Düsseldorf bekommt zwei bis vier neue Brücken

Ein sehr freundlich klingender Begriff: Die Düsseldorfer Brückenfamilie. Das klingt solide, nach Harmonie und gegenseitiger Unterstützung. In Wahrheit steckt dahinter ein von Tag zu Tag brisanter werdendes Thema, das die Stadt angehen und lösen muss. Zur siebenköpfigen Familie gehören, vom Süden nach Norden:
Fleher Brücke
Erbaut wurde sie 1979 (also erst vor gut 40 Jahren), damals brachte sie eine enorme Entlastung der Pendlerverkehre ins und vom linksrheinischen Umland, da sie eine Verbindung schuf zwischen der rechtsrheinischen A 59 (Düsseldorf-Leverkusen) und der A 57 (Krefeld – Neuss – Köln). Was damals als Jahrhundertbauwerk galt, ist dem Untergang geweiht. Das Bauwerk war im Grund nur die ersten zehn Jahre intakt, danach immer häufiger Baustelle. Nun hat man entschieden, es abzureißen und neu zu bauen. Die Stadt profitiert von dieser Rheinquerung mit dem markanten, kopfstehenden Y-förmigen Pylon, hat aber keine Kosten durch den Neubau – die Brücke ist in der Verantwortung des Bundes.
Südbrücke
Vor einigen Jahren versuchte man, ihr den Namen des 1978 verstorbenen Kölner Kirchenfürsten Josef Kardinal Frings anzuhängen. Das hat auf der Neusser Seite funktioniert, auf der Düsseldorfer Seite aber nicht. Für die Menschen in der Landeshauptstadt heißt sie nach wie vor Südbrücke. Weil sie halt bis zum Bau der Fleher Kollegin die südlichste der Querungen war. 1951 wurde sie gebaut, und mit der heutigen Verkehrslast hat sie erhebliche Probleme. Das bemerkte man erst vor wenigen Tagen, als Teile einer Unterkonstruktion die Sicherheit nicht mehr gewährleisten konnten. Für Tage mussten Teile der Fahrbahn gesperrt, das verschlissene Teil zuerst provisorisch ersetzt und dann repariert werden. Bei einer Untersuchung vor zwei Jahren durch Experten bekam sie die schlechteste Note aller Querungen. Aber offenbar glaubt man an die Sinnhaftigkeit weiterer Reparaturen und plant keinen Abriss mit Neubau. Die Brücke liegt mit ihrem östlichen Teil auf Düsseldorfer Gebiet, mit dem gegenüber auf Neusser. Daher gehört sie, verteilt, der Stadt Neuss, der Stadt Düsseldorf und der Rheinbahn.
Eisenbahnbrücke Hamm
Sie wird von der Deutschen Bahn betreut und verrichtet klaglos ihren Dienst für Güter- und Personenzüge. Allerdings kann es sein, dass sie bald nicht mehr allein ist – siehe unten.
Oberkasseler Brücke
Heute kaum vorstellbar: Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war sie die einzige Querung des Flusses in Düsseldorf. Damit war sie bereits wenige Jahre nach dem Krieg überlastet und es folgten die Südbrücke (1951), die Theodor-Heuss-Brücke (1957), die Kniebrücke (1969) und am Schluss die Flughafenbrücke (2002). Die Verbindung zwischen der Innenstadt und den linksrheinischen Stadtteilen ist nach wie vor eine wichtige Verkehrsachse, wenn auch nicht mehr so bedeutend wie früher. Ihr Zustand gilt als unbedenklich. 1976 wurde sie durch eine spektakuläre Aktion erneuert: Man baute die neue neben der alten, riss die alte ab und schob die neue auf die Position der alten. Wie das damals war, habe ich hier bei VierNull beschrieben.
Kniebrücke
Sie kam 1969 hinzu, weil die Verkehrsströme immer dichter wurden. Von der Innenstadt aus dient sie vor allem Pendlern aus dem Großraum Mönchengladbach als tägliche Route. Auch ihr Zustand gilt als unbedenklich.
Theodor-Heuss-Brücke
Sie macht derzeit die meisten Sorgen. Ihr Zustand ist derart schlecht, dass sie bereits für den Schwerlastverkehr über 30 Tonnen gesperrt wurde. Ob die Theodor-Heuss-Brücke saniert werden kann oder komplett erneuert werden muss, ist noch nicht entschieden. Sie gilt als Hauptverkehrsschlagader und wird derzeit immer wieder notdürftig in Schuss gehalten, weil ihre komplette Sperrung das gesamte Stadtgebiet betreffen und den Verkehr kollabieren lassen würde. Im Augenblick deutet vieles auf einen Neubau hin. Ein Projekt jedoch, vor dem die Stadt zurückschreckt, denn die Auswirkungen auf den Verkehr wären einschneidend. Von den Kosten ganz zu schweigen, denn sie gehört ausschließlich der Stadt.

Flughafenbrücke
Sozusagen der Nachkömmling der Sippe. 2002 eröffnet und eine enorme Entlastung für alle anderen Brücken, weil ein erheblicher Teil der Verkehre aus den linksrheinischen Nachbarstädten sie nutzen, um zum Flughafen, zur Messe oder zur Arena und in die nördlichen Stadtteile zu kommen.
Hinzu kommen sollen:
Neue Hafenbrücke
Gemeint ist eine Querung zwischen dem Hafen und der Neusser Seite, unmittelbar neben der Hammer Eisenbahnbrücke. Das neue Bauwerk würde rund 15.000 täglichen Pendlern aus Neuss eine Abkürzung bieten und sowohl den Industrie- als auch den Medienhafen erheblich besser anbinden. Denn derzeit gibt es in den Hafen nur die Zufahrt ab der Völklinger Straße über die Plockstraße (vor allem für Logistikunternehmen) sowie die Hammer Straße aus Richtung Landtag. Im Bereich der Eisenbahnbrücke, wo die neue Querung entstünde, ist das Hafengelände zurzeit wie eine riesige Sackgasse: Wer raus will, muss einige Kilometer zurück fahren. In Neuss macht sich die CDU im Rat dafür stark, in Düsseldorf gibt es ebenfalls positive Signale. Eine ursprüngliche Idee, dieses Bauwerk lediglich für Radler und Fußgänger zu bauen, ist wohl vom Tisch – wenn, dann will man eine Verbindung auch für Kraftfahrzeuge.
U81-Querung Messe-Düsseldorf-Lörick
Dieses Projekt liegt seit Jahrzehnten in den Schubladen der Planer, nun scheint es real zu werden. Derzeit wird geprüft, ob ein Tunnel oder eine Brücke die bessere Lösung ist. Dass am Ende wirklich eine Röhre gebaut wird, ist zumindest fraglich, weil die Kosten im Vergleich zu einer Brücke erheblich höher sind. Allerdings werden auf dieser Querung – sofern sie über dem Wasser verläuft – nur Straßenbahnen, Radler und Fußgänger unterwegs sein. Kommt der Tunnel, sind aus Sicherheitsgründen nur Bahnen erlaubt. Angestrebt ist ein Anschluss an das linksrheinische Schienennetz der Rheinbahn Richtung Krefeld und über den Handweiser in Heerdt Richtung Neuss.
Fazit
Auch wenn alternative Verkehrsmittel wie Fahrräder, E-Scooter und Sharing-Programme derzeit schnell an Bedeutung gewinnen, muss die Stadt mittelfristig mit starkem Andrang durch Pkw und Lkw rechnen. Auch viele Autos nach und nach durch Wagen mit E-Antrieb zu ersetzen, ändert nichts am Andrang – denn die brauchen auch entsprechende Verkehrswege. Und welche Bedeutung die Düsseldorfer Brücken haben, weiß jeder, der in dieser Stadt unterwegs ist. Eine Alternative zu Pflege, Sanierung oder Neubau (wie bei der Theodor-Heuss-Brücke) gibt es also nicht.
Die neue Verbindung nach Lörick ergibt ebenfalls Sinn, weil sie Messe, Flughafen und Arena besser und schneller an die linksrheinischen Netze anschließt. Ob es per Tunnel oder Brücke passiert, ist im Grunde zweitrangig. Schwerer einzuschätzen ist dagegen die Notwendigkeit einer neuen Hafenbrücke. Sie wäre sicher „nice to have“, aber ob sie angesichts sich verändernder Verkehrsströme in einigen Jahren noch sinnvoll ist, kann heute kaum realistisch eingeschätzt werden. Auf jeden Fall würde sie eine bessere Anbindung des gesamten Hafens garantieren und die anderen Zufahrten entlasten.