Krach programmiert: Flughafen Düsseldorf plant steilen Steigflug

Mehr Passagiere, voluminöse Umbauten, größere Jets, Verbindungen nach Übersee: Der Blick auf 2045, den die Airport-Chefs jetzt vorstellten, ist so opulent wie die Menü-Karte in der Ersten Klasse. Jahrelang gewachsener Widerstand der Lärmgeplagten wird nicht erwähnt. Das ist ein Fehler.
Von Hans Onkelbach (Text)
und Andreas Endermann (Foto)
Veröffentlicht am 22. Januar 2025
Flugverkehr über Düsseldorf
Im dichten Takt gehen die Flugzeuge über die Häuser in Düsseldorf und im Umland.

Reden wir mal über Lärm. Das Wort beschreibt ein Geräusch oder mehrere, die uns unangenehm sind, die wir sogar als Bedrohung empfinden können. Selbst Musik kann dazu gehören. Fragen Sie mal einen Wacken-Fan nach Helene Fischer. Oder umgekehrt. Typisch für die direkte Umgebung in einer lebendigen Stadt wie Düsseldorf ist das permanente Entstehen einer akustischen Kulisse. Wir sind davon fast immer umgeben, und oft merken wir das nicht einmal mehr. Gewohnheit halt.

Autos, Straßenbahnen, arbeitende Müllmänner, AirBnB-Nutzer mit ihren Rollkoffern, Menschen jeden Alters (je jünger, je lauter) liefern uns Eindrücke für den Gehörgang. Dumm, dass man die Nase verschließen kann, die Ohren jedoch nicht. Ein Trick der Evolution, der uns Gefahren auch im Schlaf hören und daher überleben ließ. Leider ist diese Fähigkeit heute überflüssig und deshalb eher lästig.

Zurück in unsere Heimatstadt: Es gibt ruhige Ecken, aber ob es auch welche ohne jede tonale Immission gibt, bezweifle ich. Selbst die Friedhöfe sind nicht totenstill – sie liegen zu nahe an sehr lebendigen Verkehrsachsen. Ruhe in Frieden ist da ein relativer Begriff.

Ruhige und unruhige Wohnlagen
Drei persönliche Erfahrungen: Meine ruhigste Wohnung lag an der Kapellstraße in Pempelfort. Duisburger- und Kaiserstraße waren je nur zweihundert Meter entfernt, aber nach hinten gingen die Zimmer in einen der in Düsseldorf gängigen Innenhöfe mit Garten. Da gab es nur Vogelgezwitscher. Danach kamen einige Jahre Hellerhof und wir lebten mit der nahen B8, A59 und der Bahnlinie Düsseldorf-Köln. Ein permanentes Rauschen, das aber nicht störte. Dann war es der Staufenplatz in Grafenberg: Vorne die Ludenberger Straße – lauter geht kaum. Hinten jedoch Gärten und der Ostpark. Mir hat es gefallen.  
Nun Lörick. 200 Meter von uns verläuft die Hauptverbindungsachse zwischen Meerbusch und Seestern, morgens und abends Pendlerrennstrecke. Schließlich der Flughafen: Er ist von hier aus gesehen schräg gegenüber auf der anderen Rheinseite, die Einflugschneise verläuft etwa anderthalb Kilometer seitlich vom Haus. Mit anderen Worten: Ich bin betroffen vom Fluglärm. Morgens brauche ich keinen Wecker. Punkt 6 Uhr startet der erste Jet. Der wirft mich nicht aus dem Bett, dazu ist das Ganze zu weit weg. Aber ich höre ihn, weil sonst noch alles vergleichsweise ruhig ist. Kommt der Wind aus Nord-Ost, schwillt der Ton an, weht er – wie meist – aus der Gegenrichtung, ist es deutlich leiser.

Für mich überwiegen die Vorteile. Da ich über die Jahre sehr oft gereist bin, war (und ist) es großartig, in 15 Minuten am Terminal zu sein. Für Leute aus dem Umland ist schon die Anreise für den Ferienflug eine Herausforderung. Dafür ist ihnen die laute Kehrseite fremd.

In Meerbusch-Büderich ist die Lage eine völlig andere. Auf dem Marktplatz und den umliegenden Straßen sind die Reifenprofile der landenden Maschinen zu sehen, und jedes Gespräch stirbt. Gegen diesen Krach kommt keine Stimme an. Die Menschen leben damit, etliche allerdings ungern, und ein Teil kämpft dagegen an. Ich habe dort Leute erlebt, denen das beim Einzug egal war. Schöne Wohnung, der Rhein nah – alles toll. Aber nach ein, zwei Jahren kam die Einsicht: Es geht nicht. Und die Wohnungssuche woanders begann.

Überraschend für mich ist das vermeintlich von jeder Belästigung entfernte Kaarst. Ein Irrtum. Freunde wohnen dort, und auf deren Terrasse zu sitzen ist bei landenden Jets ein eingeschränktes Vergnügen. Selbst der säuselnde A380 der Airline Emirates, der nahezu täglich von Düsseldorf nach Dubai fliegt, lässt jedes Gespräch mit dem Dröhnen seiner schieren Masse verstummen.

In der Diskussion kommt man an dem Begriff Dezibel nicht vorbei. Den müssen Sie nicht kennen. Er misst die Intensität von Krach, und er hat die kuriose Eigenschaft, in logarithmischen Schritten zu wachsen. Ein Beispiel: 70 Dezibel sind doppelt so laut wie 60. Alles, was fliegt, produziert davon eine ganze Menge.

Jets machen Geräusche
Der beschriebene Fluglärm ist das zentrale Problem des Flughafens, und das schon seit Jahren. Entsprechende Regeln sollen die Betroffenen schützen (Nachtflugverbot, Angerlandvergleich), aber der Apparat kann sich nicht unhörbar machen. Insofern steckt der Airport in einem Dilemma: Millionen nutzen ihn, die Wirtschaft braucht ihn, aber zigtausende Menschen verfluchen ihn. Lösbar? Nein, nur zu mildern.

Gerade jetzt kommt neue Dynamik in den Zwist. Denn vor wenigen Tagen hat die Geschäftsführung ein gewaltiges Expansionsvorhaben für die nächsten 20 Jahre verkündet, das sie mit rund einer Milliarde Euro finanzieren will. Der zentrale Punkt: mehr Passagiere, also auch mehr Flüge. Geht das? Die Verantwortlichen meinen ja. Effizientere Nutzung der Landebahnen, größere und leisere Flugzeuge, bessere Planungen sollen es bringen. Expansion ohne Nebenwirkungen sozusagen.

Der Airport will durchstarten in einen steilen Steigflug und scheint in seinem Höhenflug zu glauben, über den Wolken könne die Freiheit grenzenlos sein. Aber am Boden ist das eben nicht so, und das gesamte Konstrukt namens Flughafen 2045 wirkt wie die Quadratur des Kreises. Die hat noch nie einer geschafft. Bruchlandung nicht ausgeschlossen.

Pragmatische Grüne
Das Gebilde aus Wünschen und Ideen wurde bei der technisch beeindruckenden Präsentation während des prächtigen Neujahrsempfangs angemessen bejubelt. Auf der Gästeliste standen Politiker und Vertreter der Wirtschaft. Flughafenkritiker oder vom Lärm Geplagte waren entweder nicht da oder hielten sich stickum. Dass der Grüne Stefan Engstfeld sich blicken ließ, überraschte nicht – er ist politisch tief verwurzelt in der Stadt, für ihn war das ein Pflichttermin. Denn die Stadt ist zu großen Anteilen Eigentümerin des Flughafens.

Der Mann steht jedoch sinnbildlich für die Zwickmühle der Grünen. Grundsätzlich steht in ihrem bundesweiten Programm das Ziel, den Flugverkehr zu begrenzen und Alternativen wie die Bahn zu fördern. In Düsseldorf haben sie gemeinsam mit der CDU jedoch die Mehrheit im Rathaus, sind damit qua Amtes dazu verpflichtet, die Interessen des Airports im Augen zu haben. Bezeichnend der Kommentar der Grünen-Fraktionssprecherin Mirja Cordes zu den Plänen. Es sei positiv, dass der Flughafen seine Zukunft plane, und sie begrüße es, dass man dabei die Sorgen der Anwohner berücksichtigen und sich an vereinbarte Regeln halten wolle. Als Stadtflughafen müsse der Airport aber die Chancen nutzen, sich zu entwickeln. So klingt wohl realpolitischer Pragmatismus.

Ganz anderer Widerstand ist aus den Ecken zu erwarten, in denen schon seit Jahren die aufmerksam beobachtenden Lärmgegner und peniblen Buchführer über Landungen nach 22 Uhr sitzen. Das sind straff organisierte Gruppen in Lohausen, Teilen von Meerbusch und Kaarst. Wer dort wohnt, hat im Wenige-Minuten-Takt die Jets über sich. Die werden jede Form von Expansion akribisch unter die Lupe nehmen und auf Einhaltung der Regeln pochen.

Auch beim Projekt Flughafen 2045.


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