Wo in Düsseldorf die meisten Falschparker angezeigt werden

Nirgendwo in der Stadt werden annährend so viele Privatanzeigen gegen Falschparker gestellt wie an der Humboldtstraße in Düsseltal. Ein Spaziergang zwischen Denunzianten und Regelbrechern.
Von Marc Latsch (Text)
und Markus Luigs (Foto)
Veröffentlicht am 5. April 2024
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Vorsicht beim Falschparken an der Humboldtstraße - dort hagelt es Anzeigen.

Seit Ende Februar hat Deutschland eine neue Kultfigur, die auf den ersten Blick nicht wie eine aussieht. Es ist ein 18-Jähriger aus Sachsen-Anhalt, der eine neonorange Warnweste trägt und ein spezielles Hobby ausübt. Er nennt sich „Anzeigenhauptmeister“, fährt mit einem Fahrrad samt selbstgebasteltem „Polizfi“-Schild durchs Land und verpasst Autofahrern Strafzettel. Sein Ziel ist es, in jeder deutschen Gemeinde mindestens einen Verstoß anzuzeigen. Das sagt er zumindest in einer Kurz-Dokumentation von „Spiegel TV“ über sich, die bei Youtube bereits mehr als fünf Millionen Aufrufe hat.

Er ist der Grund, warum ich an diesem trüben Mittwochnachmittag an der Kreuzung zur Humboldtstraße in Düsseltal stehe. Dafür kann er nicht direkt etwas, wahrscheinlich hat er diesen Ort noch nie betreten. Doch der „Anzeigenhauptmeister“ hat die Aufmerksamkeit auf ein Hobby gelenkt, das an keinem zweiten Ort in Düsseldorf annährend so beliebt ist wie hier. Wer seinen Geldbeutel leeren möchte, der fährt zur Kö. Wer andere Geldbeutel leeren möchte, zur Humboldtstraße.

Die Datengrundlage für meine Behauptung liefert eine öffentlich einsehbare Auswertung der App „Weg.li“. Mit ihr können Privatpersonen auf einfache Art Falschparker beim Ordnungsamt anzeigen. Demnach sind zwischen dem 1. Januar 2020 und dem vergangenen Mittwoch 1140 Privatanzeigen gegen Falschparker an der Humboldtstraße eingegangen. Das ist ebenso wie das theoretisch daraus resultierende Bußgeld in Höhe von rund 75.000 Euro einsame Spitze in der Stadt. Doch über wen sagt das mehr aus? Über die Falschparker oder die Anwohner der Humboldtstraße?

Es dauert nicht lange, bis ich, von der Grafenberger Allee kommend, die ersten Falschparker entdecke. Auf der linken Straßenseite parkt ein Mann seinen schwarzen Peugeot gerade so ein, dass zumindest dessen Hinterachse nicht mehr im absoluten Halteverbot steht. Schräg gegenüber steht ein grauer Volkswagen vor einem schwarzen Tor, an dem ein gelbes Schild mit der Aufschrift „Ein- u. Ausfahrt Tag u. Nacht freihalten“ prangt. Der Volvo daneben steht zumindest so, dass er dort ab 18 Uhr wieder sein dürfte.

Ein Blick auf die weiteren Düsseldorf-Daten der App legt zumindest eine gewisse Anwohner-Tendenz nahe. Dass es vor allem innerstädtische Straßen sind, erscheint logisch. Sind hier doch der Parkplatzdruck und somit der Reiz des verbotenen Abstellens besonders hoch. Es sind aber auch vor allem Straßen in Vierteln, die für ein eher wohlhabendes Klientel bekannt sind. Aus der Top 10 der Auflistung liegen jeweils zwei Straßen in Düsseltal, Pempelfort, Gerresheim und Oberkassel. Hinzu kommen mit der Bilker Allee und der Kölner Straße zwei besonders lange Hauptverkehrsstraßen, die durch mehrere Stadtteile führen.

An der Humboldtstraße bestätigen sich meine ersten Beobachtungen schnell. Wäre ich der „Anzeigenhauptmeister“, ich erlebte gerade einen großartigen Nachmittag. An der Kreuzung zur Goethestraße steht ein Smart vor einem abgesenkten Bordstein, ein blauer Opel halb auf dem Bürgersteig. Direkt vor dem großen dunklen Bau der nordrhein-westfälischen Krankenhausgesellschaft gibt es dafür noch pures Autofahrer-Gold: freie, legale Parkplätze, in die nicht einmal kompliziert reinrangiert werden muss. Auf der anderen Seite eines wildbewucherten Kreisverkehrs hat sich eine Frau mit Kinderwagen und zweitem Kind an der Hand gerade einen dieser Glücksorte gesichert.

Die Auswertungen der Falschparker-App zeigen erst einmal nur die Anzeigefreudigkeit der jeweiligen Nutzer. Wie viele der über 1000 Anzeigen in der Humboldtstraße erfolgreich waren, liest man dort nicht. Es lässt sich also nur schwer herausfinden, ob die jeweiligen Schwerpunkte auch zeigen, wo in Düsseldorf Ordnung und Gesetz nicht so eng genommen werden oder eher, wo in Düsseldorf besonders anstrengende und pedantische Menschen leben. In der Kombination bietet sich aber zumindest ein Bild, an welchen Orten der Stadt parkende Autos ein tägliches Ärgernis darstellen.

Mein Rundgang durch die Humboldtstraße endet kurz vor dem S-Bahnhof Zoo mit einem eindeutigen Ergebnis. Ohne einen zu strengen Blick anzulegen, sind mir elf klare Verstöße aufgefallen. Die letzten beiden auf dem Fahrradweg kurz vor dem Straßenende am Bahnhof, den zwei Autofahrer an diesem Nachmittag als Parkplatz nutzen. Meiner Stichprobe zu Folge gibt es hier also offensichtlich gute Gründe für die Meldefreudigkeit der App-Nutzer.

„Spiegel-TV“ hat mit seinem Videodreh der Privatanzeige zu neuem Ruhm verholfen und einem jungen Mann aus Klickgier zur bundesweit bekannten Person gemacht. Er wird nun überall „gesichtet“ und häufig auch angefeindet. Manches davon erinnert auf ungute Art bereits an die Cyber-Mobbing-Szene rund um den „Drachenlord“. Der Erfolg der Kurz-Doku lässt sich erklären: Falschparker privat anzuzeigen ist das deutscheste Hobby, das ein Mensch haben kann. Ein Hobby, das mir körperliches Unbehagen bereitet.

Meine Strategie gegen Falschparker orientiert sich daher auch in Zukunft an einem anderen deutschen Klischee. Ich grummele meinen Unmut leise vor mich hin.

Weiterführender Link

Die Privatanzeigen-Auswertung für Düsseldorf ist hier zu lesen.


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