Abfallentsorgung Bettmeralp
Die Gemeinde Bettmeralp im Schweizer Kanton Wallis: Dort wird ein hoch liegender Ortsteil per Seilbahn versorgt. Über Jahre schaffte man sogar den Müllwagen so nach oben. Foto: Klopfenstein/Adelboden, Schweiz

Düsseldorf sollte in die Luft gehen – mit Seilbahnen über dem Stau

Für die Achse Grafenberg-Hubbelrath war sie kurz angedacht, aber wieder verworfen worden. Die Idee hat jedoch Zukunft, andere Städte arbeiten schon daran: in geräumigen Kabinen von A nach B schweben. Wir erklären, was dort geschieht, was für und was gegen die Idee spricht.
Veröffentlicht am 22. Dezember 2021

Düsseldorf braucht mehr denn je mehr Wohnraum. Wo es möglich ist, wird gebaut. Zurzeit sind unter anderem Areale in Ludenberg und Hubbelrath in der Planung, etwa auf dem Gelände der früheren Kaserne. Platz für tausende Menschen und damit verbunden eine wichtige Frage: Wie kommen sie hin und wie wieder weg? Die Verbindung zwischen Grafenberg/Gerresheim und dieser Region geht nur über die Bundesstraße 7 – ein Nadelöhr, vor allem morgens chronisch verstopft.

Ein Tunnel unterhalb des Grafenberger Waldes wurde angedacht und als zu teuer verworfen. Als der Gedanke auftauchte, die Menschen in Seilbahnen zu transportieren, hielten das viele für einen Scherz. Es ist jedoch keiner, wie Städteplaner in anderen Kommunen zeigen. Bonn, Köln und München prüfen derzeit, wie sie die an Stahlseilen hängenden Kabinen in den ÖPNV integrieren könnten. Städte wie Rio de Janeiro oder Chicago nutzen diese Möglichkeit schon lange. Und in Ski-Gebieten ist dieser Transport eh seit vielen Jahren normal. Warum also nicht auch im Flachland?

CDU-Ratsherr Alexander Fils wirkt regelrecht euphorisiert von dem Gedanken und hält Seilbahnen als Verkehrsmittel in Städten für künftig nicht mehr verzichtbar. Seiner Meinung nach wird auch in Düsseldorf das Thema Seilbahnen wieder auf die Tagesordnung der zuständigen Ausschüsse kommen. Der Vorsitzende des Planungsausschusses kann sich zum Beispiel Park-and-Ride-Plätze an der A3/B7 (Anschluss Mettmann) vorstellen, die per Seilbahn mit der City verbunden werden.

Punkte, die für eine Seilbahn sprechen

  • Sie sind nicht vom Stau betroffen, denn der restliche Verkehr tangiert die Bahnen nicht.
  • Sie sind relativ günstig. Experten schätzen die Kosten für einen Kilometer Seilbahn auf fünf bis acht Millionen Euro.
  • Sie haben eine kurze Bauzeit. Die Teile werden vorgefertigt und müssen nur installiert werden.
  • Sie erfordern kein Personal. Die Kabinen laufen automatisch und ferngesteuert.
  • Sie ermöglichen eine hohe Taktzahl, weil sie dauernd im Kreis fahren und so einige tausend Passagiere pro Stunde befördern könnten.
  • Sie sind sparsam, da sie zwar mit Strom laufen, aber weniger Energie als Bahnen oder Busse verbrauchen.
  • Sie gelten als sehr sicher. Unfälle sind extrem selten.
  • Sie haben eine hohe Akzeptanz. Die Systeme in anderen Städten gelten als sehr beliebt bei den Nutzern.

Punkte, die gegen eine Seilbahn sprechen

  • Die Optik: Die Stützen können als störend empfunden werden. So spielt zum Beispiel in Köln im großen Umfeld des Doms der freie Blick auf die Kathedrale eine Rolle. Eine Seilbahn müsste in ihrem Design entsprechend angepasst werden.
  • Mögliche Proteste: Anlieger könnten sich gegen die Trassenführung wehren. In Wuppertal ist daran ein Projekt gescheitert.
  • Überwindung von Höhenunterschieden: Dieses Problem müsste in Düsseldorf auf der Trasse Grafenberg-Gerresheim-Ludenberg gelöst werden. Technisch sei das kein Problem, heißt es. Aber aufwändig. Seilbahnen könnten theoretisch auch in mehr als 50 Metern Höhe laufen. Aber zur Haltestelle müssen sie runter – oder es müssen entsprechend hohe Haltepunkte errichtet werden.
  • Störung der Privatsphäre: Von Kritikern kommt das Argument, aus der Seilbahn könnten plötzlich Menschen in die Wohnungen der Anlieger schauen. Das ist nur lösbar mit den gerade erwähnten größeren Höhen.  

Die Pläne in anderen Städten

Bonn Dort sind die genannten Punkte schon untersucht worden, man ist also mindestens einen Schritt weiter. Auf der Internetseite der früheren Bundeshauptstadt wird dem Thema viel Platz eingeräumt. Dort heißt es: „Die Seilbahn soll als nachhaltiges Verkehrsmittel in den Öffentlichen Personennahverkehr integriert werden – erstmalig in Deutschland.“ Knapp 15.000 Fahrgäste würden die Seilbahn täglich nutzen und rund zwölf Millionen Pkw-Kilometer pro Jahr könnten vermieden werden. Der Bonner Stadtrat hat am 9. Dezember beschlossen, die Seilbahn in die nächste Runde zu schicken: Das Projekt soll in den ÖPNV-Bedarfsplan und den -Infrastrukturfinanzierungsplan des Landes aufgenommen werden, damit für das Projekt Fördermittel beantragt werden können. Außerdem prüft Bonn, wie das Projekt mit Förderprogrammen der EU in Einklang zu bringen ist, die Seilbahnen bisher nicht auf dem Schirm hatte.

Die Bonner wollen den Venusberg mit der Innenstadt und den dortigen Bus- und Bahntrassen verbinden. Gibt es eine Zusage zur Förderung, startet der Bau. Da die meisten Teile vorgefertigt sind, sei von einer relativ kurzen Bauzeit von rund eineinhalb Jahren auszugehen. Bei reibungslosem Verlauf der Planungs- und Bauprozesse könnte die Seilbahn 2028 in Betrieb gehen. 

Köln Die Domstadt prüft derzeit ebenfalls die Alternative in der Luft. Rheinpendel heißt die Idee, die im Norden am Fühlinger See beginnt und im Süden in Porz endet. Dazwischen quert die Seilbahn mehrfach den Rhein. Die Kölner Wählerinitiative GUT befeuert den Plan und kalkuliert so: „Mittlerweile können diese Systeme bis zu 7000 Passagiere pro Stunde und Fahrtrichtung transportieren. Das entspricht Doppelgelenkbussen im Zwei-Minutentakt. Der Transport geschieht zumindest im Stadtraum komplett emissionsfrei. Der Energieverbrauch ist etwa halb so groß wie der einer Straßenbahn. Die Infrastruktur lässt sich schnell, weil parallel bauen (Beispiel Ankara: Bauzeit zwei Jahre bei einer Streckenlänge von 3,5 Kilometer). Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist im Vergleich zu sämtlichen anderen Verkehrsträgern unschlagbar. Ein Seilbahnkilometer inklusive der Stationsinfrastruktur wird in der Regel mit sechs bis acht Millionen Euro kalkuliert. Ein U-Bahn-Kilometer liegt bei etwa 250 Millionen Euro.“

Kölns Messe-Chef Gerald Böse ist dafür, zumal eine Seilbahn seine Besucher vom rechtsrheinischen Messegelände in Deutz schnell in die Innenstadt und zu den dortigen Anschlüssen bringen könnte. Verwaltet werden sollte das Projekt von den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB). Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) ist ebenfalls angetan.

München In Bayern steht die Idee sogar auf der Agenda  der Landesregierung. Das Verkehrsministerium plädiert seit Jahren für Seilbahnen, vor allem in der Landeshauptstadt. Ein Argument: Bayern ist Gebirgsland und hat ein über Jahre gewachsenes Knowhow. Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) sagt dazu: „Gerade im Großraum München brauchen wir neue Lösungen, um den Verkehr zu entzerren. Eine urbane Seilbahn ist vergleichsweise günstig, schnell realisierbar und dabei klimafreundlich.“

Weiterführende Links

Das Projekt in Bonn

Die Argumente der erwähnten Kölner Wählerinitiative

Die Position des bayerischen Verkehrsministeriums

Ein Blick auf die Seilbahn in Chicago


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