Als Mick Jagger “Hello Düsseldorf“ sagte und “Fuck you Münster“ erntete
Telefonat mit meinem besten Freund P.: „Ich habe da eine Hammerstory für deine Kolumne“, sagt er großspurig. „Habe in einem Archiv zufällig einen Schwung alter Fotos gefunden, auf denen auch mein Vater zu sehen ist, konnte das erst gar nicht glauben, jedenfalls musst du unbedingt was drüber bringen.“
„Dir ist schon klar, dass ich dafür einen Düsseldorf-Bezug brauche?“, sage ich. „Und dein Vater ist – mit Verlaub – kein Promi.“
„Mehr Düsseldorf- und Promi-Bezug geht nicht“, sagt er. „Die Geschichte beginnt nämlich am Düsseldorfer Flughafen, auf dem Rollfeld. Warte mal …“
Und dann schickt er mir per Whatsapp eine Schwarz-Weiß-Aufnahme mit Hintergrundunschärfe, die aussieht, als stamme sie von einem professionellen Fotografen – und schreibt: „Ist aus dem Jahr 1965.“
Auf dem Bild: drei junge Typen – 16 oder 17, maximal 18 Jahre alt. Sie würden heute glatt als Mitglieder ein Retro-Boyband durchgehen. Graumelierte Jacken beziehungsweise gestreiftes Sakko, darunter schlichte Pullover. Die beiden mit den längeren blonden Haaren lachen beschwingt oder gar beschwipst in die Kamera, der Dunkelhaarige guckt eher skeptisch, und man könnte ihn ob der widerborstig-verwuschelten Frisur glatt für einen Punk halten, allerdings wäre er damit zehn Jahre zu früh dran gewesen.
„Der ganz links, der so herausfordernd guckt, mit den Ringen an der Hand, der Kette am Handgelenk und dem lässigen Mick-Jagger-Sakko – das ist mein Vater“, sagt P.
„War doch klar“, lüge ich. „Das erkennt man sofort.“
„Und der in der Mitte, frisiert wie der junge Justin Bieber, das war der jüngste, der hieß Lutz“, sagt P. „Und der ganz rechts, mit den kürzeren Haaren, der so ernst schaut – das war Holger, der Fahrer, der hatte gerade frisch seinen Führerschein gemacht und war schon straight edge, bevor es das Wort gab. Ideal für die anderen beiden, denn irgendwie mussten die Jungs ja von Düsseldorf nach Münster und wieder zurück kommen.“
„Düsseldorf? Münster? Hä?“, mache ich, und dann schickt mein bester Freund P. weitere Fotos und erzählt eine haarsträubende Geschichte. Ich fasse das mal zusammen: Sein Vater und seine beiden Freunde Holger und Lutz sind 1965 große Fans einer aufstrebenden Gruppe aus England – den Rolling Stones. Bisher sind Mick Jagger, Keith Richards, Bill Wyman, Brian Jones und Charlie Watts noch nie live in Deutschland aufgetreten. Und ausgerechnet im erzkatholischen Münster soll am 11. September die erste Show der „härtesten Band aller Zeiten“ stattfinden. Mit diesem Etikett werden die Stones vollmundig von der Teenager-Bibel Bravo präsentiert, auf einer Tour durch insgesamt fünf deutsche Städte.
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