Beleuchtung Herz-Jesu-Kirche in Düsseldorf
Die Herz-Jesu-Kirche an der Roßstraße in Derendorf wird nachts nicht mehr beleuchtet. Foto: Andreas Endermann

Licht aus, Kirchturmspitze weg

Auch die Kirchen in Düsseldorf leiden unter den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und den Energiesparmaßnahmen. Die Herz-Jesu-Kirche trifft das besonders, denn sie hat einen Kirchturm, der nur aus Licht besteht.
Veröffentlicht am 9. Dezember 2022

Auf das Licht war immer Verlass. Wenn ich abends nach der Arbeit oder einer Verabredung – zu Fuß, mit Fahrrad oder Bus – nach Hause kam, dann sah ich es. Nach Einbruch der Dämmerung leuchtete es, hoch oben am Himmel über der Herz-Jesu-Kirche und den Dächern von Derendorf, den ganzen Abend über bis nach Mitternacht. Manchmal blieb ich vor der Kirche an der Roßstraße stehen, schaute hinauf und hielt kurz inne, bis der Nacken zu kribbeln begann. Der Lichtstrahl streckte sich wie ein Kegel in die Höhe und projizierte acht Punkte an den dunklen Himmel. Aus der Ferne erinnert das an die Festung Saurons in Mordor aus Tolkiens Klassiker „Herr der Ringe“.

Dreieinhalb Jahre, bis Anfang 2022, wohnte ich mit meiner Familie ganz in der Nähe des Lichts, zwischen Kennedydamm und Roßstraße. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, kommen mir als eines der ersten Bilder die spektakulären Himmelsstrahler in den Sinn. Doch seit September sind sie aus und die Kirche dunkel. Die Ursache ist der russische Angriff auf die Ukraine, der eine Energiekrise ausgelöst hat, deren Ende nicht absehbar ist. Im ganzen Land wurde die Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden und Kirchen abgeschaltet, um Energie zu sparen. Auch die Licht-Installation der Herz-Jesu-Kirche in Derendorf.

Ich will mehr darüber erfahren, die Hintergründe hören. Deshalb treffe ich mich an einem Dienstagnachmittag mit Peter Schmitz und Hanjo Robrecht, der eine ist Vorstandsmitglied, der andere Kantor der Katholischen Kirche Derendorf/ Pempelfort. Wir betreten die Kirche und setzen uns auf drei Stühle hinter der letzten Reihe der Kirchenbänke. Ab und zu knarrt die große Kirchentür und jemand kommt herein. Noch ist es auszuhalten, draußen sind hohe einstellige Temperaturen. Aber es könnte ein ziemlich kalter und trostloser Winter werden.

Die beiden Männer erzählen mir von ihren Himmelsstrahlern und ihrer Geschichte. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Herz-Jesu-Kirche eine Garnisonskirche für die Soldaten auf dem Kasernengelände (zwischen Tannen- und Johannesstraße). Bei Gottesdiensten stellten sie ihre Gewehre draußen ab, bevor sie eintraten. Zu dieser Zeit war die Kirche mit einer Höhe von 102 Metern – 14 mehr als die Lambertuskirche – die höchste in Düsseldorf, zumindest bis zum 17. Mai 1945. Eine Woche, nachdem die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht das Ende des Zweiten Weltkriegs markierte, wurde die hölzerne, achteckige Turmspitze, auch Helm genannt, von einem Wirbelsturm abgetrennt. Man muss sich das mal vorstellen: Die Kirche überstand die Turbulenzen des Kriegs und kurz danach fiel ihr Turm einer Laune der Natur zum Opfer. Seitdem misst die Kirche nur noch 63 Meter. Jahre später gab es Überlegungen, die Kirchturmspitze zu rekonstruieren, dies wurde aber aus Kostengründen nicht weiterverfolgt.

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So sah die Herz-Jesu-Kirche aus, als sie noch eine Turmspitze hatte. Das Bild ist zwischen 1910 und 1915 entstanden. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Kirche im Jahr 2007 hatte Robrecht die Idee mit der Illumination. Der Gedanke: Die gesamte Kirche soll beleuchtet werden und acht Scheinwerfer als Lichtsäulen die fehlende achteckige Turmspitze nachbilden. Robrecht realisierte das Projekt zusammen mit der Stiftung DUS-illuminated und dem Lichtplaner Harald Seiler von den Stadtwerken Düsseldorf. DUS-illuminated, die Stadtwerke, das Amt für Verkehrsmanagement und die Kirche finanzierten zusammen die Kosten der Beleuchtungsanlage, die Stromrechnung übernahm die Stadt. Immer nach Einbruch der Dunkelheit hatte die Kirche ihre alte Turmspitze wieder. Eine geniale Idee.

Von 2007 bis 2010 waren acht Halogen-Scheinwerfer mit insgesamt 2800 Watt im Einsatz. Dann verschwand der Kirchturm wegen Sanierungsarbeiten für einige Jahre unter einem Gerüst. Das Licht wurde abgeschaltet, sämtliche Scheinwerfer und Leitungen mussten aufwendig demontiert werden. Erst 2019 leuchtete das Lichtdach der Kirche wieder. In der Zwischenzeit wurde die Anlage in Zusammenarbeit mit dem Lichtkünstler Klaus Gendrung umgerüstet. Die Halogenstrahler, „echte Stromschlucker“, wie Robrecht sagt, wurden gegen High-End-LEDs getauscht. Die verbrauchen mit einer Gesamtleistung von nur 240 Watt deutlich weniger Strom, obwohl das Licht wesentlich intensiver ist. Es sind dieselben Scheinwerfer, die bei der Beleuchtung des Eiffelturms in Paris zum Einsatz kommen. Wenn Robrecht und Schmitz davon erzählen, ist ihnen anzumerken, wie stolz sie auf ihre illuminierte Turmspitze sind. Sie ist längst Teil der Identität der Kirche geworden.

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So sah der Kirchturm aus, als die Scheinwerfer noch in Betrieb waren. Foto: Christian Rothenberg

Aber mehr als drei Jahre nach der Wiederinbetriebnahme gibt es erneut eine Pause für die Himmelstrahler. Eines Abends Anfang September bleibt es nach der Dämmerung über der Herz-Jesu-Kirche dunkel, und nicht nur hier. Im September 2022 wird deutschlandweit die Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden und Kirchen abgestellt oder gedrosselt, um Energie zu sparen. Die Preise für Gas und Strom steigen immer weiter. Erst kürzlich haben viele Energieversorger wieder Briefe an ihre Kunden geschickt und darin erneut Preiserhöhungen angekündigt. In Gesprächen mit Freunden und Bekannten dominieren die Themen Heizen und Energiesparen, auch wenn viele es schon nicht mehr hören können.

Auch für die Kirchen ist die Situation schwierig. Weihnachten ohne Licht, das ist nicht nur für Kirchenmitglieder und Gläubige kaum zusammenzubringen. Bei vielen Gemeinden sind die Besucherzahlen schon infolge der Corona-Pandemie drastisch eingebrochen. Nun könnten es noch weniger werden. Frank Heidkamp, Stadtdechant und Pfarrer der katholischen St.-Lambertus-Kirche, sagt: „Man merkt, dass die Räume kühler werden. Wie sich das auswirkt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen – auch, ob Gottesdienstbesucher nicht kommen, weil es ihnen zu kalt ist.“ Für die Beleuchtung der Kirchen ist in den meisten Fällen die Stadt zuständig. Das Bistum Köln hat den katholischen Gemeinden weitere Energiesparmaßnahmen empfohlen. Es rät, die Kirchen in diesem Winter nicht zu heizen und sparsame LED-Lampen einzubauen. Ähnliche Empfehlungen hat der evangelische Kirchenkreis Düsseldorf an seine Gemeinden verschickt. Was die daraus machen, bleibt ihnen überlassen.

Die meisten Kirchen heizen in diesem Winter für Gottesdienste auf Temperaturen von maximal 13 bis 15 Grad, einige wenige bis zum Gefrierpunkt gar nicht. Die katholische Gemeinde St. Andreas, die mit Fernwärme heizt, reduziert ihre Innentemperatur von 16 auf 8 Grad. Da sich in der Klosterkirche in der Altstadt einige Kunstschätze befinden, wird die Luftfeuchtigkeit mit Fühlern kontrolliert. Ist diese zu hoch, muss geheizt werden, damit sich kein Schimmel bildet. Andernfalls können die Schäden schnell höher werden als das, was an Energie eingespart wird. Viele Gemeinden haben Decken angeschafft, die in den Kirchen ausgelegt werden, einige bieten Tee an. Die katholische Kirche Flingern/ Düsseltal hat viele Veranstaltungen aus dem Winterhalbjahr in Frühling und Sommer verschoben. Klarenbach- (Holthausen) und Stephanuskirche (Wersten), die zur evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf-Süd zählen, schließen zwischen Anfang Januar und Ende März komplett, sämtliche Gottesdienste finden in den Gemeinderäumen statt. Andere Gemeinden machen es auch so oder so ähnlich.

Wir sitzen immer noch in der Herz-Jesu-Kirche. Wie ist es also zur Abschaltung des Lichtdachs gekommen? Der Pfarrgemeinderat äußerte demnach schon im August den Wunsch, das Licht auszuschalten, daraufhin nahm Robrecht Kontakt mit der Stadt auf und man besprach, die komplette Beleuchtung einschließlich des Kirchendachs vom Netz zu nehmen. Der Stromspar-Effekt ist eher zweitrangig. Der Verbrauch der acht LEDs ist sehr niedrig. Selbst bei einem hohen Strompreis von aktuell 45 Cent für eine Kilowattstunde sind das pro Stunde nur etwa 10 Cent. Es ist gewissermaßen symbolische Sparsamkeit. Robrecht erklärt das so: „Wir wollen ein Zeichen setzen und uns solidarisch zeigen. Wir können ja nicht sagen, dass alle sparen müssen und unsere Kirche einfach weiter beleuchten. Das sähe einfach komisch aus.“

Mir fehlt das Licht, das sich – in normalen Zeiten – weit über den Stadtteil hinaus bestaunen lässt. Man muss kein religiöser Mensch sein, um dieses Schauspiel beeindruckend zu finden. Robrecht und Schmitz sind sicher, dass das Lichtdach eines Tages wieder leuchtet. Ob sie das wollen, muss ich gar nicht fragen. Wann? Achselzucken bei den Herren. „Da müssen wir Putin fragen“, sagt Schmitz.

Weiterführende Links
Weitere Bilder der beleuchteten Kirchturmspitze sind auf der Seite von DUSilluminated zu finden: dus-illuminated.de/herz-jesu-kirche


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