Der ziemlich rote Radweg

Wenn Radfahrer jetzt an der Oberbilker Allee unterwegs sind, nutzen sie eine Teststrecke. Die Stadt will dort lernen, wie der Belag hält und ob man damit Geld sparen kann.
Veröffentlicht am 7. Juni 2021
Die Teststrecke für den roten Radweg-Belag befindet sich an der Oberbilker Allee zwischen Hüttenstraße und dem S-Bahnhof Friedrichstadt. Foto: Andreas Endermann
Die Teststrecke für den roten Radweg-Belag befindet sich an der Oberbilker Allee zwischen Hüttenstraße und dem S-Bahnhof Friedrichstadt. Foto: Andreas Endermann

Dass man die Chinesische Mauer vom Weltraum aus sehen kann, ist nur ein Mythos. Beim neuen Radweg auf der Oberbilker Allee könnte es dagegen wahr sein. Dort hat die Stadt für einen Radweg einen neuen Belag aufbringen lassen, der sehr, sehr rot leuchtet. Die Verantwortlichen im Verkehrsamt möchten damit herausfinden, ob sich das Material für künftige Projekte dieser Art eignet. Wir erklären die besondere Strecke und ihre Hintergründe.

Die Idee

Bei vielen Radwegen aus roten Pflastersteinen ist die Farbe inzwischen so verblasst, dass sie kaum noch zu erkennen ist. Die Steine auszutauschen, ist aufwändig und recht teuer. Deshalb sucht die Stadt nach Möglichkeiten, Radwege wieder klar erkennbar zu machen, ohne dafür Pflastersteine tauschen zu müssen. Eine mögliche Verbesserung ist ein Kunststoffbelag, der kalt aufgebracht wird und schon nach kurzer Zeit benutzt werden kann. Die Oberbilker Allee ist dafür die erste Teststrecke.

Dort möchte das Verkehrsamt herausfinden, auf welche Weise sich Radwege günstig und dauerhaft wieder von den Fußwegen unterscheiden lassen. Damit sollen Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern vermieden werden. Dauer des Versuchs? Noch offen.

Das Material

Der Kunststoff besteht aus zwei Komponenten. Er wird zunächst flüssig aufgebracht, dann mit einem Härter vermischt und trocknet so zügig. Unmittelbar nach den Arbeiten riecht man das frische Material, der Geruch verfliegt relativ schnell. Wenn Räder über den Kunststoff rollen, wird in geringem Umfang Material abgerieben. Die freigesetzte Menge Mikroplastik zu messen, sollte eines der Ziele des Versuchs sein. Schließlich wird in vielen Zusammenhängen über Mikroplastik und seine gesundheitsgefährdenden Folgen diskutiert.

Der rote Kunststoffbelag ist auf kleinen Flächen in Düsseldorf schon im Einsatz. Die Stadt nutzt ihn an Kreuzungen, an denen Radfahrer*innen auf der Straße vor Ampeln warten müssen, zum Beispiel an der Kreuzung am Karolingerplatz in Bilk. So soll der Belag Autofahrer*innen deutlich machen, dass sich dort so genannte Aufstellflächen für Radfahrer*innen befinden.

Die Farbe

Das Rot trägt die Bezeichnung RAL 3020. Fachkreise sprechen von „Verkehrsrot“, weil der Farbton an vielen Stellen im Verkehr eingesetzt wird: Wo immer Rot auf Schildern auftaucht, handelt es sich um Verkehrsrot. Die rote Umweltplakette (Schadstoffklasse 2) ist in dieser Farbe gestaltet. Lokomotiven der Deutschen Bahn sind verkehrsrot, ebenso wie Streifen und Schriftzüge auf den ICE-Zügen. Über die Signalwirkung des Farbtons muss sich die Stadt also keine Sorgen machen, die Praxis hat diese Wirkung eindeutig belegt.

Das Rot hat dennoch einen Mitbewerber: RAL 6024, ein sehr gut sichtbares Grün. In Berlin gibt es an 14 Stellen Radwege in diesem Farbton. Sie schaffen ebenfalls den erhofften Kontrast zu den anderen Verkehrswegen und könnten zugleich eine andere (ruhigere) Wirkung haben. Im April hat die Berliner Landestochter Infravelo erste Untersuchungsergebnisse zu den grünen Wegen veröffentlicht. 79 Prozent der befragten Radfahrer*innen bewerten die Wege mit „sehr gut“ oder „gut“. 73 Prozent gab an, sich im Vergleich zum vorherigen Zustand „sicherer“ oder „viel sicherer“ zu fühlen.

Die bisherigen Eindrücke

Für die Frage, wie der Versuch an der Oberbilker Allee bisher verläuft, müssen wir zwei Faktoren betrachten: die psychologische Wirkung und das Material.

Zur psychologischen Wirkung: Das Verkehrsamt hat in dieser Hinsicht, absichtlich oder nicht, eine ideale Teststrecke ausgesucht. Rund um die Oberbilker Allee herrscht großer Parkplatzmangel, geparkt wird so gut wie überall. Geh- und Radwege waren willkommene Möglichkeiten, Rücksicht auf Radfahrer war bisher eher gering ausgeprägt. Das hat sich mit dem neuen Radweg spürbar verändert. Der Weg und seine unmittelbare Umgebung bleiben in aller Regel frei. Es wirkt, als würde er Respekt auslösen, es scheint schwieriger zu sein, ihn zu ignorieren oder zu behaupten, man habe ihn nicht gesehen. Das war bei den abgenutzten roten Pflastersteinen ein Leichtes.

Zum Material: Da der rote Kunststoffbelag bisher nur auf Straßen liegt, auf denen viele Autos darüber rollen, hat die Stadt noch keine Erkenntnisse, wie sich das Material auf einem reinen Radweg entwickelt. Auf Anfrage unserer Redaktion hat die Stadt mitgeteilt, dass der Belag widerstandsfähig sei und „bei geringer Beanspruchung mindestens zehn Jahre halten“ sollte. Die Farbe sei bei „üblicher Verschmutzung“ und Reinigung durch Regen gut erkennbar. Nach den ersten Wochen zeigt die Teststrecke auf der Oberbilker Allee viele Spuren von bremsenden Radfahrern und verdauenden Vögeln. In einem halben oder ganzen Jahr wird man wissen, wie viel Dreck sich dort ansammelt und ob der Weg so gut sichtbar bleibt. Bisher gewinnt das Rot.

Fazit

Es spricht viel für den ziemlich roten Radweg. Er schafft Kontrast zu den anderen Verkehrswegen und sorgt für eine klarere Trennung zwischen Fußgänger*innen, Rad- und Autofahrer*innen. Diese Klarheit sorgt – mindestens bei den Befragten in Berlin – für ein höheres Sicherheitsgefühl. Solche subjektiven Aspekte sind wichtig, wenn es darum geht, Menschen vom Wechsel aufs Rad zu überzeugen. Drei Fragen sollte das Verkehrsamt mit dem Test an der Oberbilker Allee ermitteln:

  • Wie stark verschmutzt der Radweg?
  • Hat das Material Einfluss auf die Umwelt?
  • Und könnte Grün doch das bessere Rot sein?

Weiterführende Links

Untersuchungen zu grün-beschichteten Radwegen

Erläuterungen zu Verkehrsrot


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