Bauwerk der jüngeren Vergangenheit nicht denkbar gewesen.

Als Brune das alles baute, war er längst auf dem Zenit seines Schaffens. Der 1926 in Bremen als Sohn eines Architekten geborene Mann hatte schon sehr früh sein Talent gezeigt und war sehr jung mit großen Aufträgen bedacht worden. Im Ruhrgebiet schuf er Verwaltungsgebäude und Zechen, die Karstadt-Zentrale in Essen, es folgten viele weitere große, die Region bestimmende Gebäude. Und weil er dadurch auch den Kontakt zu den Wirtschaftsgrößen dieser Zeit hatte, übernahm er gern die lukrativen Aufträge, ihnen ihre ganz persönlichen Villen auf riesige Grundstücke zu setzen. Etliche tauchten in internationalen Architekturzeitschriften als beispielhaft auf. Auch international war er berühmt. Der damalige Schah von Persien beauftragte ihn mit dem Entwurf einer Musterstadt in seinem Reich. Monatelang war Brune dafür im Land und erzählte noch viele Jahre später von diesem bizarren Auftrag. Eine von vielen speziellen Aspekten seines bewegten Lebens.

Sich selbst und seiner Familie setzte er schon in den 50er Jahren eine Art Architekturdenkmal an den Düsseldorfer Stadtrand in Rath nahe Ratingen, wo er bis zuletzt lebte. Der Bungalow ist sowohl innen wie außen von zeitloser Eleganz und Pragmatismus, gilt immer noch als Highlight kühlen Hausdesigns. Man könnte ihn so, wie er dort steht, in ein Museum stellen. Der rundherum angelegte, mehrere Hektar große Park ist ebenfalls ein Beispiel zeitloser Gestaltung.

Nachdem er in den 1970er Jahren das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim realisiert hatte, erkannte Brune bald der Unverträglichkeit solcher Zentren im Verhältnis zu gewachsenen Stadtkernen. Bei ihm begann ein Umdenkprozess: Nicht nur die Bedürfnisse der Städte mit Blick auf den Umsatz sollten der Maßstab der Dinge sein, sondern die Bedürfnisse der Menschen. Lebensraum wurde zu seinem Lebenstraum – bis zuletzt waren seine Pläne (und die erstellte er bis vor zwei Jahren) von dem Gedanken geprägt.

Mit den Jahren zog er sich von den spektakulären Projekten zurück, wurde aber keineswegs ruhiger. Mit über 80 ging Brune ein ganz anderes Vorhaben an: Bei Madlitz in Brandenburg erwarb er eine ehemalige Stasi-Immobilie und machte daraus das Wellness-Hotel Gut Klostermühle in Traumlage direkt am See. Was ihn viel Geld und noch mehr Herzblut kostete, wie er gern erzählte. Er selbst lebte, wenn er denn mal hinfahren konnte, dort in einem umgebauten Haus, das einst Stasi-Chef Erich Mielke gehörte. Und manchen Gästen zeigte er den immer noch intakten Atombunker für DDR-Bonzen, seinerzeit getarnt mit einer Pferdekoppel. Tief unter der Erde noch mit komplett erhaltener Technik.  

In Düsseldorf machte Brune in den 2000er Jahren Schlagzeilen, als er lautstark gegen die damals so genannten Bilker Arcaden protestierte und sich mit dem seinerzeit amtierenden Oberbürgermeister Joachim Erwin anlegte. Dieser Bau, so seine Überzeugung, werde dem benachbarten Einzelhandel schaden. Was sich inzwischen in Teilen bewahrheitete. Und vor knapp zwei Jahren fiel er auf, als er das Ingenhoven-Tal am Schauspielhaus kritisierte. Das jedoch relativierte er später nach lautem Protest anderer Architekten.

Im Oktober 2019 erlitt Brune im Feriendomizil in Südfrankreich einen Schlaganfall. Trotz Reha, zuletzt daheim in Rath, erholte er sich davon nicht mehr – und starb am Wochenende. Mit 95.

Das hat am Sonntag sein Sohn Christopher Brune bestätigt.


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