Fast alles außer Flugtaxis – sieben Ideen für den Verkehr von morgen

Stadt, Rheinbahn und die städtische Tochter CMD werden in Pempelfort und Golzheim mit grünen Haltestellen, neuer Technik und einer Stellplatz-Vermittlung experimentieren. Die Rheinbahn möchte dort auch einen Lieferdienst erproben.
Veröffentlicht am 23. März 2022
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Animation einer fiktiven Mobilitätsstation in Düsseldorf. Animation: Connected Mobility Düsseldorf

In Düsseldorf entsteht gerade ein ziemlich großes Labor – und  jede und jeder kann es besuchen. Es reicht vom Hofgarten bis zur Theodor-Heuss-Brücke und vom Rhein bis zur Toulouser Allee, umfasst also Pempelfort und Teile von Golzheim. In diesem Labor probieren Stadt und Rheinbahn jede Menge Ideen für den Verkehr der Zukunft aus. Keine Flugtaxis oder selbstfahrende Autos, sondern viele kleine Fortschritte für den Alltag von Menschen, die mit Bus, Bahn, Rad oder Auto unterwegs sind. Das Projekt heißt Multi-Mo-DUS und wird mit 20 Millionen Euro vom Land gefördert.

Multi-Mo-DUS startet in diesem Jahr, die großen Experimente und möglichen Fortschritte wird es dann vor allem 2023 und 2024 zu erleben geben. Ich habe mit Laura Lohkemper und Philipp Nelles vom Amt für Verkehrsmanagement über sieben der Ideen fürs Labor gesprochen:

1. Mobilitätsstationen
Rund acht der zwanzig Millionen Euro Fördergeld fließen in ein Netz von Mobilitätsstationen. Im gesamten Stadtgebiet sollen bis zum Jahr 2030 rund 100 davon entstehen, für das Projektgebiet von Multi-Mo-DUS sind 18 vorgesehen. Jede Mobilitätsstation hat Plätze für Carsharing, Leihräder und -roller, Abstellmöglichkeiten für Fahr- und Lastenräder sowie einen Treffpunktbereich.

Der Gedanke dahinter: Die Stadt möchte den Verkehrsteilnehmer:innen auf ihrer gesamten Strecke immer das geeignete und das umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel bieten. Die Expert:innen sprechen in diesem Zusammenhang von der Wegekette. Die Wegekette beginnt am Wohnort, deshalb entstehen viele Mobilitätsstationen in den Quartieren. Die Wegekette endet oft bei einem Unternehmen oder an einem Veranstaltungsort, folglich muss es auch dort Mobilitätsstationen geben. Wenn so das Netz erst einmal entstanden ist, nimmt man nicht mehr automatisch das eigene Auto für die ganze Strecke, sondern kann unter mehreren Alternativen wählen.

Andere Städte wie Leipzig, Hamburg oder Berlin haben mit diesem Ansatz schon gute Erfahrungen gemacht. Das erste Düsseldorfer Beispiel nach diesen Vorbildern entsteht am Stadttor und soll bis Ende des Jahres gebaut sein. Dort gibt es dann über die beschriebene Mindestausstattung hinaus noch etwas Hübsches: eine Zweirad-Reparaturstation.

2. Besonderer Bahnkörper auf der Kaiserswerther Straße
Die Linien U78 (zur Arena) und U79 (nach Duisburg) haben ein gemeinsames Problem. Sobald die Züge den Tunnel am Kennedydamm verlassen, haben sie es schwer. Auf der Kaiserswerther Straße kommen ihnen immer wieder Autos in die Quere. Deshalb gibt es auf diesen stark genutzten Strecken regelmäßig Verspätungen und frustrierte Fahrgäste. Das Problem soll in den nächsten beiden Jahren behoben werden.

Dann erhält die Bahntrasse einen acht Zentimeter hohen Bordstein. Die signalisieren Autofahrern deutlich, dass sie in der rechten Spur bleiben sollen. Zugleich können Rettungswagen noch über diese Kante hinüber, wenn ein Zweite-Reihe-Parker sie aufzuhalten droht.

Außerdem werden die Haltstellen an der Kaiserswerther Straße auf 115 Meter verlängert, damit dort Züge mit vier Waggons halten, also mehr Fortuna-Fans auf einmal Richtung Stadion rollen.

3. Lieferdienst der Rheinbahn
Das Nahverkehrsunternehmen möchte schon seit längerem auch mit kleinen Bussen und auf Bestellung agieren. Solche Fahrzeuge können fast überall halten, tun dies aber nur, wo es die Kund:innen möchten. Unterbach ist für diesen On-demand-Service ausgeguckt, weil der Stadtteil relativ schlecht angebunden ist, unter anderem weil eine kleinere Zahl Fahrgäste von dort aufbricht. Die Rheinbahn hofft, das Angebot noch dieses Jahr zu starten.

Der nächste Schritt ist dann im Projekt Multi-Mo-DUS geplant. In Pempelfort und Golzheim soll es den On-demand-Service auch für Einkäufe geben. Die Nutzer:innen können wählen, ob sie ihre Tüten allein nach Hause fahren lassen und noch etwas anderes erledigen oder sie direkt im kleinen Bus begleiten.

4. Mehr Rechte und Schutz für Radfahrer
Es gibt in Düsseldorf nur eine Radstraße und die ist wahrlich kein Vorzeige-Beispiel. Auf der Bismarckstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs haben Fahrräder zwar offiziell Vorrang, tatsächlich ist dort aber wenig Raum und viel Autoverkehr. Deshalb gilt die Idee der Fahrradstraße in Düsseldorf oftmals als gescheitert.

Dass das nicht der Fall ist, soll Multi-Mo-Dus ab 2024 zeigen. Dann entstehen eine weitere Radstraße und rund um die Justus-Liebig-Realschule eine Zone mit mehreren solcher Straßen. Dort haben Fahrräder Vorrang, alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen das respektieren. Radler dürfen die Straßen in beide Richtungen benutzen und grundsätzlich nebeneinander fahren.

Um den Bismarckstraßen-Fehler nicht zu wiederholen, sollen der Anfang der Radstraße beziehungsweise -zone so gestaltet werden, dass jedem sofort klar wird, dass dort etwas anderes beginnt und andere Regeln zu beachten sind.

5. Grüne und digitale Haltestellen
Ich habe hier bei VierNull darüber geschrieben, dass viele Haltestellen der Rheinbahn in bitterem Zustand oder schlecht ausgestattet sind. Andere, also gediegene Stationen sind fürs Labor in Vorbereitung. Die Haltestellenhäuschen bekommen begrünte Dächer, wenn der Platz es erlaubt, werden weitere Bänke aufgestellt und neue digitale Informationen übermittelt, zum Beispiel, wo die nächsten E-Scooter oder Carsharing-Fahrzeuge stehen. Die ersten beiden dieser neuen Stationen sind fürs „Dreieck“ und die „Jacobistraße“ geplant – und mindestens im letztgenannten Fall dringend erforderlich.

6. Stellplatzvermittlungsservice
Es geht im Labor neben ÖPNV und Rädern auch um Autos. Damit deren Fahrer:innen nicht mehr lange und CO2-lastig nach einem Parkplatz suchen, möchte die Stadt neue Abstellmöglichkeiten eröffnen und per App darauf hinweisen. Im ersten Schritt spricht die Stadt Firmen und Supermärkte an, ob sie ihre gesamten Parkplätze wirklich brauchen oder ein Teil leersteht. Ist Letzteres der Fall, können daraus temporäre oder dauerhafte Parkplätze für andere werden. Die wiederum werden in einer App zusammengefasst und sichtbar gemacht.

7. Happy-mobility-Radar
Die Idee mit dem fröhlichsten Namen steht für ein Computerprogramm. Darin pinnen Bürger:innen ihre Wünsche an eine digitale Karte, wenn sie zum Beispiel einen Lastenradautomaten für ihr Quartier vorschlagen. Die Stadt schaut sich an, wie hoch der Bedarf ist, setzt im Idealfall die Lösung um und prüft später, ob der Bedarf nun gedeckt ist. So entstehen im Labor für den Verkehr der Zukunft vielleicht noch mehr Ideen, als bisher in den Tabellen und Jahresplänen aufgelistet sind.


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